Thomas Meyer-Falk: Monopole und Hungerstreiks im Knast
Wer im Knast sitzt unterliegt nicht nur der Beschränkung seiner räumlichen Bewegungsfreiheit, sondern beispielsweise auch Einschränkungen wenn er oder sie etwas kaufen möchte. Darum soll es gleich im Anschluss gehen. Danach berichte ich noch kurz über einen Hungerstreik in der JVA Bielefeld von Juni 2009, sowie die „Vorsicht-Steinschlag“-Schilder in Bruchsals Gefängnis.
1.) Monopole im Gefängnis
Gefangene dürfen aus einem von der Haftanstalt vermittelten Angebot Nahrungs- und Genussmittel sowie Mittel zur Körperpflege kaufen (vgl. §22 Strafvollzugsgesetz). Die bedeutet, die Anstalt beauftragt einen Händler mit der Bereitstellung des Angebots, ggf. Belieferung der Gefangenen via Listeneinkauf. Im ersteren Fall befindet sich in den Räumen der JVA ein kleiner Laden und Gefangene können vor Ort die Waren die sie gerne kaufen möchten aussuchen, im zweiten Fall erhalten sie nur eine Waren- und Preisliste, sie bestellen was sie benötigen und erhalten einige Tage später fertig kommissioniert einen Korb mit den Artikeln.
Bei alledem ist ein Problem in nahezu jeder Haftanstalt zu beobachten: die Preise, die den Gefangenen abverlangt werden, tendieren dazu sich von den Preisen in Freiheit abzuheben. Verkauft beispielsweise EDEKA in seinen Geschäften Kaffee der Marke Dallmayr Prodomo für 2,89 Euro, bezahlen wir in der JVA Bruchsal bei der uns beliefernden Firma Massak stolze 4,79 Euro. Ein von der Bruchsaler Anstalt höchstselbst im Frühjahr durchgeführter Preisvergleich von 141 Produkten (verglichen wurden die Preise der Firma Massak Logistik GmbH mit zwei Supermärkten) ergab, dass 42 Produkte im Gefängnis ein paar Cent billiger waren als „draußen“, aber 89 Produkte, teilweise erheblich, teurer (bei 10 Produkten fanden sich identische Preise). Wenn knapp 60% der Artikel teurer sind, dann kann etwas nicht stimmen, zumal wenn keine unabhängige Stelle den Vergleich durchführte, sondern sogar die Justiz selbst. Wie der Preisvergleich ausgefallen wäre, wenn eine unabhängige Instanz diesen gemacht hätte, mag man sich selbst ausmalen.
Wie sehen nun die Handlungsmöglichkeiten der Gefangenen aus? Eine Alternative besteht in völligem Konsumverzicht. Eine andere darin, die Justiz im Wege von Amtshaftungsklagen in Anspruch zu nehmen. Ich selbst erstritt vor einigen Jahren einmal vor dem Zivilgericht Schadenersatz, da der damalige Anstaltskaufmann nur viel zu teure Schreibwaren anbot; da mir die JVA keine preisgünstigere Bezugsquelle genehmigen wollte, musste das Land die Differenz zwischen Anstaltskaufmann und günstigerer Bezugsquelle ersetzen. Der Rechtsstreit dauerte Jahre und beinhaltete auch Versuche der Anwaltskanzlei die das Land vertrat, den Kläger (mich) schlicht zu diffamieren.
Wer daran denkt über das Wettbewerbsrecht (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) dem Kaufmann beikommen zu wollen, der stößt auch auf Schwierigkeiten. So teilte das Bundesministerium für Wirtschaft (Anschrift: 11019 Berlin; Az.: IB1-999 813) am 14.07.2009 mit, dass Monopole nicht per se verboten seien, jedoch dürfe ein Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung nicht missbrauchen. Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg (Postfach 10 34 51; 70029 Stuttgart; Az.:1-4453.89/23) ließ am 8.09.2009 wissen, dass es nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht davon ausgehe, dass ein Anstaltskaufmann in einer JVA eine marktbeherrschende Stellung im Sinne von §19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen inne habe. Dieses Gesetz knüpfe an das Vorhandensein eines Marktes an; dieser liege dann nicht vor, wenn die Wirtschaftssubjekte nicht grundsätzlich autonom seien.
Das heißt, verständlich formuliert, zwar dürfen Gefangene einkaufen, jedoch nur unter den wesentlichen Einschränkungen des Strafvollzugsgesetzes. Dies schließt dann aus, dass es sich dabei um einen Markt im Sinne von §19 GWB handele. Und wo kein Markt, dort auch keine marktbeherrschende Stellung.
In einem Buch des in den USA seit 22 Jahren in Haft sitzenden deutschen Diplomatensohns Jens Söhring, beschreibt dieser die dortige Situation: auch dort gibt es Gefängnisse in denen Firmen ein Monopol inne haben. Und genau die selben Firmen, so berichtet er, die in anderen Bundesstaaten kein Monopol haben, sondern wo Gefangene sich aussuchen können bei wem sie etwas bestellen, bieten ihre Waren dort bis zu 40% billiger an, als in Anstalten, in welchen sie das Monopol haben. Nichts anderes passiert in Deutschland und die Firma Massak ist nur ein Beispiel von mehreren.
2.) Hungerstreik in Bielefeld
Die junge Welt berichtete am 04.Juli 2009 von einem Hungerstreik in der JVA Bielefeld aus Protest gegen eine ausgefallene Sportstunde. Eine Anfrage beim Justizministerium Nordrhein-Westfalen vom 27.07.2009 brachte nicht wirklich erhellendes zu Tage, denn das Ministerium verweigert den Zugang zu einem Vorlagebericht der JVA Bielefeld. Lediglich auszugsweise übermittelte am 29.09.2009 das JM einen Vermerk der zuständigen Referatsleiterin im JM vom 03.07.2009 wo es heißt, der Hungerstreik habe von Montag, dem 29. Juni bis Mittwoch, 01. JVA BJuli angedauert. Teilgenommen hätten sechs Gefangene das Haus 6, einem besonders gesicherten Haftbereich mit 14 Haftplätzen, der über einen eigenen Hof verfüge.
3.) „Vorsicht Steinschlag“
Offenbar um sich vor Schadenersatzklagen von Gefangenen zu schützen, hängte die Bruchsaler Haftanstalt im Hof an die Außenmauer Schilder „Vorsicht Steinschlag“. Die Mauerkrone ist schon etwas brüchig und bevor von Steinen getroffene Gefangene das Land in Regress nehmen, hängte man die Schilder auf. Nun haben die Gefangenen die Wahl: nehmen Sie den Steinschlag in Kauf und spazieren ihre Runde auch an der Mauer vorbei, oder halten sie sich von der Mauer fern. Ein völliger und plötzlicher Zusammenbruch der Mauer ist -leider- nicht zu erwarten.
Thomas Meyer-Falk
c/o JVA – Z. 3113
Schönbornstr. 32
D-76646 Bruchsal
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