Freiheit und Solidarität für Aleksej Gaskarow und die Gefangenen des 6. Mai!
Internationale Aktionswoche vom 17. bis 23. Juni 2013
Wer ist Aleksej Gaskarow?
Aleksej Gaskarow, Wirtschaftsexperte und seit vielen Jahren in den russischen sozialen Bewegungen aktiv, wurde am 27. April in Moskau verhaftet. Der junge Aktivist wurde erstmals im Jahr 2010 als einer der „Geiseln von Chimki“ einer breiteren Öffentlichkeit in und außerhalb Russlands bekannt. Einen Tag nach einer lautstarken Protestaktion im Moskauer Vorort Chimki wurde er festgenommen, nicht zuletzt aufgrund seiner Rolle als Sprecher der Antifa- und Umweltbewegung. Nach dreimonatiger U-Haft und einem Freispruch vor Gericht setzte er seine gesellschaftspolitische Tätigkeit in verschiedenen thematischen Zusammenhängen umso intensiver fort. Nach seinen Anfängen als Antifaschist entwickelte er sich über die vergangenen Jahre hin zu einem vielseitigen, weitsichtigen und in der Öffentlichkeit präsenten jungen Lokalpolitiker.
An seinem in der Moskauer Region gelegenen Wohnort Zhukowskij engagierte sich Aleksej Gaskarow in einer Reihe von lokalen Initiativen. Dazu gehört u.a. der Protest gegen die Abholzung eines weitläufigen Waldstückes, das ähnlich wie in Chimki einer Straße weichen soll. Außerdem rief er einen Diskussionsclub ins Leben und im März 2013 wurde Aleksej Gaskarow in den Volksrat gewählt, einem alternativen städtischen Selbstverwaltungsorgan, was ein deutliches Zeichen von Wertschätzung für sein Engagement darstellt.
Gaskarow war stets bemüht neue Formen zur Artikulierung seiner Positionen in die Praxis umzusetzen. Er arbeitete als Journalist und verfasste Analysen für das „Institut für kollektive Aktion“, fungierte als ein Sprecher für die Antifabewegung, beteiligte sich am Netzwerk der „Autonomen Aktion“ und als Koordinator an sozialen und Umweltprotesten. Seit Dezember 2011 nahm er aktiv an den Anti-Putin-Protesten teil, trat regelmäßig in den Medien auf, beteiligte sich an Kundgebungen und öffentlichen Debatten. Im Oktober 2012 wurde er als Vertreter der Linken in den Koordinationsrat der russischen Opposition gewählt, wo er sich konsequent für eine soziale Agenda einsetzte.
Dem von Präsident Medwedjew initiierten und dem Innenministerium unterstellten berüchtigten Zentrum für Extremismusbekämpfung ist Gaskarows aktive Rolle in den sozialen Bewegungen offenbar längst ein Dorn im Auge. Seit seinem Freispruch im Fall Chimki übte die Polizei auf Gaskarow ständigen Druck aus und suchte ihn zu provozieren. Schließlich wurden gegen ihn Ermittlungen eingeleitet wegen Beteiligung an vermeintlichen „Massenunruhen“ während einer genehmigten Demonstration am 6. Mai 2012 anlässlich der Wiedereinführung von Wladimir Putin ins Amt des russischen Präsidenten. Offensichtlich spekuliert die Polizei auf eine hohe Haftstrafe für Gaskarow.
Warum wurden Aleksej Gaskarow und weitere über zwei Dutzend unschuldiger Personen verhaftet?
Am 6. Mai 2012, einen Tag vor der Wiedereinführung von Wladimir Putin ins Präsidentenamt, gingen Sondereinheiten der Polizei mit Gewalt gegen Demonstrant_innen in Moskau vor und schränkten die Versammlungsfreiheit ein, in dem sie durch die Absperrung der genehmigten Demonstrationsroute gezielt für ein dichtes Gedränge sorgten. Eine unabhängige Ermittlungskommission kam nach der Auswertung von über 600 unterschiedlichen Beweismitteln, darunter auch zahlreiche Fotos und Videoaufnahmen, bei einer öffentlichen Anhörung am 22. April 2013 zu dem Schluss, dass die Verantwortlichkeit für die Ausschreitungen eindeutig bei der Polizei zu suchen ist.
Allerdings weigern sich die Behörden bis heute Untersuchungen aufgrund des gewalttätigen Vorgehens der Polizei einzuleiten. Im Gegenteil verfolgt das zuständige Ermittlungskomitee der Staatsanwaltschaft eine Einschüchterungsstrategie, um weitere Proteste zu unterbinden. Die Welle falsifizierter Strafvermittlungen setzte am 27. Mai 2012 ein, als die erste Verdächtige festgenommen wurde, nämlich die damals 18jährige Studentin Alexandra Dukhanina. Im weiteren folgte ohne erkennbare Logik die Verhaftung weiterer 27 Personen, die völlig unterschiedlichen politischen Spektren angehören oder sich bislang gar nicht an den Protesten beteiligt hatten: darunter Studierende, Geschäftsleute, ein Wissenschaftler und Aktivist_innen.
Aleksej Gaskarows Festnahme ist die vorerst letzte. Am 6. Mai nahm er an der Kundgebung teil, wobei er Verletzungen davontrug. Ein Polizist warf ihn zuerst zu Boden und schlug dann mit den Füßen auf seinen Kopf ein. Gaskarow benötigte anschließend ärztliche Hilfe, die Wunde wurde genäht und er reichte eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft ein. Wie auch in anderen Fällen von Polizeigewalt während der Kundgebung blieb seine Anzeige unbearbeitet.
Ein Jahr nach Einleitung der so genannten Strafermittlungen wegen „Massenunruhen“ wird ein in Bezug auf alle Beschuldigten typisches Schema deutlich: das Gericht verhängt gegen sie eine zweimonatige U-Haft, die im weiteren immer wieder verlängert wird. Bei den Haftprüfungsterminen bleiben jegliche Argumente und Beweismittel der Verteidigung unberücksichtigt, die auf die Haltlosigkeit der vorgebrachten Anschuldigungen verweisen. Einige der Festgenommenen wiesen durch eindeutige Fakten nach, dass sie sich an besagtem Tag nicht in Moskau aufgehalten haben. Doch ungeachtet dieser Umstände wurde die U-Haft nicht aufgehoben.
Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass dieses Schema auch im Fall Aleksej Gaskarow Anwendung finden wird, wenn wir es an entschlossener Solidarität fehlen lassen. Von Repressionen sind mindestens noch einige Dutzend weitere Teilnehmer_innen der Kundgebung am 6. Mai 2012 bedroht. Auf ihrer Webseite erklärte das Ermittlungskomitee, dass das „Verfahren zur Ermittlung sämtlicher an den Massenunruhen beteiligten Personen“ fortgeführt wird. Doch liegt es an uns dieses harte Durchgreifen der Strafverfolgungsbehörden zu stoppen.
Internationale Aktionswoche vom 17. bis 23. Juni 2013
Internationale Solidarität hat in der Vergangenheit selbst in vermeintlich aussichtslosen Fällen immer wieder ihre Durchschlagkraft unter Beweis gestellt. Dank eurer Unterstützung der „Geiseln von Chimki“ im Oktober 2010 wurden diese aus der Haft entlassen. Dabei handelte es sich um einen echten Sieg der internationalen Solidaritätskampagne. Seither gerieten zahlreiche in Graswurzelbewegungen aktive Menschen in die Repressionsmaschinerie des Staatsapparates, woraufhin eine Reihe von Gegenmaßnahmen erfolgten. So verhängten einige Länder ein Einreiseverbot für russische Beamte, die in Korruptionsfälle und kriminelle Machenschaften verwickelt sind. Eure Unterstützung ist nun besonders hinsichtlich der Duzenden von Menschen gefragt, die unschuldig im Gefängnis sitzen oder die mit hohen Haftstrafen rechnen müssen. Eure verbale und sichtbare Stellungnahme ist entscheidend, um den russischen Strafverfolgungsbehörden und dem Staat vor Augen zu führen, dass die von ihnen verantworteten Vergehen nicht unbeachtet bleiben.
Am 18. Juni wird Aleksej Gaskarow 28 Jahre alt. Ein jegliche Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit missachtendes Gericht hat darüber verfügt, dass er seinen Geburtstag in U-Haft verbringen wird. Wir müssen seine Freilassung und die weiterer unschuldig Festgenommener erreichen. Die Unterstützungsgruppe gaskarov.info hat für die Woche vom 17. bis 23. Juni eine internationale Aktionswoche ausgerufen. Beteiligt Euch daran. Gemeinsam wollen wir gegen Rechtlosigkeit und politische Verfolgung in Russland vorgehen.
Was könnt ihr tun?
1. Verbreitet diesen Solidaritätsaufruf und Informationen über die Situation von Aleksej Gaskarow und den anderen Gefangenen des 6. Mai wo und wann auch immer es möglich ist. Fordert ihre sofortige Freilassung. Erhebt eure Stimme gegen politische Verfolgung und repressive Polizeitaktiken in Russland.
2. Unterzeichnet die Online-Petition, die an das Ermittlungskomitee und die Staatsanwaltschaft übergeben wird.
3. Organisiert eure eigenen Solidaritätsaktionen. Ihr könnt Kundgebungen und Demonstrationen vor den Botschaften und Konsulatsabteilungen der Russischen Föderation abhalten. Macht euch kundig, welche kulturellen Veranstaltungen in eurer Stadt anstehen, an denen sich Russland beteiligt und macht dort auf die Situation der Gefangenen aufmerksam. Ebenso denkbar sind Kunstaktionen, Happenings, Sit-Ins etc.. Wendet euch an die Regierungen eurer Länder und internationale Verbände und Institutionen mit dem Aufruf für Aleksej und die anderen Gefangenen des 6. Mai Stellung zu beziehen.
Schickt uns bitte Infos über eure Solidaritätsaktionen, darunter gerne Fotos und Videos, an diese Adresse: gaskarov.info@gmail.com
4. Schreibt Briefe an die russischen Behörden zur Unterstützung von Aleksej Gaskarow und die anderen Gefangenen des 6. Mai. Fordert darin deren sofortige Freilassung, die Einstellung aller laufenden Verfahren und die Einleitung von Ermittlungen aufgrund des gewaltvollen Vorgehens der Polizei gegen friedliche Demonstrant_innen am 6. Mai 2012.
Schickt eure Briefe an folgende Adressen:
Ermittlungskomitee der Russischen Föderation
Tekhnichesky pereulok, 2
105005 Moskau
Russische Föderation
Online message center: http://en.sledcom.ru/internet-reception/
Fax: +7 (499) 265-9077
Telefon: +7 (495) 986-7710
Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation
ul. Bolshaya Dmitrovka, 15a
GSP-3
125993 Moskau
Russische Föderation
Fax: +7 (495) 692-1725
Staatsanwaltschaft der Stadt Moskau
ul. Novokuznetskaya, 27
115184 Moskau
Russische Föderation
Online message center: http://www.mosproc.ru/ipriem/iemail.php
Fax: +7 (495) 951-5040
Hauptverwaltung des Zentralen Ermittlungskomitees der Russischen Föderation für die Stadt Moskau
ul. Arbat, 16/2, str. 1
19002 Moskau
Russische Föderation
Online message center: http://moscow.sledcom.ru/internet-reception/
Fax (nach 16:00 MEZ): +7 (495) 691-6315
Menschenrechtsbeauftragter der Russischen Föderation
ul. Myasnitskaya, 47
101000 Moscow
Russian Federation
Schickt bitte per Mail eine Kopie eurer Schreiben an uns: gaskarov.info@gmail.com.
5. Schickt Unterstützungsbriefe an Aleksej Gaskarow an unsere Adresse: gaskarov.info@gmail.com. Wir übersetzen sie ins Russische, geben sie an Aleksej weiter und veröffentlichen sie auf unserer Webseite gaskarov.info.
6. Ihr könnt unsere Solikampagne für Aleksej Gaskarow und die anderen Gefangenen des 6. Mai finanziell unterstützen und einen Beitrag zur Deckung der Prozesskosten leisten. Überweisungen sind per PayPal möglich an den Account dmitry.cw@gmail.com.
7. Kunstschaffende sind dazu aufgerufen graphische Arbeiten zur Solidarität mit Aleksej Gaskarow und den anderen Gefangenen des 6. Mai an unsere Adresse gaskarov.info@gmail.com zu schicken: Wir werden sie auf unserer Webseite gaskarov.info veröffentlichen. Die auffallendsten Arbeiten werden gedruckt und als Aufkleber in ganz Moskau verbreitet. Medienschaffende bitten wir um veröffentlichte Artikel und Blogbeiträge über Aleksej Gaskarow und die politischen Zustände in Russland. Wer andere Formen zur Verbreitung von Informationen über Aleksej Gaskarow vorzieht kann uns dies gerne mitteilen an unsere Adresse gaskarov.info@gmail.com.
Vielen Dank für eure Solidarität! Aktuelle Informationen über den Verlauf der Solikampagne und den Stand des Verfahrens findet ihr auf Russisch und weiteren Sprachen auf unserer Webseite gaskarov.info.