„Unkontrollierbar: Beiträge zu einem bewussten Nihilismus“
Der folgende Text versucht eine Erklärung über die Entstehung der nihilistischen Strömung innerhalb der anarchistischen Bewegung Griechenlands zu geben. Die dortige Entwicklung in den letzten zwei, drei Jahren warf für viele, die wie wir von vielen hunderten Kilometern weitweg auf die Szenerie schauen, als aber auch für diejenigen, die näher dran sind, viele Fragen auf, da es immer offensichtlicher wurde, dass die anarchistische Strömung sich in einem Wandel befindet. Der Text erschien vor einigen Wochen in englischer Sprache.
„Unkontrollierbar:
Beiträge zu einem bewussten Nihilismus“
(Die Göttin) Athene: Ich führe nur das aus, wozu ich aufgefordert werde. Fordern Sie, dass die Stadt in Harmonie funktioniert und ich binde die Sklaven fest und mäste die Herren. Das ist der Weg Harmonie aus dem Chaos zu schmieden. All jede die zuströmen und ganz ordentlich von Athena profitieren, akzeptieren dieses Angebot, ehrlich oder heuchelnd. In meiner Stadt zu verweilen verlangt Unterwerfung. So wie der Ochse, der Wasser trägt sich einem Joch unterwirft, hat sich der Bürger den Gesetzen der Stadt zu unterwerfen. Aber wenn du müde hiervon wirst, sollte der Wein Übelkeit verursachen und die Trauben an der Rebe verrotten, werde ich gerne zerstören, wozu Sie mich aufgefordert haben. Aber ich habe dennoch von jeden von euch Sterblichen, Rebellen oder Königen, die mich zu dieser letzten Aufgabe auffordern, zu hören: Lass Chaos herrschen über den Feldern von Athena. Ihnen fehlt der Mut alles brennen zu sehen, was ihnen Komfort und Schutz bietet. Sogar der Stärkste von Euch fürchtet mächtiges Chaos und was er unternehmen sollte, wenn ich ihn frei gehen lasse. Aber denke daran, junge Seele: Fordern Sie mich auf eine Stadt zu bauen und ich werde sie funktionieren lassen. Bitten Sie mich darum das Elend der Stadt zu beenden und mir bleibt nur die Möglichkeit: sie zu zerstören, gänzlich.
—Euripides, ATHENE POLIAS (Athene der Stadt) von dem „Verlorenen Werke“
Im Dezember 2008 entdeckte ein Großteil der Athener Jugendlichen etwas Schreckliches. Viele von ihnen waren zwischen 13 und 19 Jahren, als der 15-jährige Alexis in die Brust geschossen und ermordet wurde. Diese jungen Leute, die wenig über anarchistische Versammlungen oder akzeptable Methoden des Kampfes wissen, fühlten sich sofort angezogen zu den Menschen, die sie Banken anzünden und Geschäfte plündern sahen, die Stücke von Marmor aus dem Gehsteig schlugen und Brandsätze auf die Polizei warfen. Während dieser Tage versuchte niemand außer der Polizei ihre Wut zu stoppen. Während dieser Tage wussten sie, wer ihr Feind war; die Leute, die sie zu stoppen versuchten. Es war eindeutig, dass ihre Fähigkeit zu zerstören durch andere anwesende Leute bedingt war. Dadurch wurde in ihnen eine sehr allgemeine Akzeptanz von Kollektivität und Stärke in der Gruppe gefördert. Diese Macht wurde gegen alles genutzt, was mit ihnen im Einklang stand und diese Macht wuchs, solange der Aufstand dauerte. Als er vorbei war, als die Normalität zurückgekehrt war, blieben diese Jugendlichen sich ihrer Macht bewusst. Nun warteten sie auf ihre Chance sie wieder einzusetzen.
Im Mai 2010 starben drei Menschen in einer Marfin Bank. Sie waren von ihren Boss in dem Gebäude eingeschlossen und in Angst ihren Job zu verlieren, als Brandsätze zündeten und alles zu verbrennen begann. Diese Todesfälle unter gewöhnlichen Bankangestellten stürzte die AnarchistInnen Athens in eine Krise. Die Medien nutzten diese Toten als eine Entschuldigung und Rechtfertigung für Repression. Die Gesellschaft wendete sich gegen die mörderischen AnarchistInnen. Darüber hinaus wandten sich die AnarchistInnen gegen die AnarchistInnen und suchten nach einem Grund, Erklärung oder Rationalisierung für solch eine abscheuliche Tat. Aber es war nichts heraus zu finden. Einige sagten die Brandstifter wären parastaatliche Gruppen, einige sagten, die Polizei selbst wäre verantwortlich, andere sagten es wäre ein Unfall und wiederum andere sagten, die Toten wären vertretbare Verluste in einem Krieg. Nur wenige scharfsichtige AnarchistInnen erblickten die Wahrheit, was geschehen war: Die Jugendlichen von 2008 haben leichtfertig eine Bank niedergebrannt, die durch die Bosse verschlossen war.
Bis zum Mai 2011 waren die AnarchistInnen von Athen in einer selbst erklärten Krise. Eine der Hauptgründe waren die Nachwirkungen der Todesfälle in der Marfin Bank und die interne Kritik, die ein Jahr lang nicht aufgehört hat. Ein anderer Grund war die Verhaftungen der neuen Stadtguerillas und der Solidaritätsaufwand für die inzwischen vierzig politischen Gefangenen. Es gab viel Kritik an einige dieser Guerillas, besonders an der Briefbomben-Kampagne, die durch die „Verschwörung der Feuerzellen“ ausgeführt wurde. Es wurde gesagt, dass solche Aktionen leichtsinnig wären und wenig mehr erreichten, als das der Staat der Öffentlichkeit mehr Beispiele für anarchistischen Terror geben kann. Zwei Anarchisten wurden gefangen genommen und erklärten sich später verantwortlich diese Briefbomben an ausländische Botschaften versendet zu haben. Einer dieser Verhafteten war 22 Jahre alt, einer dieser Jugendlichen von 2008. Georgios Papandreou, der aktuelle Ministerpräsident von Griechenland, hatte diesen unkontrollierbaren Jugendlichen zu sagen: „Diese unverantwortlichen und feigen Taten, werden keinen Erfolg haben bei der Behinderung unserer gewaltigen Anstrengungen unsere Kreditfähigkeit wiederzuerlangen und die Ökonomie wiederzubeleben.“
Ich bin dem Freund verbunden, durch eigene Erfahrung von Wahl, Verständnis oder Entscheidung, die implizieren, dass das Wachstum seiner Macht hat auch mein eigenes Wachstum zur Folge hat. Symmetrisch dazu, ich bin dem Feind verbunden durch Wahl, nur diesmal eine Unstimmigkeit, damit meine Macht wachsen kann, was einschließt ihn zu konfrontieren, damit ich seine Kräfte untergrabe.
—Virginia Wolff
Oft stehen sie ganz vorne und sind bereit Molotows zu werfen wenn sie welche haben. Meistens jedoch tragen sie Steine und Fahnenstangen bei sich. Wenn gerade nichts geht und keine Polizei um sie herum ist zerstören sie alles um sich herum: Ampeln, Kioske, kleine Läden, Alles. Manchmal werden sie von anderen gestoppt und es funktioniert. Erst letztens wollte einer von ihnen ein Feuer legen aber einige AnarchistInnen löschten dieses kurz darauf. Wenn Plenas in besetzten Häusern stattfinden sind sie draußen und verhöhnen die Polizei und verteidigen das Haus mit Steinen und stellen Fallen auf. Viele AnarchistInnen nehmen sie nicht ernst. Manche verachten sie offen, sagen sie wollen „nichts mit der anarchistischen Bewegung zu tun haben,“ wegen ihnen. Diese Jugend von 2008 identifiziert sich als AnarchistInnen, aber es gibt viele AnarchistInnen die schnell sagen, sie würden sich dafür nicht qualifizieren.
Eine kürzliche Attacke auf eine Polizeistation in Exarchia brachte mehr Kritik. Während der Attacke fing ein Polizeimotorrad Feuer und explodierte als ein Verkäufer von einem nahegelegenden Markt versuchte das Feuer zu löschen. Am nächsten Tag gab es Schlagzeilen über die „Kapuzenträger“ verbrennen arme Leute. Ein sehr unglückliches Timing. Faschisten hielten erst vor kurzem eine Demonstration vorbei an der Marfin Bank, welche vor einem Jahr abgebrannt wurde. Die Faschisten wollten damit den öffentlichen Unmut missbrauchen und gegen die AnarchistInnen benutzen. Nachdem ein linker Grieche ermordet wurde, sagten die Faschisten sofort es wären Immigranten gewesen und mobilisierten hunderte von Leuten um einen rassistischen Pogrom zu entfachen der bis heute anhält. Der Angriff auf die Polizeistation passierte genau während dieser Zeit der Anspannung und galt als direkter Angriff auf genau die Polizei, welche die Faschisten beim terrorisieren Athens beschützte. Durch das unglückliche Timing mit dem Unfall des Verkäufers waren einige AnarchistInnen sehr schnell und verurteilten die gesamte Aktion. Die rechtsgesinnte Zeitung Kathimerini zitierte letztens einige Bewohner Exarchias die gesagt hätten, dass „echte AnarchistInnen“ so etwas niemals tun würden.
Diese Attacke kam aus Exarchia. Hunderte AnarchistInnen sind dort zu finden, rauchend, trinkend und redend. Viele der Jugend von 2008 verbringen hier ihre Nächte. Es ist ein Ort an dem Informationen, Ideen und schnell geplante Initiativen rasch unter AnarchistInnen verbreitet werden. Diese Jugendlichen, die hier abhängen, sind nicht unbedingt die, welche den besetzten Park in Stand halten, aber sie nutzen ihn ständig und haben keine Scheu ihn vor der Polizei zu verteidigen. Und trotzdem sind diese Jugendlichen, die oft an erster Stelle an den Fronten der Konflikte stehen, die am stärksten verspotteten der Athener AnarchistInnen. Ihre Aktionen sind nicht perfekt, sie agieren irrational und haben die Tendenz selbst die Pläne der AnarchistInnen zu ruinieren.
Letztens, als die AnarchistInnen ihr wöchentliches Treffen an der Polytechnic Universität hatten, griff die Jugend von 2008 die Marxisten Studentengruppen an, welche vor kurzem an den Studentenwahlen teilnahmen. Früher waren solche Angriffe auf Universitätswahlen Tradition bei den AnarchistInnen, doch heute werden sie nur noch von dieser Jugend von 2008 praktiziert. Die Marxisten verriegelten die Tore der Universität, etwas was sonst nur bei Polizeiangriffen gemacht wird. Die AnarchistInnen auf dem Plenum rannten heraus um zu sehen woher die lauten Geräusche und Schreie kamen, nur um zu sehen wie ein Haufen Marxisten sich gegen andere AnarchistInnen wehrte. Um es noch einmal zu sagen diese Attacke war lächerlich, kurzsichtig und zu einer sehr schlechten Zeit, nämlich als die Faschisten gerade auf den Straßen Jagd auf Ausländer machten. Aber die wilde Jugend, welche die Universitätswahlen angriff, wusste nur eins: Demokratie ist scheiße.
Geschichte ist ein Alptraum aus dem ich versuche aufzuwachen.
—Iggy Pop
Es gibt viel in Athen viel Gerede über sozialen Kannibalismus; das heißt, der Gesellschaftskörper frisst sich selbst auf. Migrantische Zuhälter verkaufen ihre migrantischen Prostituierten an wohlhabende griechische Männer. Griechische Heroin-Dealer verkaufen ihren Stoff an griechische Drogensüchtige. Die Polizei von Athen wendet sich gegen sich selbst. Die Bürger greifen Politiker an. AnarchistInnen bekämpfen sich gegenseitig, Faschisten greifen die AnarchistInnen an. Der Krieg aller gegen alle. Chaos. Das ist das berühmte Bild von Athen, das durch Athena, seiner Stadtgöttin zerstört wird.
Die Medien und die Regierung haben eine sehr verständliches Interesse darin, diese Idee von sozialer Zersetzung hochzuhalten. Weil am Ende, wenn die Dinge schlimm genug geworden sind, der Staat zur Stelle ist und die Ordnung wieder herstellt. Zumindest ist dieses das Standart-Drehbuch. Aber etwas anderes ereignet sich in Griechenland. Die Gesellschaft fällt schneller auseinander, als es in allen wichtigsten Metropolen stattfindet. Niemand hat Geld, die Regierung ist bereit einen weiteren Kredit von der Troika zu nehmen und jeder kennt ein Problem. Die Form, die dieses Problem annimmt, hängt davon ab, mit wem du sprichst. FaschistInnen sagen das Problem seien die Migranten und linke PolitikerInnen. PolitikerInnen sagen das Problem wäre die Verantwortungslosigkeit der BürgerInnen, die ihre Steuern nicht zahlen, die Autogebühr verweigern und Müllhalden in ihrem Städten ablehnen. Die AnarchistInnen sagen, das Problem sei der Kapitalismus und der Staat. Diese unterschiedlichen Kräfte finden in verschiedenen Stadtteilen unterschiedliche Resonanz für ihre Ideen.
Zum Beispiel gibt es im Zentrum Athens viel unsoziales Verbrechen, einiges kommt von MigrantInnen, einiges von armen Griechen. Als der Mord an dem griechischen Mann geschah und schnell genutzt wurde, erfuhren die Faschisten, dass viele aus der Nachbarschaft ihre Behauptung unterstützen, dass das Problem wirklich die MigrantInnen wären. Im gleichen Viertel gibt es auch AnarchistInnen, zumeist zentriert um die besetzte Villa Amalias. Als der Pogrom begann wurden die AnarchistInnen zu einem natürlichen Verbündeten und viele Migranten hielten sich in der Nähe des Squats auf, nicht nur zum Schutz, sondern auch um Freunde in einer feindlichen Umgebung zu finden. Diese MigrantInnen, die ein prekäres Leben im Kapitalismus führen, waren immer die Opfer des sozialen Kannibalismus. Zum Überleben flüchten sie in klein-kapitalistische Unternehmen, lediglich zum Überleben. Jetzt, wo sie dämonisiert und gejagt werden, wurde ihre Hoffnung an eine Einbeziehung in den griechischen Kapitalismus zerschmettert.
Diese Kräfte treiben die zwei Gruppen, nicht griechische MigrantInnen und AnarchistInnen näher zusammen. Am vierten Tag, hatten die AnarchistInnen und MigrantInnen das Gebiet um die Villa Amalia zurück genommen. Die Straße wurde über Lautsprecher mit Musik und Bekanntmachungen beschallt. Die wöchentliche Versammlung der Villa Amalias wurde im Viertel beworben und brachte Dutzende NichtanarchistInnen zum Diskutieren, was in der Phase der Spannung zu tun ist. Kinder spielten Fußball, Familien spazierten hin und her und die Angst die über dem Viertel lag war verschwunden. Dennoch ging das Pogrom mehre Blöcke vom Squat entfernt weiter.
Es gibt bestimmte Gegensätze, die unversöhnlich sind. FaschistInnen und die Polizei werden sich niemals mit AnarchistInnen und den MigrantInnen versöhnen,. Es gab zahlreiche Beispiele (außer den bereits beschriebenen), wo AnarchistInnen und MigrantInnen in Athen ihre Ablehnung überwunden und grundsätzliche Gemeinsamkeit gefunden haben. Bis vor kurzem gab es kaum Überschneidungen zwischen den Gruppen. Jetzt, wo es sie gibt, rückte ein weiterer Antagonismus in den Vordergrund, aber dieser existiert zwischen den AnarchistInnen selbst.
Die Verneinung von dem, was existiert zu Gunsten der Zukunft, die nicht existiert.
—Charles Darwin
Am 18. Mai 2011 stoppte die Polizei im Norden von Athen zwei Menschen, die neben einem Motorrad standen. Einer der Männer zog eine Pistole und begann auf die zwei verfolgenden Polizeibeamte zu schießen, beide wurden getroffen. Die Beamten waren in der Lage das Feuer zu erwidern und verletzten den Schützen. Sein Partner konnte im Einsatzfahrzeug der Polizei entkommen. Das Auto wurde später verlassen gefunden. Der verwundete Schütze wurde ins Krankenhaus gebracht, wo er einen falschen Namen angab. Am 20. Mai wurde bekannt, dass der Mann ein 21-jähriger Student mit dem Namen Theophilus Mavropoulos ist. Von ihm wird behauptet er wäre Mitglied der „Verschwörung der Feuerzellen“. Im Dezember 2008 war er 18.
Die Verschwörung der Feuerzellen beansprucht für sich aus anarcho-nihilistischen Individualisten zu bestehen. Sie kritisieren konsequent die Bevölkerung Griechenlands als zu feige, passiv und blind. Sie beschuldigen die Bevölkerung für ihre eigene Not verantwortlich zu sein, hauptsächlich weil die Bevölkerung zu dumm ist ihre Situation zu verändern. Die Verschwörung ist auch kritisch mit der traditionellen anarchistischen Szene und die Beschränkungen, die sie sich auferlegt, weil sie fixiert auf die selben ineffektiven Formen bleibt. Sie befürwortet die Schaffung kleiner bewaffneter Zellen, die informell über ganz Griechenland und der Welt zusammengeschlossen sind. Zellen, die die Symbole und Mechanismen der autoritären Macht direkt bekämpfen. Generell gesagt, sprechen sie nicht dezidiert oder mit der Überzeugung von der Schaffung von Etwas. Anderseits kritisieren sie alles Andere.
Der Nihilismus der Verschwörung ist Spiegelbild vom Nihilismus, der innerhalb der Jugend von 2008 um sich griff. Diese Jugendlichen sind nicht nur Zeuge des Scheiterns des kapitalistischen Systems und leben in dieser Phase, sie waren auch Teil des gescheiterten Widerstands gegen das Weltsystem. Es gibt viele Menschen aus den Siebzigern, die der Jugend den richtigen Weg zu kämpfen erzählen können, aber für die Jugend, haben diese alten Männer genau so versagt, wie alle Anderen auch. Wenn diese Jugendlichen versuchten, ihre Verzweiflung und ihren Eifer zu handeln auszudrücken, wurden sie gewöhnlich zum Schweigen gebracht, niedergebrüllt, oder verspottet – von AnarchistInnen, die eine nähere Verbindung zu alten Traditionen des Kampfes haben. Das Ergebnis ist, dass die Jugendlichen sich vom Zentrum der Bewegung entfernen und es stattdessen vorziehen am Rand zu bleiben, wo sie frei sind, dass zu tun, nach was ihnen beliebt. Einige sagen sich vollkommen los, wie es die Verschwörung belegt.
Es gibt einige Guerillas und Militante, die allgemeine Akzeptanz und Bewunderung in der anarchistischen Szene gefunden haben. Die „Räuber in Schwarz“, „Revolutionärer Kampf“ und Vassilis Palaeokostas z.B., um ein paar zu benennen. Palaeokostas ist weltweit bekannt als der Mann, der mit einem Hubschrauber dem Gefängnis entkam. Diese Leute haben immer ihre theoretische Verbindung zur traditionellen anarchistischen oder autonomen Szene erhalten, als sie ihre Taten wagten. Sie glauben an soziale Revolution und das unbegrenzte Potential der Bevölkerung zur Rebellion. Obwohl sie die gleichen Ziele mit den Nihilisten teilen dürften (die Zerstörung der globalen Ordnung und seine Vertreter) haben sie sich selbst mehrfach öffentlich von ihnen distanziert. Die anderen Guerillas und Militanten setzen Hoffnung und Vertrauen in die Bevölkerung, was die Nihilisten nicht teilen. Die Nihilisten sind die wenigen, die, um sich auf Euripides zu berufen, Athena aufgefordert haben, die Stadt komplett zu zerstören. Aber sie sind allein und wurden von den meisten anderen AnarchistInnen heraus gedrängt und ignoriert. In ihrer Isolation haben die Entschlossensten von ihnen sich vollständig getrennt von wo sie herkamen und werden langsam abgegriffen, einer nach dem anderen. Während sie im Gefängnis sitzen, bleibt die Stadt bestehen.
Nichts ist wahr, alles ist erlaubt.
—Hillary Clinton
Der aktuelle Nihilismus der Jugendlichen erwächst nicht aus dem Nichts. Er ist eine Reflektion des totalen Versagens von Widerstand und Kapitalismus gleichermaßen. Viele sehen keine Alternative und wollen nichts anderes als die komplette Zerstörung der Bestie, die sie ernährt: die Stadt. Diese Ansichten zu unterstützen, ist sehr schwer. Für Menschen, die einen sozialen Wandel, eine radikale Umgestaltung oder einen drastischen Wechsel wollen, hört sich die Idee der totalen Zerstörung verrückt an. Dezember 2008 wurde wohl von bewussten Akteuren, die sich sorgfältig Ziele auswählten, unterstützt, aber der destruktive Antrieb von allen, die an den Aktionen teilnahmen, bestimmte die Aktionsform. Dieser Antrieb mag durch verschiedene Ideologien geformt oder kanalisiert worden sein als der Aufstand vorbei war, aber ihr Kern war unkontrollierbar.
2008, die erste Explosion des gleichen Feuers, das sich über Nordafrika ausbreitete, war die Entstehung von etwas Neuem. Nicht Anarchismus, nicht Kommunismus, nicht Demokratie. Das war das Verlangen, alles loszuwerden. In Ägypten wurde dieses Anliegen durch die demokratischen Parteien, die der Revolte die Energie nahmen und ihr Land in einer Militärdiktatur hinterließen, ausgehöhlt. In Griechenland wurde dieses Verlangen von den Gewerkschaften, Parteien und Ideologien vereinnahmt. Was allen Aufständen standhielt, was sie an dem Siedepunkt hielt, war das Ausbleiben jeglicher leitenden Hand. Sobald jemand die Kontrolle übernahm, sobald jemand eine bessere Zukunft versprach, wurde bald klar, dass das Morgen identisch mit dem Gestern werden würde.
Es besteht eine Angst unter AnarchistInnen in Griechenland und darüber hinaus, sich an die Ziele zu binden, die sie propagieren. Der Abgrund von Freiheit ist furchterregend. Ohne Polizei wird es Bürgerkrieg zwischen verschiedenen Gruppen geben und es wird schlimmer aussehen als der Kampf zwischen Anarchisten, Faschisten und Migranten, den wir heute sehen. Ohne die Stadt, das Stromnetz und die Infrastruktur wird es Hungersnöte und Gewalt geben. Es ist utopisch sich vorzustellen, dass ArbeiterInnen die elektronischen Fabriken und Wassersysteme übernehmen werden, dass sich die Bevölkerung die Ressourcen der Stadt wieder aneignet und sie zu einem besseren Gebrauch verwendet. Aber wie die Bastille, wird die Stadt Athen immer den Zweck, warum sie gebaut wurde, beibehalten. Die Bastille wurde gebaut, um ein Gefängnis zu sein, nichts anderes. Athen wurde gebaut, um die Arbeiter und ihre Lehnsherren zu beherbergen. Es hat diesen Charakter über tausenden von Jahren bewahrt. Wenn der Kapitalismus verschwindet, wird diese Absicht mit ihm untergehen.
Es ist beängstigend, diesem Fakt gegenüberzustehen und unter Angst weichen die meisten in vergangene Formen des Kampfes zurück, die schließlich zu wenig mehr beitragen als resignierende Akzeptanz und permanente Niederlage. Die gleichen Formen können wiederholt werden, dieselben Szenen und Rituale können vervielfältigt werden, aber sie werden nicht plötzlich funktionieren, wenn sie es bisher für so lange Zeit nicht taten. Es ist die Angst, die Menschen von der Schlussfolgerung abbringt, dass es der wichtigste Punkt in unserem Leben ist, das zu zerstören, was den Kapitalismus erschaffen hat. Wer will den Ort zerstören, wo sie leben? Wer will sehen, dass er ins Chaos gleitet, ohne in der Lage zu sein, ihnen und ihren Freunden zu versprechen, dass etwas Besseres kommen wird? Es wird keine Versprechen für die Zukunft geben. Alle Versprechen verwandeln sich in Lügen, die Betrogenen werden Betrüger und die gegenwärtige Misere setzt sich fort.
Die NihilistInnen und die Jugend um uns herum muss weder von der Verzweiflung weggezogen noch in sie herein getrieben werden. Sie sind Teil unserer anarchistischen Welten und reflektieren etwas, das zur selben Zeit neu, aber auch schrecklich alt ist. Wenn wir ihnen nicht zuhören, werden sie unabhängig von unserer Zustimmung oder Ablehnung handeln. Wenn wir versuchen, sie zu kontrollieren, werden wir ihnen als nichts anderes als die Erweiterung des Systems sein, das sie zerstören wollen. Vielleicht liegt darin mehr Wahrheit als sich irgendjemand von uns vorstellen kann. Vielleicht sind wir einfach Feiglinge, darauf wartend bis die Zeit gekommen ist, dass der perfekte Held, uns retten wird. Der Held, der uns eine bessere Zukunft verspricht und beginnt zu handeln, damit wir ihm folgen können. Als AnarchistInnen wissen wir, dass die Zerstörung des Kapitalismus notwendig ist, aber jetzt, da der Kapitalismus sich so tief in unser Leben integriert hat, ist dieses Wissen sogar noch erschreckender. Wir ziehen uns in die 80er, 90er und 2000er zurück, immer auf das bisschen Geschichte weisend, das uns zusteht, und finden uns gefangen im Anbetracht der Ideen, die sich nicht verändert haben.
Ich will mich nicht vom Anarchismus entfernen. Ich will eigentlich nur die Idee so weit wie möglich verbreiten. Ich will, dass sich die Menschen an die Methoden und Taktiken von jenen, die vor uns am Zug waren, erinnern; aber ich will auch, dass die Menschen jene Methoden nicht nur gegen unsere Feinde benutzen, sondern auch, dass sie wissen, dass wir weder eine bessere Welt bauen noch eine solche versprechen. Dem Anarchismus geht es nicht darum, eine perfekte Gesellschaft einer derzeitig versklavten Bevölkerung zu überlassen; es geht um die Erschaffung einer Welt, die wir jetzt wollen, für uns. Wir müssen zerstören, was zu zerstören ist und sollten keine Angst davor haben, was passieren wird.
Um die Zerstörung des Kapitalismus im Jahr 2011 zu erreichen, ist der Nihilismus zu erschaffen. Den Kapitalismus zu zerstören, bedeutet, alles zu zerstören, was ihn erschaffen hat; und ein Nihilist in den Augen derer zu sein, die noch immer mit dieser Welt verbunden sind. Und daher verteidige ich einen bewussten Nihilismus, einen Nihilismus, der nicht eine Reaktion auf die anarchistischen Vorfahren der Plena, auf die Dämonisierung der Massenmedien oder der Gleichgültigkeit der Bevölkerung ist. Der Nihilismus, den ich vertrete, würde sich gegen all jene erheben, die sich wünschen, das Potential der Gegenwart zu dirigieren, nicht gegen die Menschen, die dirigiert werden. Unser Feind ist nicht die Gesellschaft, unser Feind sind die Menschen, die sie (die Gesellschaft) produzieren und aufrecht halten.
Dieser bewusste Nihilismus beginnt mit der einfachen Idee, gegen die Welt zu sein. Was als nächstes kommt, ist die Verpflichtung, gegen diese Welt zu sein, eine Verpflichtung, die sich in Aktionen und nicht in Worten verwirklicht – das ist der schwierigste Teil. Bewusst die Zerstörung des Ganzen zu organisieren, statt wahllos über jeden herzufallen, das ist die Aufgabe des bewussten Nihilismus. Wir müssen uns selbst fragen, ob wir in dieser Welt, die wir verachten bleiben, leben und altern wollen oder uns selbst in den Abgrund werfen. Andere sprangen in den Abgrund und fallen jetzt. Es ist an der Zeit, dass wir mit unseren jungen Freunden gleichziehen, um sich ihrem Sprung anzuschließen und um uns selbst, nicht sie, daran zu erinnern, dass wir nicht alleine über unsere verrückten, nihilistischen Gedanken sinnieren.
Athene wird die Stadt zerstören, wenn wir sie fragen. In der Mythologie unterstützte sie immer jene, die eine Aufgabe zu erfüllen hatten. Wie Vassilis Palaeokostas aus dem Untergrund 2010 geschrieben hat: „Das Glück ist weiblich und steht den Wagemutigen bei.“