Aktuelles zu Prozessen gegen AnarchistInnen in Griechenland
In Griechenland passiert in vielerlei Hinsicht momentan einiges, neben Themen wie Staatsbankrott und Regierungsumbildung, Streiks und Massendemonstrationen, die in den internationalen Medien bis zum Erbrechen ausgeschlachtet werden, gibt es unzählige anarchistische und antiautoritäre GenossInnen, die sich in den Knästen befinden und viele weitere, die von Anklagen konfrontiert sind. Hier die Übersetzungen von zwei Texten, die vor einigen Tagen auf dem This is our Job-Blog veröffentlicht wurden (1, 2).
Fire Cells Conspiracy-Prozess Updates
Vor einigen Wochen hat die Staatsanwaltschaft in der Anklage gegen die Fire Cells Conspiracy die Zusammenstellung der Akten weitestgehend beendet und bekanntgegeben, welche Beschuldigten vor Gericht vorgeladen werden (der Termin wurde noch nicht festgelegt) für den Versand von Briefbomben am 1. November 2010. Gegen elf Personen wird verhandelt werden, neun von denen (Panayiotis Argyrou, Damiano Bolano, Olga Economidou, Haris Hatzimichelakis, Giorgos and Michalis Nikolopoulos, Giorgos Polydoras und Christos und Gerasimos Tsakalos) sind MitgliederInnen der Conspiracy. Die zwei anderen (Giorgos Karagiannidis und Alexandros Mitrousias) verneinen es Mitglieder zu sein. Die Anklagepunkte sind “Bildung einer terroristischen Organisation”, “Beschaffung und Herstellung von Bomben und explosiven Stoffen”, “Besitz von Bomben und explosiven Stoffen” und die “Herbeiführung von Explosionen mit dem Potenzial der Gefährdung/Beschädigung von Objekten und Lebewesen”.
Ebenfalls Anfang Oktober wurden Angestellte des Logistikunternehmens, welches benutzt wurde um die Briefbomben zu versenden, in Anwesenheit des Anklägers und der Untersuchungsrichter befragt, um einige der Beschuldigten zu identifizieren. Keine/r der Angestellten erkannte unsere Genossen wieder, und die Aussage von einer der “Hauptzeugen” gegen Karagiannidis war durchaus aufschlussreich:
Die Polizei zeigte mir vier oder fünf Photos, um zu sehen, ob ich eine/n von ihnen wiedererkennen würde. Ich erzählte ihnen zuerst, dass ich außerstande bin jemanden zu identifizieren den ich für zwei Sekunden gesehen habe und außerdem einen Motorradhelm trug. Sie fragten mich, ob ich eventuell einige körperliche Merkmale wiedererkennen könnte. Ich erklärte ihnen, dass ich dies nicht könne, und dann fragten sie mich, ob einige Merkmale übereinstimmend wären mit denen auf den Photos, die sie mir zeigten. Ich erklärte ihnen, dass ich mich nicht genau erinnern könne und sie antworteten: “Gut, wir werden es aufschreiben als ‘einige ähnliche Merkmale’.”
Währenddessen bereiten die Ankläger weitere Akten vor, bezüglich anderer Anschläge der Conspiracy. Es steht noch immer nicht fest, ob ein einziger Prozess die “gesammelten Werke” der Gruppe behandeln wird oder ob es eine Serie von Prozessen mit leichten Änderungen in der Rangfolge der Angeklagten geben wird. Auf alle Fälle beharren die Autoritäten bei den vier GenossInnen, die in der Antiterroroperation am 4. Dezember 2010 festgenommen wurden, auf der zugeschriebenen Mitgliedschaft in der Gruppe, unter ihnen Karagiannidis und Mitrousias, die schon im ersten Prozess zu 20 und 11 Jahren Knast verurteilt wurden. Stella Antoniou und Costas Sakkas haben die selben Anklagen wie Karagiannidis und Mitrousias, während Dimitris Michail und Christos Politis – verhaftet am selben Tag wie die anderen vier und nach sechs Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen – nicht aufgeführt werden in dem Schriftsatz, die Ankläger wollen einen Freispruch für sie. Die Anklagen gegen die Beschuldigten, unabhängig davon ob sie ihre Mitgliedschaft in der Conspiracy offengelegt haben oder nicht, sind die selben: “Bildung einer terroristischen Vereinigung”, “Ausübung von Terrorakten”, usw, sowie “Urkundenfälschung” (vorausgesetzt es wurden falsche Personaldokumente gefunden). Karagiannidis und Sakkas sind zusätzlich von dem Anklagepunkt “Vortäuschung einer Autorität” betroffen, sie werden beschuldigt als Polizeibeamte verkleidet mit einem Auftrag persönliche Informationen von Fußgängern (einige StudentInnen wollen sie wiedererkannt haben) gesammelt zu haben, um falsche Ausweispapiere mit den Daten von existierenden Personen zu erstellen.
Außerdem zeigt die niederträchtige Beschuldigung des “Anführers” der Conspiracy erneut ihre hässliche Fratze. Bereits Anfang 2011, gerade als der erste Prozess gegen die Gruppe begann, wurde die Rolle des Anführers der Organisation Hatzimichelakis zugesprochen. Jetzt spielen die Ankläger wieder mit der selben Idee, aber momentan schlagen sie drei verschiedene “Kandidaten” für die “Position” vor, anspielend darauf, dass die “Führungsrolle” besetzt werden könnte von Bolano, Giorgos Nikolopoulos, Christos Tsakalos, oder – warum nicht? – allen dreien zusammen. Ein Auszug:
Sie haben, zusammen mit Hatzimichelakis und anderen unbekannten Personen, die Fire Cells Conspiracy geleitet, in welcher sie Entscheidungen getroffen und die Anführerposition übernommen haben. Ihre Aufgabe war wesentlich und maßgeblich im Bezug auf den Erwerb und die Beschaffung von Materialien und anderen Sachen, die von der Organisation benutzt wurden zur Herstellung von improvisierten explosiven Vorrichtungen, mit dem Ziel diese illegal zu verteilen, die Nutzung und Aufrechterhaltung von Wohnungen und Lagerstätten als Verstecke und als Orte, um sich mit Waffen zu bevorraten, sowie das Schreiben der Kommunikees der Organisation und deren Veröffentlichung auf Indymedia.
Am 7. November wird ein Tribunal des Obersten Gerichts in Athen über den Antrag zur Aussetzung der Strafe gegen den Genossen Panayiotis Masouras beraten. Der selbe Antrag wurde von der Verteidigung nach den Urteilen im ersten Prozess gegen die Conspiracy vorgelegt, aber er wurde einstimmig zurückgewiesen. Berichten zufolge wird die Entscheidung des Tribunal nach einigen Tagen veröffentlicht werden. Die Verteidigung von Konstantina Karakatsani wird auch einen solchen Antrag Anfang Dezember einreichen.
Es gibt auch einige unterhaltsame Neuigkeiten. Ein Beamter der Antiterroreinheit, welcher als Zeuge im ersten Prozess gegen die Conspiracy auftrat (er war Teil des Überwachungsteams, welches die Wohnung von Hatzimichelakis observierte), wurde vor zwei Wochen wegen eines bewaffneten Raubüberfalls auf einen Lotteriemitarbeiter im Athener Stadtteil Aghios Dimitrio verhaftet. Seine Beute betrug 180 Euro und er wurde innerhalb von kürzester Zeit von seinen Kollegen gefangen.
Weitere Updates von Prozessen
gegen AnarchistInnen in Griechenland
Der Revolutionary Struggle-Prozess begann am 5. Oktober, fast jede Woche wird es es einen Prozesstag geben. Updates in englischer Sprache gibt es bei Act for Freedom Now! und Contra Info. Das einzige, was nicht richtig Erwähnung fand, ist die Tatsache, dass Costas Katsenos, gegen den seit April 2010 ein Haftbefehl bestand aufgrund von Vorwürfen im Bezug auf die Gruppe, sich in der Gegenwart seines Anwalts kurz vor dem Prozess den Behörden gestellt hat. Wie schon erwähnt wurde, wurden die drei Personen, die ihre Mitgliedschaft in der Gruppe offenbart haben – Costas Gournas, Nikos Maziotis und Panayiota Roupa (sowie der kleine Lambros Victor, der Sohn von Maziotis und Roupa, welcher im Juli 2010 im Knast geboren wurde) – aus der Haft entlassen, weil sie die Zeit der nach dem griechischen Gesetz auf 18 Monate beschränkten Untersuchungshaft abgesessen haben. Dies ist eine weltweit einzigartige Situation, wir haben nie davon gehört, dass bekennende MitgliederInnen einer bewaffneten Gruppe freigelassen werden mussten, aber dies ist nicht mehr als der Versuch des griechischen Staates sich als der demokratischste und rechtschaffenste darzustellen. Auf jeden Fall ist dies eine sehr überraschende Entwicklung, gerade wenn man sich den Fall von Haris Hatzimichelakis (als bekennendes Mitglieder der Conspiracy of the Cells of Fire) anschaut, der nach dem Ablauf der 18 Monate im Knast nicht entlassen wurde, sondern stattdessen mit neuen Anklagen konfrontiert wurde.
Der Prozess gegen die vier Genossen, die beschuldigt werden im September 2010 in Psachna eine Bank überfallen zu haben, begann am 18. Oktober in Halkida. Zwei der Genossen — Alexandros Kosivas und Michalis Traikapis — befinden sich in Untersuchungshaft seit ihrer Verhaftung, und sie wurden zum Knast Halkida verlegt einen Tag bevor der Prozess begann. Die beiden anderen Genossen — Maria Economou und Venos Polykretis — befinden sich unter Auflagen in Freiheit. Der Prozess geht kaum voran, aufgrund des landesweiten Streiks der VerteidigerInnen. Zweimal wurden Prozesstage schon verschoben, und es ist geplant, dass die Verhandlungen am 15. November fortgesetzt werden. Eine motorisierte Demo wird am 12. November in Athen stattfinden, um den Fall öffentlicher zu machen. Das Poster für die Demo gibt es hier.
Der Prozess gegen den Genossen Rami Syrianos, der die Verantwortung für einen Überfall auf eine Fahrzeugauktion am 31. Januar 2011 übernommen hat, wird am 5. Dezember in Thessaloniki beginnen. Der am selben Tag, unter dem Vorwurf der Komplize von Syrianos gewesen zu sein, festgenommene Genosse K.S. wird ebenfalls neben Syrianos vor Gericht stehen, obwohl er zwei Tage nach der Inhaftierung entlassen wurde, nachdem etliche ZeugInnen ausgesagt hatten, dass er sich zur Zeit des Überfall an einem anderen Ort befunden hat.
Mitte Dezember wird der letzte Prozess gegen Simos Seisidis beginnen, hoffentlich der letzte. Die Anklage umfasst einen Vorfall, welcher vier Jahre zurückliegt, als jemand einen Spezialwachoffizier entwaffnete, der das Haus eines Richters des höchsten Gerichts bewachte. Die gestohlene automatische Waffe wurde nie gefunden, weshalb die Herrschenden nun versuchen Seisidis dafür zu belangen, da er zu der Zeit untergetaucht war.
Vor zwei Wochen wurde der Genosse Michalis O. unter Auflagen entlassen, nachdem er am 5. September in Exarcheia verhaftet wurde, mit dem Vorwurf Molotovcocktails auf die Bullen geworfen zu haben.