Solidarität mit Tobias, inhaftiert in Berlin
Das Klicken der Handschellen der Zivi-Bullen, die endlosen Stunden in der Gefangenensammelstelle, der Haftrichter und schlussendlich der Transport in die JVA Moabit in Berlin. Ein mieses Déjà-vu, Szenen die Tobi schon einmal durchlebte. Der Vorwurf: Brandstiftung an mehreren PKWs in Berlin-Mitte. Wieder Untersuchungshaft, wieder das Warten auf eine ungewisse Zukunft, völliges Ausgeliefertsein. Hinter hohen Mauern, 23 Stunden am Tag hinter verschlossener Tür.
Wir erinnern uns: 2009 saß Tobi schon einmal 43 Tage hinter Gittern, nachdem er in Friedrichshain in der Nähe einiger brennender Luxuskarossen von einer Brandstreife festgenommen wurde. Der Tatvorwurf jene Autos angesteckt zu haben konnte nie bewiesen werden, so dass er letztendlich dafür nicht verurteilt wurde. 2009 erhellten so einige in Flammen stehende Fahrzeuge die Berliner Nächte. Brandstreifen, meist in zivil, wurden eingerichtet um ihre Runden in den relevanten Kiezen zu drehen. Neben Tobi wurden damals weitere Personen in U-Haft gesteckt. Auch bei ihnen fing sich die Staatsanwaltschaft eher nur Schlappen ein.
Dieses Jahr scheint die Situation zu eskalieren. Über 500 Autos wurden bis jetzt flambiert und der Staat samt seiner Büttel reagiert mit Repression. Um die 650 Bullen patrouillieren Nacht für Nacht durch das ganze Stadtgebiet. Helikopter mit Wärmebildkamera sind im Einsatz. Ein absurder Aufwand, der den ermittelnden Behörden in diesem Jahr lächerliche sieben Festnahmen, inklusive der von Tobi, einbrachte. Nicht das wir uns beschweren wollen, dass hier die Steuergelder für übertriebene Einsätze flöten gehen, denn erstens vermeiden wir es, wenn möglich, Steuern zu bezahlen und zweitens freuen wir uns ein wenig, wenn es die Angst vor brennenden Autos ist, die dem Staat die Gelder entzieht.
Es scheinen immer die simpelsten Maßnahmen zu sein, die dem Bürger ein Gefühl von Sicherheit und Ordnung verschaffen sollen. Staatliche Programme, die soziale Konflikte verwischen, ablenken oder wegsperren. Die Presse rundet diesen Prozess ab und setzt der Leserschaft ach so „geheime“ Details der Festgenommenen vor die Nase. Tobi, der „Möchtegern-Journalist“ oder Det, der „Sozialmanager und Hassbrenner“. Die Medien lenken von der eigentlichen Problematik ab. Die genannten zwei passen ins Raster der grauen Damen und Herren des Staatsschutzes. Sie wohnen oder wohnten in linken Hausprojekten, sind politisch aktiv und wurden obendrein noch in der Nähe von brennenden Karren aufgegriffen. Die wohl beste Legitimation solche, die durch die Gesellschaft als Straftäter gebrandmarkt sind, einzusperren. An Orten der Isolation, der Monotonie und totalen Kontrolle.
In der JVA Moabit sitzen zurzeit ungefähr 1.500 dieser sogenannten Straftäter, größtenteils wegen Diebstahls und anderen Eigentumsdelikten, aber auch wegen Körperverletzung, Drogenbesitz oder Drogenhandel. In der JVA Plötzensee viele weitere wegen Schwarzfahrens. Resultate dessen, was uns dieses Leben in dieser Stadt Tag für Tag präsentiert: Armut, Arbeitslosigkeit oder prekäre Jobs. Perspektiven verschwinden hinter Bergen von Schulden, hinter Auswegslosigkeit, die zum Kurzschluss führt. Mobilitätsfreiheit sollte nicht anhand vom Geld, dass wir alle mehr oder weniger besitzen, bemessen werden. Lebensvorstellungen sollten sich nicht durch Eigentum verwirklichen lassen. Brennende Autos sind unter anderem Produkte einer Stadt, die sich zum Schlechten hin verändert, die ihre Mieten in die Höhe schießen lässt und hier und da Loftgebäude und Townhäuser hinsetzt.
Menschen, die ihrer Wut über die bestehenden Verhältnisse freien Lauf lassen, der Realität eine andere entgegensetzen, und sei es durch brennende Autos, Eigentumsdelikte usw. sind nicht kriminell, wie es der Staat beschreibt, sondern sie sind direkt und militant. Sie folgen ihren Intuitionen und Schlussfolgerungen um der Misere zu entfliehen. Die Knäste, in denen die Probleme der Ungerechtigkeit der unsrigen Gesellschaft verbannt werden, führen in den wenigsten Fällen zu Resozialisierung, noch zu Läuterung, noch zur Lösung der Konflikte. Eine Gesellschaft ist solange nicht befreit, solange sie sich nicht dessen stellt, das sie sich selbst zu verschulden hat.
Uns kotzt es an, dass wieder einer unserer Gefährten im Knast sitzt, dass es ausreicht politisch aktiv zu sein, um ins Fahndungsbild der Bullen zu passen, wenn du Freitagnacht in der Nähe brennender Autos festgesetzt wirst. Wir solidarisieren uns mit Tobi und schicken Grüße der Freiheit an alle Gefangenen, die ihre Zeit hinter vergitterten Fenstern verleben müssen.
Schreibt Tobi:
Tobias Poge
JVA Moabit
Buchnummer: 2540/11/1
Alt-Moabit 12a
10559 Berlin