Damien freigelassen! – Farid wieder im Knast
Die Innenministerin Frankreichs Alliot-Marie hat zum Kampf gegen links aufgerufen und all ihre polizeilichen wie geheimdienstlichen Organe darauf eingeschärft. Seit 2008 wird eine linksextremistische Gefahr, “die mouvance anarcho autonome francilienne” – tendenziell die neue “Action Directe”, herbeifabuliert.
Einige Aktivist_innen landeten Anfang 2008 (Artikel darüber sind in älteren Ausgaben der Entfesselt zu finden) unter absurdesten Terrorvorwürfen und der Konstruktion vermeintlicher Terrorakte wie dem Vorhaben Nagelbomben bauen zu wollen für längere Zeit im Gefängnis, einige befinden sich unter strenger richterlicher Kontrolle und Meldeauflagen wieder in “Freiheit”. Vor kurzem wurde Farid, einer der Beschuldigten, weil er
gegen seine Auflagen verstoßen haben soll, wieder inhaftiert. Ein weiterer Beschuldigter, der draußen ist, ist untergetaucht um sich dieser schikanösen Willkür nicht länger unterziehen zu müssen. Aber auch eine erfreuliche Nachricht zu diesen Fällen haben wir euch mitzuteilen: Damien, der siebeneinhalb Monate in Untersuchungshaft saß ist wieder
frei gekommen.
Kraft und Mut für alle Untergetauchten, Inhaftierten und Menschen in “Freiheit”!
Solidarität mit allen Gefangenen!
ABC-Berlin
Brief von Farid aus dem Knast La Santé März 2009
Hallo an alle Freund_innen, Genoss_innen, Mitstreiter_innen und alle Gefangenen
Ich bin im Trakt A in La Santé inhaftiert. Der letzte noch geöffnete Trakt in diesem Knast. In einer Zelle, genannt DPS (Gefangener unter besonderer Beobachtung – von der Knastverwaltung so betitelt), die nur so genannt wird, weil sie eine Einzelzelle ist. Übrigens ist die Größe auch eine besondere, sie hat weniger als fünf Quadratmeter! (Ich kann beide Wände nur durch Ausstrecken der Arme berühren und ich bin nicht breit gebaut) Die anderen Zellen sind für drei Hochbetten bis zur Decke gebaut und immer üblicher werden vier pro Zelle. Sie sind völlig überfüllt wie überall…Jede_r sagt, dass der Sommer heiß wird…mal sehen. Selbst die „Doktor Mengele“ der UCSA (Gesundheitsversorgung der Haftanstalt) sind für die Schließung dieses Knasts. Wahrschenlich auch weil es ein Staatsprojekt war. Aber die vorherrschende Politik des Strafens ist für 700 Gefangene verantwortlich und wenn man sieht wie oft die Wände neu gestrichen werden und sie damit nicht aufhören sieht es nicht so aus, als ob sie den Knast bald schließen werden. Wenigstens gibt es noch die Freude auf dem Weg zu den Besuchsterminen die anderen drei Trakte leer zu sehen da sie völlig runter gekommen sind. Wie schön ist ein verlassener und verwahrloster Knast! Ich hätte fast verfallen gesagt aber das ist eigentlich der Fall bei vielen alten Knästen. Die Duschen mit dem Schimmel, der von der Decke fällt – das muss mensch einmal in ihrem/seinem Leben gesehen haben. Übrigens ist das auch der Ort an dem viele Gefangenen Krankheiten wie Hepatitis bekommen. Wenn ich das zu den „Dr. Mengelen“ sage antworten sie „dann dusche doch einfach nicht“. Das ist der Humor des Knasts, der auf die Ärzte abfärbt. Eigentlich wird die Dusche nach einer Verstopfung im letzten Jahres jetzt täglich geputzt. Trotz dessen und einem ultra-modern-desinfizierten Knast sind die Haftbedingungen immer noch eine zusätzliche Strafe.
Für alles muss man Kämpfen. Die letzte Blockade war…für die Möglichkeit Eier im Kiosk kaufen zu können…ein siegreicher Kampf! Aber vor einem Monat wollte der Knast die Preise für alle Waren, die im Kiosk erhältlich sind, um 10% erhöhen. Hieran kann mensch sehen, dass die Krise nicht nur für Banken gut ist. Mehrere Männer haben Beschwerdebriefe geschrieben woraufhin die Erhöhung nur um 5% stattfand…Wann werden wir Aktionen für die Kaufkraft von Gefangenen machen? Zurück zum Thema der Realität drinnen. Beim Hofgang sind wir immer nicht viele, da der Knast die Gefangenen in Stockwerke, Arbeiter/Nicht-Arbeiter trennt. Manchmal sprechen wir über die, die von Pillen abhängig geworden sind und jetzt in einem psychiatrischen Trakt des Knastes sitzen – also dem Knast im Knast. Übrigens hat der „Dr. Mengele“ des Knastes hier, als ich ein Treffen mit einem Psychologen verweigert habe, folgendes gesagt: „Aah, das ist besser so. Wenn man so anfängt…danach kommen die Pillen…(wie als ob er zu sich selbst spricht)…Nein, sie verdienen das nicht, sie sind zu Knast verurteilt – aber dafür? Nein, dafür nicht…“ Was für ein schizophrener Typ!
Wir sprechen auch über Christophe Khider, der jetzt neben uns ist (vorher im Bunker, jetzt im Iso-Trakt) und Omar Top-el-Hadj, die „manche“ Leute kennen (wegen ihrer vielfach geglückten Ausbruchsunternehmungen). Aber wir sprechen auch darüber dass ihnen die Schweine hier viele Probleme machen werden. Aber wir sagen uns auch, dass Christope und Omar recht hatten, es leider nur zu kurz gehalten hat (Anm.d.Ü.: die Flucht)!
Ansonsten sitzt die Mehrheit der Gefangenen hier wegen „gar nichts“ wie man hier sagt, d.h. Fahren ohne Führerschein, kleine Drogendelikte oder kleine Diebstähle… . Es gibt auch eine beachtliche Zahl an osteuropäischen Gefangenen von denen einige nach Frankreich ausgeliefert wurden – Europa funktioniert! Einer der Sans-Papiers, der letzten Monat rausgekommen ist war der Brandstiftung im Abschiebeknast von Vincennes angeklagt (Er hat die Videoaufnahmen abgestritten und die Bullen haben ihn nicht wiedererkannt).
So, das ist alles. Ich hoffe, dass der Generalstreik, unbegrenzt und wild bald sein wird und dass ich euch dort schnellst möglich wieder finden werde.
Kraft und Entschlossenheit und…
Immernoch gegen die Knäste!
Farid
Brief von Farid – Wieder im Knast, weil er seiner Meldepflicht nicht nachgekommen ist
Ich bin einer der Angeklagten im Anti-Terrorverfahren gegen die MAAF. Von Januar bis Mai 2008 saß ich für vier Monate in Untersuchungshaft, nachdem ich mit Isa festgenommen und in unserem Auto Natriumchlorat und Baupläne des Jugendgefängnisses von Porcheville und Sabotageanleitungen gefunden wurden. Zu dem selben Verfahren – also dem politischen und juristischen Konstrukt – gehört auch der Fall von Ivan und Bruno, die mit selbstgemachtem Rauchpulver auf dem Weg zum Abschiebeknast von Vincennes waren und zudem wegen versuchter Brandstiftung an einem Abschleppwagen der Polizei beschuldigt werden. Hierfür saß Isa für mehr als ein Jahr in Untersuchungshaft, Juan sitzt schon fast zehn Monate im Knast von Bois-d’Arcy, Damien wurde nach sieben Monaten Knast in Villepinte nun rausgelassen und ist meldepflichtig.
Nach zehn Monate in „U-Freiheit“ ließ mich die Richterin noch einmal am 11.März verhaften weil ich die Meldeauflagen eigenmächtig gebrochen habe. In einem Bericht der Anti-Terroreinheit der Brigade Criminelle (Anm.d.Ü.: wie LKA) steht, dass ich auf zwei Demonstrationen in Solidarität mit „Isa und allen Gefangenen“ im Januar 2009 mit Ivan gesprochen habe. Die Quelle dieses Polizeiberichts ist unklar, es gibt keine Fotos davon und alle Rechtfertigungen haben genützt. In einer Welt in der die Bullen und die Justiz die beiden Seiten ein und der Selben Maschinerie der Unterdrückung sind ist das keine Überraschung. Das ist auch der Grund warum Ivan beschlossen hat nicht der Vorladung zum Gericht zu folgen, die stark nach Knast gerochen hat. Ich wünsche ihm viel Erfolg bei seinem jetzigen Ausflug. Ich klopfe auf Holz, dass ihm nicht mitten auf der Straße ein Scherge begegnen wird. Für mich, ohne darüber nachzudenken, ob es eine gute oder schlechte Entscheidung ist habe ich einfach beschlossen der neuen Zerreißprobe zu trotzen um immer noch den Kampf fortzuführen und keine Zugeständnisse zu machen. Ich bin dieser Vorladung im Bewusstsein dieses Gefühls gefolgt. Vor mir habe ich den Anti-Terror-Ermittlungsrichter Edmont Brunaud und einen Berg voll Heuchelei, der jene vortrefflich ziert, die in der heutigen Zeit die schwere Aufgabe haben die Illusion einer Demokratie aufrecht zu erhalten. In dem Moment in dem er mich in den Knast geschickt hat meinte er, „er hätte keine andere Wahl“. Wollte er über den Druck sprechen, den die Anti-Terror-Staatsanwältin auf ihn ausübt, weit entfernt von dem Märchen der Unabhängigkeit des Ermittlungsrichters? Wer weiß? Aber er gibt die Verantwortung dem Ermittlungs-/Haft-/Entlassungsrichters der Jean Michel Maton (Maton bedeutet Schließer!). Alles gute hat einmal sein Ende und somit hat er sich sehr schnell für weitere U-Haft gegen mich entschieden.
Herr Maton schreibt trotzdem ein langes Papier in welchem er noch einmal davon spricht, dass Ivan und ich an der Demo am 15.01 vor dem Gericht und der Knastverwaltung teilgenommen haben (danach wären wir angeblich mit anderen Leuten in ein Café gegangen – jedoch nicht um Witze über Sex zu machen oder Karten zu spielen – nein, die Polizei weiß, dass es sich hierbei natürlich um einen Treffpunkt der „MAAF“ handelt) und auch auf der Demo am 18.01 vor dem Frauenknast Versailles. Gleich danach schreibt er, dass es natürlich nicht verboten sei zu demonstrieren…jedoch nicht zu zweit! Bei zwei angeblichen Terroristen, die es sich erlauben zusammen „Knäste zu Baulücken“ zu schreien sind wir wohl nicht weit von einem Landfriedensbruch entfernt.
Wahrscheinlich wollten sie nach vier Monaten U-Haft auf Grund Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung mit terroristischer Zielsetzung, dass wir Angst bekommen und unsere Kämpfe, die wir vor dieser staatlichen Offensive gegen uns geführt haben, aufgeben also unseren Kampf für die Freiheit aller und gegen jegliches Eingesperrtsein. Das war nicht der Fall. Als wir im Knast waren angesichts der juristischen Logik des Einsperrens von Ärmereren und Ausländern, angesichts der Knastrealität der Unterdrückung und Vernichtung sind unsere Ideen und Wut noch stärker nach draußen gekommen. Genau dafür, dass wir aufrecht geblieben sind und die Isoliertheit abgelehnt haben, die uns versprochen wurde dass die Richter entschieden haben uns zu „bestrafen“ uns zurückzuschicken hinter die hohen Mauern. [Übrigens wird mir in diesem Papier angelastet, dass ich es mehrere Male gewagt haben soll Veränderungen in meinen Meldeauflagen gefordert zu haben, das zeigt was die Meldepflicht wirklich ist: Eine „Freiheit“ unter Beobachtung von Bullen, Richtern und Solzialarbeitern – vorausgesetzt Du hältst die Klappe.
Jetzt im Knast bin ich der Meinung, dass das was mir widerfahren ist nicht weit von einem Schicksal entfernt liegt, dass für die Massen Bestimmt ist, für Widerspenstige und Verkehrsopfer des Diktats der Ausbeutung eingetragen im Vorstrafenregister und Verbüßer_innen von Mindeststrafen die immer mehr Menschen in den Knast schicken. Alle Kämpfe, die hier möglich sein werden werde ich durchführen – mit Wut und Frieden. Bezüglich der sozialen Situation „draußen“ können sie uns zwar einsperren aber nicht die Wut und die Revolte gegen die Ordnung der Dinge verhindern, denn diese wächst immer weiter…und die, die nachts demonstrieren werden weitermachen…und noch mehr!
Generalaufstand!
Freiheit für alle Gefangenen!
*Spitznamen