Hungerstreik in Knästen in der Schweiz
Die vier in der Schweiz inhaftierten Anarchisten Marco Camenisch, Luca (Billy) Bernasconi, Costantino Ragusa und Silvia Guerini werden vom 1. Mai bis 28. Mai einen kollektiven Hungerstreik durchführen. Dies ist nicht deren erste kollektive Aktion, bereits im September 2010 waren die vier für mehrere Wochen im Hungerstreik. Der jetzige Hungerstreik wird in der Form geführt, dass alle nacheinander für eine Woche den Knastfrass verweigern, als erste hat am 1. Mai Silvia begonnen.
Erklärung Initiative 1. – 28. Mai 2011
Vom 1.-28. Mai 2011 führen wir erneut einen Hungerstreik durch, den wir in Stafetten von je 7 Tagen untereinander aufteilen. Mit dieser neuen kollektiven Initiative wollen wir die Kontinuität der Bindungen und Beziehungen, die schon in früheren Streiks und vielen solidarischen Initiativen und Kämpfen draussen geknüpft wurden. Aber es ist auch eine Antwort auf die Versuche der Bundesanwaltschaft der Schweiz und der internationalen Repression die Kämpfe zu verleumden, isolieren und brechen. Solche Versuche werden an unserer Entschlossenheit immer scheitern, jenen Faden nicht zu durchschneiden, der uns mit euch GenossInnen draussen verbindet, um ihn im Gegenteil mit euch zusammen immer weiter zu spinnen, als Teil der revolutionären Bewegung für die Befreiung der Tiere und der Erde.
Die vor einem Jahr begonnene enorme BP-Deep Water Horizon-Katastrophe im Golf von Mexiko hat das Prinzip der techno-industriellen Gesellschaft bestätigt, wonach ihre technologischen Mittel gegen die Katastrophen der Technologie immer schlimmer als das Übel sein werden, das sie vorgeben beheben zu wollen, um hingegen jeder Verheerung eine noch grössere hinzuzufügen. In diesem Fall mit dem chemischen Lösungsmittel geheimer Zusammensetzung und mit nanotechnologischen Teilen, dessen Folgewirkungen unbekannt sind; das also experimentell in ungeheuren Mengen ins Meer versprüht wurde. Geheime Zusammensetzung also, genau wie beim Chemiecocktail, der mit Hochdruck zusammen mit Sand und Wasser in die tiefen Schiefergesteinsschichten gejagt wird, um das dort lagernde Erdgas dank neuer Technologie endlich hervorzuholen. Schiefergesteingas kommt nicht in den immer seltener werdenden grossen unterirdischen Blasen, sondern in unendlich vielen kleinen Bläschen vor, die in Schiefergesteinsschichten eingeschlossen sind. Verheerende Folgen wie Erdbeben und noch noch mehr Vergiftung der Oberfläche und des Grundwassers sind vorprogrammiert. Bezeichnend: In den Medien der Multis (TV und Presse) haben sie mit massiver Werbung für Gas als grüne Energie seit Fukushima schlagartig und völlig jene für Atomstrom als saubere Energie ersetzt…
Und die Bilder vom Norden Japans drangen mit der geballten Wucht eines kaum vorstellbaren Ereignisses in unsere Stuben und Zellen. Die Unkontrollierbarkeit der natürlichen Elemente entblösst so die gesamte anthropozentristische Überheblichkeit des techno-wissenschaftlichen Fortschritts und fegt an einem einzigen Nachmittag tausende von Menschenleben mitsamt allen Gewissenheiten einer urbanen Gesellschaft hinweg. Alles um uns Existierende wurde von Wissenschaft, Wirtschaft und Regierungen neugestaltet und stellte uns alle in einen Schwebezustand; in ein selbsttragendes künstliches Gerüst hinein, das alles aber nur nicht solide ist: Die technologisch-industrielle Gesellschaft eben.
Seit tausenden Jahren von Zivilisation, die sich jetzt zu ihrem totalen und globalen Ausdruck – Kapitalismus der Multis – verdichtet hat, werden wir alle dazu gezwungen dieser Gesellschaft, ihren Schädlichkeiten und Illusionen, unsere Leben anzuvertrauen. In ihrer dumpfen Arroganz, die während der gesamten Geschichte für alle Herrschenden bezeichnend ist, kann sich die Macht keinerlei Infragestellung ihrer selbst und der Gegenwart leisten, zu der sie uns gezwungen hat. Zu Nachbesserungen, die immer Scheinlösungen sind, nur dann wenn sie ihre Legitimität stärken können, kann sie jedoch nichts anderes als sich andauernd zu reproduzieren, in einer unendlichen Spirale, deren erdrückende Windungen uns immer enger umschliessen. Wo die Bio- und Nanotechnologien als Teil dieser schädlichen Spirale bzw. des Systems keineswegs nur schlichte und weitere technologische Entwicklungen unter vielen anderen sind. Sie sind hingegen die Schlüsseltechnologien, womit sich das ganze Gerüst, worauf wir von unserer natürlichen Welt wegdeportiert wurden, selbst repariert. Und sie bilden innerhalb der techno-industriellen Spirale jenes Bindeglied, das den eisernen Ring der Herrschaft über unser Leben und alles Bestehende schliessen wird. Wobei die Gefahr für die Profite der Unternehmer und ihrer Multis kaum mehr von den Massen ausgeht, da diese vom materiellen Fortschritt abhängig geworden sind, sondern einer von den eigentlichen „Begrenztheiten“ dieses Planeten. So entsteht der Bedarf nach neuen Rohstoffen, neuen Materialien und Substanzen mit neuen Eigenschaften, neuen Formen der Energieproduktion, neuen „verbesserten“ Pflanzen- und Tierarten, neuen Anwendungen in Ernährung, Industrie und Medizin durch die Manipulierung des Lebenden und der Materie. Innovationen, die wie eigentlich alle zentralen technologischen Innovationen der Zivilisation den militärischen Bedürfnissen nach imperialistischem Krieg nach Innen und Aussen für die Dreifaltigkeit Eroberung-Kontrolle-Ausbeutung entspringen. Ein Krieg, der heute mehr denn je weiter über das Militärische hinausgeht und seine Front auf jede Äusserung von Leben und Materie in Nano- und Makrobereich und selbst über den Planeten Erde hinaus ausgeweitet hat.
So investieren alle Produktionsbereiche in diese Technologien und beschränken sich nicht mehr auf die Enge ihrer Labors. Nachdem sie den ganzen Planeten sogar mitsamt dem Weltraum in eine einzige todbringende und stinkende Müllhalde verwandelt haben, machen sie den gesamten Planeten zu ihrem Labor, zu einer neuen lebenden, oder besser gesagt sterbenden volltechnologisierten Welt.
Nicht – wie es uns die grossen „Green-washing“ – Kampagnen des Medien- und Staatsterrorismus der Multis weismachen wollen – um die vom System verursachten sozialen und ökologischen Verheerungen gutzumachen, sondern um die Herrschafts- und Ausbeutungssystem immer neu reproduzieren zu können bis es ihnen gelingt, die techno-industrielle Umzingelung vollends zu schliessen.
Mit dieser Initiative wollen wir ein spezifisches Empfinden vermitteln, das revolutionär, anarchistisch, ökologisch ist. Was uns dazu bringt, uns prioritär gegen Biotech, Nanotech und Nuklearforschung einzusetzen, weil es die zentralen Schädlichkeiten sind, auf die sich das System für seine Neustrukturierung stützt. Darum ergreifen wir diese Gelegenheit auch und vor allem zum Aufruf, den Kampf gegen Gentech und insbesondere gegen die andauernde Verbreitung von GVO in Europa zu relancieren. Eine Verbreitung, die von der EFSA mit Sitz in Parma als obligatorisches Durchwinke-Amt und von den Chemie-, Agro- und Nahrungsmittelmultis mit dem Ziel der Liberalisierung von gentechnisch verändertem Saatgut betrieben wird. Auch das ist Teil, und ein entscheidender Teil, des Versuches die totale und absolute Kontrolle und Herrschaft auf alle biologischen Vorgänge auszuweiten (entsprechend gilt dasselbe für alle sozialen und wirtschaftlichen Vorgänge durch Nanotech und Informatik), indem das Lebewesen auf einen schlichten Gen-Haufen reduziert wird, den es zu Produktionszwecken zu formen gilt. Diesen Kampf dürfen wir nicht ExpertInnen und PolitikerInnen delegieren, denn diese sind jedenfalls KomplizInnen des Systems, sondern indem wir Initiativen organisieren und breit agieren um diese Nekrologien aufzuhalten.
Mit diesem Streik bekräftigen wir unseren Willen innerhalb eines breiteren und lange dauernden Kampfes aktive Subjekte zu bleiben; Mauern, Gitter und Grenzen der machter niederzuschlagen, und erklären erneut unsere aktive Mittäterschaft mit allen, die gegen die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen, der Frau durch den Mann, der anderen Tiere und der ganzen Erde durch den Menschen kämpfen!
Bedingungslose Komplizität und Solidarität den Rebellen, die sich am 7. Feburar 2011 einem Todes-Transport (Atom-Müll) in der Val di Susa widersetzt haben!
Bedingungslose Komplizität und Solidarität den fünf GenossInnen, die am 6. April 2011 in Italien in Geiselhaft genommen wurden und allen anderen, die von diesem x-ten repressiven Angriff aufgrund des faschistischen Vereinigungsartikels getroffen wurden!
Solidarität den GenossInnen aus der sozialen Guerilla, die in Griechenland, Chile, Argentinien, Mexiko und der ganzen Welt in Geiselhaft sind!
Solidarität den GenossInnen der Justiz- und Polizeikonstruktion „Caso Bombas“ und den vier politischen Gefangenen Mapuche, die im chilenischen Staat in Geiselhaft und im Hungerstreik sind!
Und natürlich allen revolutionären Gefangenen, die hier in Europa, auf dem Amerikanischen Kontinent und überall auf der Welt als Geiseln des sozialen Krieges gefangen sind!
Und natürlich, herzlichste revolutionäre Grüsse allen GenossInnen, die ihre euch zu diesem 1. Mai hier in Zürich und in der Schweiz versammelt habt, wo wir, im Zusammentreffen eurer spezifischen Ausdrücke, sehr wohl wissen lebhaft präsent zu sein. Wo wir als revolutionäre Gefangene sehr wohl wissen, dass unsere Präsenz auch in der starken internationalen Mobilisierung und Teilnahme gegen Repression und für die Befreiung von uns revolutionären Gefangenen lebendig ist!
Mit der Solidarität in Bewegung wird die Repression unsere Kämpfe nicht aufhalten können! Die Leidenschaft für die Freiheit ist stärker als jegliche Autorität!
Anfang Mai, aus dem Schweizer Knast
Silvia, Costa, Billy und Marco