Thomas Meyer-Falk: 17 Jahre Isohaft – und kein Ende?!
Wirklich gute Nachrichten gibt es selten aus Haftanstalten zu berichten; und auch heute verhält es sich nicht anders. Seit mittlerweile fast genau 17 Jahren sitzt ein Gefangener in Einzelhaft, sprich in Isolation. Über die Situation von Peter Wegener (z. Zt. JVA Sehnde) soll an dieser Stelle die Rede sein.
Was heißt hier Einzelhaft / Isolation?
Wenn von Einzelhaft gesprochen wird, ist damit nicht etwa lediglich die Unterbringung in einem Einzelhaftraum gemeint, bei zeitgleich erhaltenem Kontakt zu Mitgefangenen während der Arbeit und Freizeit, sondern die „unausgesetzte Absonderung eines Gefangenen“ (§ 82 Nds-Justizvollzugsgesetz) von anderen Gefangenen und dem regulären Haftalltag. Das bedeutet: keinerlei Kontakt zu Mitgefangenen, sieht man vom Briefwechsel ab, keine gemeinschaftlichen Freizeitveranstaltungen, kein gemeinsamer Sport, keine gemeinsame Arbeit. Die einem zustehende tägliche Stunde Aufenthalt im Gefängnishof ist auch alleine zu absolvieren.
Hinzu kommen noch erhebliche Restriktionen, was den persönlichen Besitz anbetrifft: keinerlei private Kleidungsstücke, vor Verlassen der Zelle, bzw. der Sicherheitsstation nackt ausziehen und dann zuvor durchsuchte andere Knastwäsche anziehen. Das selbe Prozedere vor Rückkehr in die Zelle: nackt ausziehen und wieder andere Knastkleidung anziehen. Wenn es also sein muss, mehrfach am Tag. Private Gegenstände in der Zelle sind auf ein absolutes Minimum reduziert; in Sehnde geben sich die Sicherheitsbeamten sogar die Mühe festzulegen, dass keine Kugelschreiber mit Mechanik, also lediglich Einwegkulis genutzt werden dürfen und Bücher nur in einem „Umfang“ von ½ Meter zugelassen sind (d.h. die Buchrücken dürfen addiert nicht mehr als 50 cm breit sein). Selbstverständlich wird jeder ein- und ausgehende Brief genau gelesen; Besuche finden in einem Trennscheibenraum statt, d.h. die Besuchsperson sitzt, wie man es aus US-Filmen kennt, hinter Panzerglas und es sitzt ein Wärter dabei.
Peter Wegeners Situation
Unter diesem strengst möglichen Haftregime sitzt Peter nun seit 1995 in einem deutschen Gefängnis. Berichtet wurde über ihn schon 2010 in einem Buch von Kai Schlieter („Knastreport – Das Leben der Weggesperrten“), der bei der taz arbeitet. Im Internet kann, wer möchte, etwas über die Vorgeschichte dieser Isolationshaft erfahren, dort wird unter seinem Namen Peter Strüdinger ausführlich der Lebenslauf, geprägt von Heim- und Knastaufenthalten, dargestellt. Auch in der Psychiatrie saß er schon. Zu einer Zeit, als es dort noch wesentlich brutaler zuging als heutzutage.
Die JVA Sehnde weigert sich beharrlich, die lang dauernde Isolationshaft zu beenden; vielmehr verlangt der für Peter zuständige Abteilungsleiter Farbowski, zuletzt mit Schreiben vom 16. April 2012, er – Wegener – möge doch endlich „einer Ergänzungsbegutachtung durch Herrn Prof. Dr. Kröber“ zustimmen,
Was heißt „Begutachtung“?
Strafprozesse und Strafvollzug sind in weiten Teilen von psychiatrischen Gutachten geprägt, denn wo immer eine Prognose über künftiges Verhalten zu treffen ist, ziehen Gerichte und Anstalten Psychiater, bzw. Psychologen hinzu. Im Zentrum steht meist die Frage, ob ein/eine Gefangene/r eine bestimmte Vollzugslockerung (z.B. Hafturlaub), oder die Haftentlassung dazu nutzen wird, erneut Straftaten zu begehen. Im Falle Wegeners setzt die niedersächsische Justizverwaltung darauf, durch einen Psychiater heraus finden zu lassen, ob eine Aufhebung der Isolationshaft und Integrierung in den „Normalvollzug“ ohne Sicherheitsrisiken möglich ist.
Peter soll also vor einem Psychiater sein Seelenleben ausbreiten, nur um die Chance zu erhalten, vielleicht aus der Einzelhaft heraus zu kommen, um dann in den normalen Knasttrakt überstellt zu werden.
Gutachter Professor Kröber
Kröber ist Direktor des Instituts für forensische Psychiatrie an der Charite in Berlin und gilt zwar einerseits als Koryphäe auf seinem Gebiet, jedoch auch als sehr „justiznah“. Entsprechend weigerte Peter sich, sich von Kröber untersuchen zu lassen und schlug andere Sachverständige vor.
Darauf hin beauftragte die niedersächsische Justiz dennoch Kröber, einfach auf Grund des Akteninhalts eine gutachterliche Stellungnahme abzugeben. In seinem über 60 Seiten umfassenden „Gutachten“ kam Kröber zu dem Ergebnis, eine Alternative zur Unterbringung in Isolationshaft sei nicht erkennbar. Die Weigerung, mit ihm, dem Sachverständigen zu sprechen oder auch mit dem Anstaltspsychologen, sei negativ zu werten, da Wegener so vereitle, das „noch bestehende Risikopotential“ auszuleuchten. Zwingende „Mindestvoraussetzung für eine Veränderung der aktuellen Situation“ sei, dass Peter sich bereit erkläre, „an einer Sachaufklärung (…) aber auch den subjektiven Erwartungen mitzuwirken“.
Gutachter Wentzel
Da für Anfang 2012 bei Peter der Antritt der Sicherungsverwahrung anstand, beauftragte das Landgericht einen Gutachter zu prüfen, ob eine Freilassung denkbar sei. Mit dem vom Gericht ausgewählten Gutachter Dr. Wentzel, einem Facharzt für Psychiatrie, erklärte sich Wegener bereit zu sprechen. Dieser kam zu einem ganz erstaunlichen Ergebnis, was die Isolationshaft betrifft. Denn deren Fortdauer hält der Facharzt für nicht angebracht und empfiehlt eine sofortige Verlegung in den Normalvollzug. Danach und nach einer Therapie könne man durchaus eine bedingte Entlassung, sprich eine Freilassung auf Bewährung erwägen.
Reaktion der JVA vom 16.04.2012
Durch dieses Gutachten des Dr. Wentzel von Ende 2011 schien die JVA in Zugzwang zu kommen, musste sie nun doch die Fortdauer der nun bald 17 Jahre dauernden Isolationshaft rechtfertigen. Juristen sind findig, wie man weiß; und so greinte der zuständige Abteilungsleiter der JVA Sehnde, der Gutachter Wentzel habe sich „ohne den Auftrag erhalten zu haben“ zu einem Thema (der Isohaft) geäußert, zu dem man schließlich die kompetente Äußerung des renommierten Professors aus Berlin vorliegen habe, deshalb bleibe es bei der Isolationshaft.
Seinen Brief an Peter Wegener vom 16.04.2012 schloss der Abteilungsleiter mit den Worten: „Ich bedauere, Ihnen gegenwärtig keinen günstigeren Bescheid erteilen zu können“.
Wie geht es weiter?
Vor 17 Jahren hat Peter eine Geiselnahme in der JVA Celle begangen – vor 17 Jahren, und noch heute wird er daran fest gekettet, darauf reduziert und einbetoniert in seiner Isolationszelle. Mittlerweile weigert er sich zu arbeiten (bislang hatte er die Möglichkeit der „Zellenarbeit“ genutzt) und in den Knasthof zu gehen, denn wie er schreibt, es verletze seine Würde und demütige ihn, wenn er sich jedes mal nackt ausziehen müsse, er fühle sich wie ein Tier behandelt.
Im Fall seines Kompagnons Günter Finneisen, mit welchem er 1995 die Geiselnahme beging, stellte die Kriminologin Frommel fest, nach dem auch dieser 15 Jahre in Isolation gehalten wurde, dass es sich hier um Folter handele.
Es steht zu hoffen, dass im Falle Peter Wegeners, der zudem mit einer HIV-Infektion zu kämpfen hat, eine kritische Öffentlichkeit die Justiz dazu wird bewegen können, die Isolationshaft endlich zu beenden: 17 Jahre, nach dem sie angeordnet wurde.
Thomas Meyer-Falk
c/o JVA – Z. 3113
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D-76646 Bruchsal
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