„Ich wurde für das bestraft, was ich bin“ – Interview des Solikreises in Stuttgart mit Smily zu seiner Haft
Smily wurde am Morgen des 8. Februar 2012 in seiner Wohnung durch das SEK festgenommen. Vorgeworfen wird ihm eine Auseinandersetzung mit einer Gruppe in der sich rechtsoffene Personen befanden und zudem in anderen Fällen Sachbeschädigung und Beleidigung. Am 17. Februar 2012 fand sein Prozess vor dem Amtsgericht Stuttgart statt: hier wurde er zu zehn Monaten Haft verurteilt. Smily ist gegen den Beschluss in Berufung gegangen, der Termin für die Berufungsverhandlung steht bislang allerdings noch nicht fest.
Bislang wurden zwei Haftbeschwerden gegen die Untersuchungshaft richterlich mit fadenscheinigen Begründungen und dem Verweis auf die zu erwartende Höhe der Gesamtstrafe – derzeit strebt die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von 23 Monaten an – abgelehnt.
1) Was genau wird dir vorgeworfen?
Vorgeworfen wird mir Körperverletzung in vier und Sachbeschädigung in zwei tateinheitlichen Fällen, sowie eine Beleidigung. Ich soll mich in allen Fällen schuldig gemacht haben.
2) Kannst Du uns mehr über das Thema Grauzone sagen? Denn bei deinem Prozess ging es immer wieder darum, dass die Zeugen, welche gegen dich aussagten, aus diesem Milieu kommen.
Eine Grauzone beschreibt die Schnittstelle von „unpolitisch“ und rechts. Eine mittlerweile manifestierte Szene in der Punk- und Oi-Subkultur, aber auch in anderen, die oft linke Strukturen nutzt, die sich andere hart erkämpft haben, für die sie selbst aber nie was getan haben. Gehetzt wird hier stets gegen die böse Antifa und das allseits beliebte PC-Phantom, währenddessen es dann aber nicht interessiert, dass man sich mit Neonazis den Konzertsaal teilt, wo wiederum Bands auf der Bühne stehen, die kein Problem damit haben in „Blood & Honour“-Läden aufzutreten, denn es sind ja alle „unpolitisch“.
Wir haben uns als Band (Anm: Gemeint sind „Produzenten der Froide“) von dieser Wischi-Waschi-Szene losgesagt und das öffentlich gemacht, was vielen nicht gepasst hat. So auch die Zeugen/ Geschädigten, die vor Gericht gegen mich aussagten und sich selbst auch der Grauzone zuordnen.
3) Interessant an dieser Geschichte ist, dass diejenigen, die eigentlich an der Schlägerei beteiligt gewesen sind, keine Anzeige gegen dich erstattet haben, sondern die Staatsanwaltschaft ein sogenanntes „öffentliches Interesse“ hinter der Klage sah. Auch dein Rechtsanwalt hat in seinem Plädoyer bei der Gerichtsverhandlung offen gesagt, dass „gewöhnliche Kneipenschlägereien“ normalerweise nicht das Interesse der Staatsanwaltschaft wecken. Warum ist das in deinem Fall anders?
Anklage wurde von den Beteiligten der Schlägerei zwar nicht erhoben, dafür konnten sie aber viele Angaben bei der Polizei machen die mich überführen sollten und ließen bewusst mich entlastende Fakten weg, um die Staatsmachtkarte noch gegen mich auszuspielen. Der Staatsanwaltschaft kam es scheinbar gerade recht mal wieder jemanden zu verknacken, der sich politisch links engagiert und allein deswegen in ihren Augen einen Unruhestifter darstellt.
Während man gegen links sehr energisch verfährt, wird die Rechte nicht selten laufen gelassen, so reichte mal wieder ein Fingerzeig auf links aus um alle Geschütze aufzufahren, denn da kennen die Behörden ja bekanntlich keinen Spaß.
4) Dir wird u.a. eine Sachbeschädigung vorgeworfen. Du sollst eine Musikveranstaltung gestört und dabei das Musikinstrument eines der Bandmitglieder beschädigt haben. Auch in diesem Fall ist es so, dass derjenige, um dessen Instrument es geht, niemals eine Klage gegen dich erhoben hat, sondern die Staatsanwaltschaft meint, dass es von öffentlichem Interesse sei, dich in dem Punkt anzuklagen. Was sagst du dazu?
Auch hier hat die Grauzone wieder mit der Staatsmacht kooperiert und konnte einige Angaben machen. So konnte der Schlagzeuger der Grauzonencombo der Polizei erzählen dass er in einer „unpolitischen Oi Band“ spielt und ich eben in einer Redskinband, das „seien linke Faschisten“, und wir können uns eben nicht leiden.
Wie auch im Falle der Schlägerei wurde hier erneut mit dem Finger auf die böse Linke gezeigt und die Staatsanwaltschaft klagte an. Genauso wurden hier auch wieder Details, wie z.B. dass auf diesem Grauzonen-Konzert Flyer, die mich als Person diffamieren sollten, ausgelegt wurden, bewusst weggelassen. Selbst auf die Frage warum ich denn so aufgebracht an dem Abend das Schlagzeug der Person demoliert habe, wurde der Flyer nicht erwähnt.
5) Einer der Hauptzeugen hetzt im Internet gegen dich. Auch waren die Aussagen der Zeugen vor Gericht widersprüchlich und unterschieden sich in vielerlei Punkten. Woran liegt das?
Hetze im Internet gegen mich und uns setzt sich seit Veröffentlichung unseres Statements gegen die Grauzone ständig fort. Es sind sogar mindestens zwei der Hauptzeugen, die da im Internet aktiv sind und das schon lange Zeit vor dem „Zusammentreffen“. Dass deren Aussagen vor Gericht widersprüchlich und unterschiedlich waren, zeigt auch wieder auf dass eben viele Fakten die mich entlastet hätten weggelassen und dafür andere hinzugedichtet wurden. Dass Staatsanwaltschaft und Richterin sich daran nicht störten, unterstreicht erneut dass Staatsmacht und Grauzone gemeinsam davon profitieren, den linken Störenfried einzubuchten.
6) Die erste Begründung für die Rechtfertigung deiner Untersuchungshaft lautete „Verdunklungsgefahr“. Bei der Urteilsverkündung wurde jedoch auf Fluchtgefahr umgeschwenkt. Was denkst du sind die Gründe deiner Untersuchungshaft?
Dass die Verdunklungsgefahr mit einem nicht auffindbaren Facebookeintrag, den es ja übrigens nie gab, begründet wurde, die man dann in eine Fluchtgefahr umkonstruierte, mit der Begründung ich verfüge über ein weltweites Netzwerk an Kontakten, was man wohl meiner Knastpost entnehmen kann, spricht eine deutliche Sprache. Die wirklichen Gründe meiner U-Haft dürften offensichtlich sein. Die Staatsseite genießt dadurch einige Vorteile. Bei jemanden, der schon verknackt ist, tut man sich leichter ihn erneut zurück ins Loch zu stecken, gesetzlich wie moralisch. Des weiteren ist zu erwarten dass der Angeklagte durch seine Inhaftierung dementsprechend geschwächt und zermürbt an der Verhandlung teilnimmt und von Vornherein im Nachteil ist, was ich ja am Tage der Verhandlung auch war. Ich hatte nicht einmal etwas zum Frühstück. Hinzu kommt dass man nun auch meinen PC und mein Handy einkassieren konnte, um beides zu durchforsten und eventuell noch viele andere für sie interessante Kenntnisse zu erlangen. Das Ganze stützte sich letztendlich auf die Aussagen zweier Grauzonies, die kurz vor der Verhandlung Angst vor der Prozessbeobachtung bekamen und sich erneut bei der Polizei meldeten. Nicht zuletzt soll die U-Haft natürlich eine abschreckende Wirkung auf mich und vor allem meinen Genossinnen und Genossen draußen haben. Methoden also, die man aus der Geschichte gut kennt.
7) Bei vielen Prozessen wird deutlich: Der Knast soll dazu dienen Andersdenkende einzuschüchtern. Inwieweit war dies bei dir der Fall?
Das ist definitiv auch hier der Fall und wird deutlich durch die ganze Herangehensweise und Intensität, sowie die Mittel, welche für den Fall verwendet wurden.
8) Welchen Umgang findest du, um mit dieser Situation klar zu kommen?
Wichtig ist zu erkennen warum man letztendlich in diese Situation geraten ist und es ist zweifelsfrei die Tatsache, dass ich nicht für das bestraft wurde, was ich angeblich getan haben soll, sondern für das was ich bin. Ein Störglied im System in Zeiten der Aufklärung. Einer von vielen, der an ihren Stühlen sägt. Wenn man das begriffen hat, so fällt es einem um einiges leichter mit der Situation klarzukommen.
9) Die psychische Isolation findet auf unterschiedlichen Ebenen statt. Briefe sind ein wichtiges Mittel, um diese zu durchbrechen, den Briefverkehr zu unterbinden wiederum ist ein Mittel der Klassenjustiz, die Isolation zu verstärken. Was kannst du dazu sagen?
Ich bekomme hier täglich Post aus aller Welt. Italien, Frankreich, England, Schweden, Kanada, alles dabei. Allein wegen der Post erfahre ich hier ein breites Maß an Solidarität und jeder einzelne Brief, oder auch nur eine Postkarte, auf der vielleicht nur ein simpler Satz draufsteht, stellt für mich ein Fenster nach draußen dar und verbindet mich mit meinen Brüdern und Schwestern weltweit, so dass die Isolation hier ein Stück weit durchbrochen wird. Diesen Briefverkehr zu unterbinden, ist ein Mittel der Klassenjustiz und wurde bei mir auch schon angewendet, als man mir über einen längeren Zeitraum hinaus die Post entzogen hatte und mich eines Morgens darüber aufklärte, dass wohl nun gegen mich ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung auf einer Demonstration eröffnet wurde. Die zuständigen Beamten der Polizei seien schon da, und ich könne sofort mit ihnen reden. Das tat ich selbstverständlich nicht und lehnte dankend ab. Ich gehe davon aus, dass man mich, weichgekocht durch den Postentzug dazu bringen wollte aus Angst irgendwelche Angaben, womöglich sogar über andere, zu machen und will womöglich auch einen negativen Ausgang einer anstehenden Haftprüfung provozieren.
10) Nun sitzen in Stammheim mehrere politische Häftlinge. Hast du Möglichkeiten, sie zu sehen, dich mit ihnen zu unterhalten oder in Kontakt zu treten?
Wir sehen uns öfters unten im Warteraum, wenn wir Besuch oder Anwaltstermine haben, da können wir uns unterhalten. Allerdings sind wir alle auf verschiedene Stockwerke verteilt oder auf verschiedene Bauten. Es bleibt also wirklich nur der Warteraum in dem man sich dann immer nur durch Zufall trifft.
11) Gibt es noch irgendetwas, was du uns mitteilen möchtest?
Vielen Dank für Eure unendliche Solidarität und alles was ihr und all die anderen Gruppen für mich und alle anderen hier getan habt!
Vielen Dank, dass du dieses ausführliche und Informationsreiche Interview mit uns geführt hast.
Stuttgarter Solikreis | Mai 2012