Auf dass der Schrei nach Freiheit…

Auf dass der Schrei der Freiheit - Poster von der Strasse - gesehen in Berlin-Kreuzberg vor dem diesjährigen 1. Mai…in verschiedenster Sprache und auf unberechenbarer Weise erklingt!

Läuft man an Tagen wie diesen, durch die Straßen und Parkanlagen Kreuzbergs und Neuköllns, findet man nicht nur viele Menschen, die den Sonnenschein und vielleicht ihr „verlängertes Wochenende“ genießen, sondern auch Plakate und Banner, die sich thematisch mit den Revolten und Erhebungen der letzten Zeit beschäftigen. In einem dazugehörenden Flyer sind die Zustände, wie wir sie hier und überall anders wahrnehmen können, dargelegt.

Wir wollen nur gemeinsam, selbstorganisiert und solidarisch, unsere Freiheit zurück gewinnen. Ohne VertreterInnen, seien es Parteien, die großen Gewerkschaften oder PolitikerInnen. Denn, unser Leben ist nicht verhandelbar.

Das Bestehende ist nicht reformierbar, noch wollen wir es durch „echte Demokratie“, von der man vielerorts hört, ersetzen. Die Verhältnisse gehören zerstört, um den Nährboden für Selbstbestimmung und eine Gesellschaft gegenseitigen Hilfe zu schaffen. Der 1. Mai und all seine Facetten soll nicht unsere einzige Möglichkeit bleiben, diesem Verlangen nach zugehen. Wir wollen zusammen jeden Tag die Konfrontation mit unserem Alltag, mit der Monotonie und der Herrschaft wagen.

Für die Freiheit! Für die Revolte!

– den Text des Flyer gibt es mittlerweile auch in gesprochener Form: aimkreis.blogsport.de

Text des Flyers

Rebellen versammeln sich

Es ist 2012 und die Stadt, in der wir leben, verkommt. Wir müssten eigentlich die Notbremse ziehen, doch scheinbar ist uns ein halb volles Glas lieber als Scherben. Dem Pulverfass, von dem jüngst alle Welt redet, scheint es an Zündstoff zu fehlen.

Dabei unterwandert die Normalität der Unterdrückung unsere Leben jeden Tag von Neuem.
Bei der Lohnarbeit, sei es im Betrieb oder in der Selbständigkeit, als Aushilfskraft oder Festangestelle/er folgen wir Anweisungen und Befehlen, deren einziger Sinn es ist, unsere Arbeitskraft,unsere Kreativität, unsere Fähigkeiten, bis zum Maximum auszubeuten. Im Jargon „ehrlicher“ ArbeiterInnen ist oft von der Arbeitsmoral die Rede. Nun, lassen wir uns also einmal auf die Auseinandersetzung mit bürgerlichen Moralvorstellungen ein, möchte man meinen, dass die Realität der Arbeitswelt durch so einige Perversionen bestückt ist. Minijobs auf 400 Euro Basis, Leiharbeitfirmen, Ausbeutung ungelernter Arbeitskräfte und all die anderen miesen Tätigkeiten im Billiglohnsektor. Eine Erfindung des sogenannten Sozial-Staats, um die roten Zahlen im Bereich der Erwerbslosigkeit senken zu können. Abgenickt durch die ArbeitgeberInnen und die Mainstream-Gewerkschaften. So viel zur Arbeitsmoral. Nein danke….
Wir sind verwertbar. Ein Rädchen im Kreislauf der kapitalistischen Maschinerie. Wir sind austauschbar.

Sollten wir einmal zu alt, zu unflexibel oder zu ausgepowert, von Kürzungen und dementsprechenden Entlassungen betroffen sein, oder falls wir einfach keine Lust haben, unseren Körper für den Profit anderer tagtäglich herzugeben, wird der Weg zum gewohnten Arbeitsplatz, von einem Tag zum anderen, durch den Weg zum Jobcenter oder zur Agentur für Arbeit ersetzt. Auch da wirst du nur eine Nummer unter Vielen sein, die Stundenlang um die Audienz bei Vater Staat warten wird. Wieder wird dir befohlen und stupide Maßnahmen werden dir auferlegt. Eine Bestrafung dafür, dass du auf dem normalen Arbeitsmarkt nicht ausgehalten hast, oder die Quittung dafür, dass du der Arbeitswelt entflohen bis. Wenn du Pech hast oder weil du auch dort nicht so funktioniert, wie es von dir erwartet wird, erhältst du auch von deinem „neuen Arbeitgeber“, dem Staat, schnell eine Abmahnung, die dir die „Leistungen“ kürzt oder einen Kündigungsbescheid, der dir alle Vergütungen streichen kann.
Das Konstrukt der Lohnarbeit und die Konsequenzen, falls du dich entziehen willst , ist aber kein deutsches Modell. In jedem Land herrscht es mit all seinen bürokratischen Facetten über die Menschen, denn, Kapitalismus ist globalisiert.

Bewegen wir uns in andere Bereiche unseres Lebens, entdecken wir Abläufe, die dem oben Beschriebenem sehr ähneln.

In der Schule beispielsweise herrschen Leistungszwänge und das Prinzip der Autorität. Noten und SchülerInnendateien bewerten deine Person, Prüfungen und Abschlüsse drücken dich durch ein Raster, welches deinen weiteren Lebenslauf bestimmen wird. An welch einer Gegenwart nehmen wir Teil, wenn sich Security-MitarbeiterInnen an den Schulen in sogenannten „Brennpunkten“ herum treiben, Bullen, in Uniform oder in Zivil in den Klassenraum rein spazieren? Eine Gegenwart, die weder Perspektiven noch Angebote schafft und auch gerade darum zu offener Repression greift, damit der soziale Frieden, und dessen Autorität auch in den Klassenräumen standhalten kann.
Die Bildung die dir mitgegeben wird, ist unzureichend und oft weit von der Realität des Lebens entfernt. Werte und Normen, die unsere Gesellschaft prägen, werden eingetrichtert, wogegen tatsächliche Lösungsansätze für Probleme, denen du begegnen wirst, nicht vermittelt werden. Wie auch. Der Staat zielt auf Normierung anstatt für individuelle Entfaltung Platz zu schaffen.

Und die Liste der repressiven Mechanismen unseres Alltags will nicht enden.

Der aktuelle Wohnungsmarkt ist voll von Wettbewerbs- und Konkurrenzdenken. Dein Einkommen entscheidet noch vor dir selbst in welcher Gegend du leben wirst. Besitzt du nicht einen gewissen Standard, kann dich das schnell an den Stadtrand befördern oder in eine Gegend, in der du einer oder eine derer bist, die sich ihre Situation auch nicht gerade aussuchen konnten. Die schönen Bezirke, die mit guter Verkehrsanbindung, tollem Ausblick und fein-aufgearbeiteten Altbauten – um mal die Sprache der VermieterInnen zu benutzen – sind eingebettet in Townhäuser, Luxux-Lofts, Ferienwohnungen und „Gated Communities“, d.h. Areale, die sich bewusst vom Rest des Kiezes abschotten.
Auswüchse einer Wohnungspolitik, wie wir sie erleben. Der Begriff Wohnraum, und das Recht aller diesen wahrzunehmen, wurde von dem des Eigentums abgelöst. Gleichzeitig sind unsere Städte so „schick“, bieten so viele „kreative Möglichkeiten“, dass ein In-Lokal das nächste ablöst und die Vielfalt dieser Stadt ausbluten lässt. Der Konsum, die Ware und der Status, treten an Stelle der Kreativität, der Einzigartigkeit, der sozialen Struktur.
Das Einzige was bewahrt wird ist der Schein und das in einem solchen Ausmaß, dass es zum Himmel schreit….

Uns ist es egal, wie sich die BeschützerInnen dieses Scheins, die Autoritäten, bezeichnen. Security, Quartiersmanagement, Ordnungsamt, Bereitschaftspolizei, Staatsschutz; Außer ihren Unterschiedlichkeiten in den Kompetenzen, eint sie alle der Drang nach Überwachung und Kontrolle. Nicht nur im öffentlichen Bereich, durch ihre stetige Präsenz oder durch die zahlreichen Kameras in den Straßen und auf den Plätzen. Ihre Instanz als OrdnungshüterInnen und als langer Arm des Gesetzes dringt bis in unsere intimsten Räume ein. Sie nehmen uns die Möglichkeit unsere Probleme eigenmächtig zu lösen. Die Pflicht jeder Autorität ist es, Selbstbestimmung zu unterdrücken, um, wenn nötig, allgegenwärtig die Logik von „Richtig“ und „Falsch“ , das geltende Recht, durchsetzen zu können.
Als mögliches letztes Mittel dieser Justiz steht der Knast, als Institution der Bestrafung, Isolierung und wie es seine VerfechterInnen gerne sehen, als Mittel zur Resozialisierung. Welch ein Paradox: Abtrünnige der herrschenden Verhältnisse resozialisieren zu wollen, in einer Gesellschaft der sozialen Barbarei.

Alles Schwarzmalerei und Übertreibung?
Nein, alles Gegenstand dessen, was du im alltäglichen Kampf um Lohn, Bildung, Wohnraum und Selbstverwirklichung erlebst, wenn du deine Sinne dafür schärft. Wir stellen uns nicht die Frage, was eine mögliche Lösung sein könnte, denn erst einmal sind wir nicht „Die“, die sich anmaßen wollen, für jedes Problem eine Lösung parat zu haben. Wir machen keine Politik. Das Prinzip der PolitikerInnen, also das der Vertretung, der Repräsentation, steht schlicht im Gegensatz zum Prinzip der Selbstorganisierung, welches wir gemeinsam mit vielen anderen entwickeln und erweitern wollen. Dem Möglichen ist keine Grenze gesetzt. Demnach kann es für uns auch keine fertigen Lösungen geben, sondern nur Herangehensweisen, die so frei wie möglich von Autorität, Herrschaft und Repression sein müssen.
Wir wollen uns allen die Möglichkeit geben, mit unserem Leben zu Experimentieren, die kontroversen Seiten in Diskussionen zu erschließen und neue, andere Wege des Miteinanders zu finden. Eine Gesellschaft ohne auferlegte Zwänge, geprägt durch Solidarität und gegenseitiger Hilfe. Die Zustände in denen wir in dieser Welt, dieser Stadt leben sind nicht reformierbar.
Wir wollen das Bestehende mit all den uns zur Verfügung stehenden Mitteln angreifen und ins Wanken bringen. Die Erschütterungen, die schon andere Länder heimgesucht haben können nur der Anfang sein. Der 1. Mai ist kein Grund zum feiern, er ist ein Tag des Kampfes. Doch die Wut, die wir in uns haben, wollen wir jeden Tag entfesseln. Heute, Morgen oder die nächsten Tage. Ob Chile, Nordafrika, Griechenland, England oder hier:

Auf dass der Schrei nach Freiheit in verschiedenster Sprache und auf unberechenbarer Weise erklingt!


Text des Plakats

Auf dass der Schrei nach Freiheit in verschiedener Sprache und auf unberechenbarer Weise erklingt!

„Wenn du mir die Botschaft vermittelst das mein Leben wertlos ist, warum sollte dann deinen Besitz, deine Gesellschaft deine Zivilisation, deine Konventionen, deine Regeln oder irgendeines deiner Bauwerke irgendwelchen Wert für mich haben? Wenn auf jeder dieser Türen ein Verbotsschild klebt dass mir den Zutritt verwehrt, ich darf es nicht angucken, nicht berühren nicht teilnehmen. Ich darf auf keiner Weise daran teil haben. Mein ganzes Leben lang wurde ich abgewiesen. Ich war schon verstoßen bevor ich geboren war. Mir steht nichts offen. Und jedes mal wenn ich an einer Tür klopfe und zurück gewiesen werde geht etwas in mir kaputt. Also warum sollte mir all das irgendwas bedeuten? Warum sollte ich es schützen, es respektieren oder erhalten? Für mich ist es nur eine unüberwindbare Grenze die schon da war als ich geboren wurde und noch da sein wird wenn ich sterbe.“
-ein Aufständiger zu den Unruhen in Watts, Los Angeles / USA 1965

Wir wollen das Bestehende mit all den uns zur Verfügung stehenden Mitteln angreifen und ins Wanken bringen. Die Erschütterungen, die schon andere Länder heimgesucht haben können nur der Anfang sein. Der 1. Mai ist kein Grund zum Feiern, er ist ein Tag des Kampfes. Doch die Wut, die wir ins uns haben, wollen wir jeden Tag entfesseln. Heute, Morgen oder die nächsten Tage. Ob Chile, Nordafrika, Griechenland, England oder hier.

Für die Freiheit! Für die Revolte! Die Rebellion entfesseln, nicht nur am 1. Mai! - Transparent von der Strasse - gesehen in Berlin-Kreuzberg vor dem diesjährigen 1. Mai

Grenzenlose Solidarität statt Staat und Kapital - Transparent von der Strasse - gesehen in Berlin-Kreuzberg vor dem diesjährigen 1. Mai

You may also like...

2 Responses

  1. 08/05/2012

    […] wird ein Flugblatt vom April 2012 vorgelesen, welches vor dem ersten Mai in Berlin aufgetaucht ist. Hier ist der Text vom Flugblatt, was es auch mittlerweile als Plakat […]

  2. 23/03/2014

    […] Für die Freiheit! Für die Revolte! Read the rest of this entry » […]