Redebeitrag auf der Kundgebung vor dem Knast in Berlin-Moabit am 5. Juni
Wir sind heute hier vor dem Knast in Moabit versammelt, um unsere Solidarität mit den Menschen zu zeigen, die am 1. Mai verhaftet worden sind und seitdem hinter diesen grauen Mauern auf der anderen Straßenseite festgehalten werden.
Sie wurden im Laufe des gesamten Tages und während der Auseinandersetzung mit der Polizei eingesackt, aufgrund der Anschuldigung sich daran beteiligt zu haben. Dieses Jahr gab es die heftigsten Konfrontationen wie schon seit vielen Jahren nicht mehr und die Polizei wurde von Anfang an offensiv von der Demo verwiesen.
Nach dem 1. Mai wurden auf Seiten der Polizei, der Politik und der Medien massiv rumgeheult und harte Strafen für die Verhafteten gefordert, sowie generelle Gesetzesverschärfungen eingefordert, vor allem bei Körperverletzung an PolizistInnen.
Würden wir jedes Mal wenn wir ihre Prügel und Repression zu spüren bekommen genauso rumheulen wie sie es tun wäre Berlin schon überflutet.
Dass dieses Mal zur Abwechslung – wenn auch nur kurz und mit vielen Ritualen behaftet – eine offensive Demonstration die Karten neu mischt, können wir nur begrüßen.
Gerade weil wir uns alle nach den Ereignissen so gefreut haben, dürfen wir die Leute, die im Moment aufgrund dieser kollektiven Offensive im Bau sitzen, nicht vergessen. Unter anderem sitzen auch vier Menschen unter dem Vorwurf des “versuchten Mordes”, aufgrund einiger Molliwürfe, die am Abend stattfanden.
Das erinnert uns an den Fall der drei HausbesetzerInnen aus München, die vor einiger Zeit unter dem gleichen Vorwurf angeklagt und zu fünf Jahren Haft verurteilt wurden, bloß weil sie ihr besetztes Haus mit Steinwürfen auf gepanzerte PolizistInnen verteidigt haben.
Die Gefangenen sind mit einer harten Situation konfrontiert und müssen unsere Solidarität spüren. Uns ist es egal ob sie und alle anderen zufällig in Kreuzberg beim Eis essen waren und willkürlich verhaftet wurden oder sich aktiv beteiligt haben: wir kennen keine Trennung zwischen “Schuldigen” und “Unschuldigen”, unsere Solidarität lässt sich nicht davon diktieren und sollte offensiv bekundet werden.
Wenn wir soziale Unruhen mit verursachen wollen und an ihrer Verbreitung Interesse haben, müssen wir den Menschen auch unsere Ernsthaftigkeit zeigen: dass heißt unter anderem, die offensiven Angriffe auf die Polizei als Bewegung zu verteidigen und die Betreuung und die Solidarität mit denjenigen, die mit diesen Vorwürfen einsitzen, zu organisieren. Ansonsten ist es auch zu verstehen, wenn viele denken, unsere Parolen wären bloß leer und würden nicht eingelöst.
Wenn wir nicht fähig sind, nach Ereignissen wie diesen, die keine sozialen Unruhen waren, sondern ganz normale militante Angriffe auf die Polizei, wie sie jeden Tag überall auf der Welt stattfinden, uns dazu zu verhalten, werden wir von hoffentlich anstehenden zukünftigen Situationen ganz schön überfordert sein.
Deshalb bleibt es auch eine minimale Antwort, sich auf unterschiedliche Art und Weise solidarisch mit den Eingefahrenen zu zeigen und zum Beispiel heute ihre Isolation zum Teil zu durchbrechen, indem wir hier vor dem Knast mit Musik und Parolen präsent sind.
Aber wir sind hier nicht nur wegen ihnen. Wir sind hier auch um unseren Hass gegenüber dem Knast und jeglichen Formen von Zwangsanstalten zu zeigen. Knast stellt für uns keine Lösung für Konflikte dar, die aufgrund der gegenwärtigen Organisierung dieser kapitalistischen Gesellschaft verursacht werden.
Konflikte lassen sich nicht wegsperren und wir kämpfen auch für die Abschaffung aller Knäste entlang eines Hürdenlaufs, welcher das Umkippen der bestehenden Verhältnisse anstrebt. Wir möchten Knäste zu Baulücken umgewandelt sehen und gemeinsame Antworten für die Konflikte, die dort eingesperrt sind, finden.
Am 31. Mai fand in Rom eine solidarische Initiative statt. Menschen, die sich solidarisch mit den Berliner 1. Mai-Gefangenen zeigen wollten, organisierten eine Kundgebung vor dem Knast Regina Coeli. In ihrer Erklärung betonten sie auch, dass sie sich auch dort versammelt hätten, weil sie für die Freiheit von alle anderen und die Zerstörung aller Knäste kämpfen. Außerdem finden gerade verschiedene Soliveranstaltungen statt, um Geld zu sammeln und Informationen zu verbreiten.
Schließlich möchten wir wieder unsere Solidarität mit Alex und Christian betonen: Alex sitzt seit noch nicht allzu langer Zeit wegen versuchter Brandstiftung an einer Luxuskarre in Untersuchungshaft. Mal wieder Dank einer guten Zusammenarbeit der Politik, Polizei und Medien. Christian kämpft immer noch für seine endgültige Entlassung nach einem mehrjährigen Urteil, aufgrund seines aktiven antifaschistischen Engagements. Aktive und vielfältige Solidarität für die Beiden ist nach wie vor notwendig.
In diesem Sinne,
Freiheit für die Gefangenen der 1. Mai!
Freiheit für Alex und Christian!
Freiheit für alle!