Thomas Meyer-Falk: Weihnachtsbotschaft aus Knast – Eine Glosse
Seit einigen Jahren schon beglückt der Leiter der Justizvollzugsanstalt Bruchsal, Herr Thomas Müller, immer zur Weihnachtszeit die Insassen mit einer Grußbotschaft. Je nach Tagesform fällt diese dann entweder wenig originell aus (beispielhaft jene von 2003) oder es wird auch schon mal die aus rechten Kreisen bekannte Musikgruppe Boehse Onkelz zitiert (so im Jahr 2009), wobei zu letzterer Weihnachtsbotschaft der Anstaltsleiter Müller später behauptete, ihm sei die Provenienz des Zitats nicht bekannt gewesen.
Sage niemand, Müller sei nicht einsichtsfähig – zitierte er also vor einem Jahr noch (unbewusst) die Boehsen Onkelz, so darf es 2010 (ganz bewusst offenbar) Mahatma Gandhi sein, den er uns ans Herz legt: „Es gibt wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.“
Jetzt rätseln manche Gefangene, ob das als Drohung oder aber als Versprechen zu verstehen sein soll, denn das Jahr 2010 war geprägt von ziemlich hektischen Entscheidungen seinerseits, die dann teilweise auch wieder revidiert werden mussten und somit im Kontrast stehen zu diesem entschleunigenden Zitat Gandhis.
Der Mitgefangene R. meinte spontan zu der Weihnachtsbotschaft Müllers, die sinnigerweise auf einem bunten Din-A4-Blatt, eingeklemmt zwischen dem Schmutzwäscheplan und dem Speiseplan der laufenden Woche ihr Dasein fristet, diese „ist so leer wie er – Müller – “. Zu diesem zugegebenermaßen subjektiv geprägten Eindruck mögen die „persönlichen“ Worte des Anstaltsdirektors beigetragen haben.
Thomas Müller schreibt nämlich: „Ich wünsche Ihnen allen ruhige und friedvolle Weihnachtstage sowie für das Jahr 2011 Gesundheit, Glück und persönliches Wohlergehen.“
Nun ja, Mitgefangener S. stellte in den Raum, dass „bei solch einem Anstaltsleiter wir ganz viel von dem Glück benötigen“ würden.
Ob Müller, angesteckt von der Weihnachtsbotschaft der Bibel, sich vom Saulus zum Paulus wandelte und deshalb so pastoral wie salbungsvoll das Wort an uns Gefangene richtete, das entzieht sich meiner Kenntnis; jedenfalls zeigt schon die erwähnte, durch das uniformierte Wachpersonal erfolgte Platzierung zwischen Schmutzwäsche und Speiseplan, dass man allzu ernst die holde Botschaft nicht nehmen sollte.
Manchem mag es gar menschlich erscheinen, dass ein Anstaltsdirektor überhaupt und in dieser Form das Wort an Strafgefangene richtet. Ja, das ist eben der viel gerühmte Resozialisierungsvollzug; dort richtet dann, wie selbstverständlich, auch ein hochdotierter Beamter herzerwärmende Worte an die werte Gefangenenschaft. Es gibt schließlich auch Inhaftierte, die sich ehrlichen Herzens über diese Weihnachtsbotschaft freuen und dankbar sind.
Wer nun 2011 zitiert werde wird, nach Boehsen Onkelz und Mahatma Gandhi, ist schon Gegenstand von Wetten.
Mit gerührten Grüßen, sich die Träne aus dem Augenwinkel tupfend Ihr und Euer
Thomas Meyer-Falk
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