Thomas Meyer-Falk: Knastarbeit in den Medien
In deutschen Gefängnissen herrscht Arbeitszwang, sprich die Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten sind verpflichtet eine ihnen zugewiesene Arbeit auszuüben, sofern sie „zu deren Verrichtung (… auf Grund ihres…) körperlichen Zustandes in der Lage“ sind (§ 41 Strafvollzugsgesetz).
Mediale Rezeption
Immer mal wieder finden sich in Zeitungen und Zeitschriften Berichte über Gefängnisarbeit; exemplarisch soll im Folgenden über je einen Artikel im „Staatsanzeiger“, sowie im sehr wirtschaftsnahen Monatsmagazin „impulse“ berichtet werden.
Staatsanzeiger
Diese Wochenzeitung berichtet überwiegend über die politischen Entwicklungen in Baden-Württemberg, insbesondere die Tätigkeit der Landesregierung und des Landesparlaments in Stuttgart, ist zugleich amtliches Veröffentlichungsorgan für Bekanntmachungen.
Am 30.03.2012 wurde in der Rubrik „Service für den Mittelstand“ über die „Produktion in Gefängnissen“ informiert. Die Schlagzeile deutet schon die Richtung an: „Mittelständler profitieren von guter Arbeit der Häftlinge“. Dargestellt wird, wie sich Haftanstalten im Land „als Alternative zu Osteuropa und Asien“ positionieren würden. Informiert wird über die äußerst günstigen Arbeitskosten, weshalb Gefängnisse auch als „China in Deutschland“ gelten würden.
Bei Gefangenenlöhnen zwischen 8,51 Euro und 14,13 Euro (pro Tag!) würden sich nicht nur „Produktionsspitzen ausgesprochen günstig abfedern“ lassen, sondern laut des Unternehmensberaters Roland Kölsch (MSO Consulting) seien die Produkte „oft besser als im Billigausland“. Und der Werksleiter der Firma MTU (diese stellt u.a. für den Eurofighter in der JVA Straubing Triebwerksteile her) darf sich in dem Artikel davon beeindruckt zeigen, „mit welcher Begeisterung hier (im Gefängnis) für 1,80 Euro die Stunde gearbeitet“ werde.
impulse
Nach eigenen Worten ist die Monatszeitschrift ein Blatt, das sich insbesondere an den Mittelstand und Unternehmenslenker wendet.
In der März-Ausgabe (03/2012) wird auf acht Seiten und unter der Überschrift „Recht und billig“ über Gefangenenarbeit berichtet. Sinnigerweise vom selben Autor des schon oben erwähnten Artikels, Felix Wadewitz. Erneut wird die Firma MTU in den Mittelpunkt gerückt; so sei der Standort in der JVA Straubing sogar als „Luftfahrtbetrieb für Luftfahrtgeräte der Bundeswehr“ zugelassen und „an der Eurofighter-Produktion beteiligt“.
Amtsrat Zettl (JVA Straubing) darf verkünden, dass man sich nicht mehr „hinter unseren hohen Mauern verstecke“, sondern in die Offensive gehe, um die JVA zur „Topadresse für die Wirtschaft“ zu machen.
Alleine in dessen Anstalt werden, laut dem impulse-Beitrag, 7 Millionen Euro Umsatz im Jahr geschafft, in ganz Bayern waren es 45 Millionen Euro.
Berichtet wird auch aus anderen Gefängnissen, so von einer Stieber GmbH, die in der JVA Schwalmstadt Pokale (Wochenproduktion 10 000 Stück) zusammenschrauben lasse. Der Geschäftsführer Axel Stieber zeigt sich enthusiastisch.
Oder in der JVA Freiburg: die Firma Faller, die Modellmotoren zuvor im Ausland hatte bauen lassen, holte die Produktion zurück nach Deutschland und vergibt Aufträge nun in die JVA. Firmengesellschafter Horst Neidhard äußert sich sehr zufrieden über die Zusammenarbeit mit dem Gefängnis.
Aber auch BMW findet sich hinter Gefängnismauern, oder die Firma Foeldeak, ein Hersteller von Sportmatten.
Bewertung der Berichterstattung
Die beiden Artikel von Wadewitz im Staatsanzeiger und in impulse sind insofern exemplarisch oder auch symptomatisch für die überwiegende Mehrzahl der Berichte, weil sie vollkommen unreflektiert das Loblied auf die Zwangsarbeit singen. Ich verwende hier diesen Begriff der Zwangsarbeit ganz bewusst, da er sich so auch in Artikel 12 Grundgesetz findet. Nicht einmal ansatzweise wird thematisiert, was es heißt, wenn die Arbeitskraft der Inhaftierten ebenso scham- wie bedenkenlos selbst von Firmen in Anspruch genommen wird, die eine bedenkliche Geschichte in Bezug auf Zwangsarbeit aufzuweisen haben (wie BMW).
Die Niedriglöhne werden in den Mittelpunkt gerückt, ohne kritisch zu hinterfragen, wie es sein kann, dass hier der Staat sich faktisch als Sklavenhalter betätigt, auch für die Rüstungsindustrie!
Anekdotisch und wohl auch zur Belustigung der LeserInnenschaft wird jedesmal auch auf Projekte wie aus der JVA Hamburg (Santa Fu) hingewiesen, die mit eigenen Marken aufwarten, z.B. Kochbüchern („Huhn in Handschellen“) und Spielen („Memory Santa Fu“), oder Berlin (eingetragene Marke: „Haeftling“, Produkte u.a. Knasthemden und –hosen, die dann in Geschäften in Berlin gekauft werden kann), und auch Sachsen, welches sich mit schwarz-weiß gestreiften „Räuchermännchen; Modell „Gefangener“, in den Wettbewerb stürzt.
Was es jedoch heißt, wenn Menschen mitunter viele Jahre zu Niedriglöhnen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, und dann nicht einmal ein Cent in die Rentenkasse geflossen ist, denn in die Rentenversicherung wird nichts eingezahlt, mit ein Grund, weshalb die Arbeitskraft so billig vermarktet werden kann, wird nicht beleuchtet.
Auch was es bedeutet, wenn Gefangene Jahr um Jahr erleben müssen, wie man ihnen verdeutlicht: „Deine Arbeitskraft ist nichts wert“ kommt nicht vor.
Ausblick
Die Ausbeutung der Ressource „Gefangene“ dürfte in Zukunft weiter zunehmen, zumal auch die Haftanstalten mit immer mehr Selbstbewusstsein auftreten und „ihre“ Inhaftierten auf dem Markt präsentieren (so betreibt Bayern mit www.jva.de laut Berichten eine der professionellsten Plattformen zur Präsentation der Knastbetriebe).
Da die Inhaftierten formaljuristisch keine ArbeiterInnen oder „ArbeitnehmerInnen“ sind, dürfen sie auch nicht streiken (ein „wilder Streik“ könnte sogar als Gefangenenmeuterei strafbar sein), die Möglichkeit der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ist fraglich. Und wenn sich Einzelne weigern dem Arbeitszwang nachzukommen, können die Haftanstalten sie mit Repressalien konfrontieren: Disziplinarmaßnahmen und Auferlegung der Haftkosten.
Thomas Meyer-Falk
c/o JVA – Z. 3113
Schönbornstr. 32
D-76646 Bruchsal
www.freedom-for-thomas.de
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