Anarchistische Gefangene im Hungerstreik:
Silvia, Billy, Costa und Marco
Update 11. Oktober 2010: Der kollektive Hungerstreik der vier inhaftierten AnarchistInnen ist vorbei, aber Silvia hat sich dazu entschlossen weiterzumachen. Vom 7. bis 16. Oktober wird sie für die Freiheit von Marco Carmenisch und in Solidarität mit allen revolutionären Gefangenen hungerstreiken. Vom 18. bis 20. Oktober wird sie einen dreitägigen Hungerstreik in Solidarität mit den in Chile verhafteten AnarchistInnen durchführen.
HUNGERSTREIK FÜR DIE FREIHEIT VON MARCO CAMENISCH
IN SOLIDARITÄT MIT ALLEN REVOLUTIONÄRE GEFANGENEN
7. – 16. OKTOBER 2010
Ich führe den Hungerstreik als Teilnahme am “internationalen Solidaritäts- und Aktionstag” vom 18. und 19. September für weitere zehn Tage fort. Um meine Nähe, Solidarität und Kampf allen politischen Gefangenen mit langen Strafen zu vermitteln und vor allem als Kampfmittel um aktiver Teil der internationalen Kampagne für die Freiheit von Marco Camenisch sein zu können.
Uns mit Marco durch eine Kampagne solidarisieren heisst von einem kämpferischen Weg zu reden, der von den Antiatomkämpfen der `70 Jahre in der Schweiz bis jetzt nie unterbrochen wurde, heisst die Stimme eines grünanarchistischen Gefangenen, der sich nie ergeben hat, aus den Mauern des Knastes zu befreien. In allen diesen Jahren war Marco immer in der revolutionären Bewegung präsent, mit den vielen Hungerstreiks in Solidarität mit anderen Gefangenen, Militanten und Urvölkern, mit den unaufhörlichen wichtigen Übersetzungen und schriftlichen Beiträgen. Wir empfinden seinen Kampf als Teil des unseres! Auch wir als Gefangene müssen aktiv an dieser Kampagne teilnehmen.
Die Entstehung und Entwicklung einer starken Mobilisierung ist notwendig, die jenen Kurs umkehren kann, den nicht nur das schweizerische System eingeschlagen hat, jenen globalen Kurs, der in einer immer härteren Repression gegen alle revolutionären Gefangenen besteht, die sich nicht beugen und ihre politische Identität und Entwicklung nicht verleugnen. Die Lage der politischen Gefangenen ist Teil des Willens dieses Systems, das die Unterdrückung jeglicher Form von Dissens, Widerstand und Kampf bezweckt.
Auf das diese internationale Kampagne stark und wirksam werde, auf das der Schrei “Marco libero” sich überall erhebe!
Für die Freiheit von Marco Camenisch und von allen revolutionären Gefangenen!
Silvia Guerini, Gefängnis von Biel-Schweiz, September 2010
10. September 2010: Seit dem 10. September befinden sich die vier anarchistischen Gefangenen Silvia, Billy, Costa und Marco in einem kollektiven Hungerstreik. Silvia, Billy und Costa sitzen seit dem 15. April 2010 in Haft in der Schweiz, weil ihnen vorgeworfen wird einen Anschlag geplant zu haben. Bei einer Verkehrskontrolle wurden Sprengstoff und Gegenstände zum Bau von Sprengsätzen gefunden, sowie ein BekennerInnenschreiben, “das auf einen geplanten Anschlag auf das IBM-Forschungszentrum in Rüschlikon ZH hinweist”. Weitere Infos gibt es in dem nach ihrer Festnahme veröffentlichten Artikel: www.abc-berlin.net/inhaftierung-von-drei-anarchistinnen-in-der-schweiz
Marco Camenisch sitzt seit mehreren Jahren aufgrund seiner militanten Intervention in der Schweiz und Italien gegen die Atomindustrie.
Die vier Gefangenen haben eine gemeinsame Erklärung herausgegeben, in welcher sie ihre Motivation darlegen, außerdem gibt es weiter unten noch einzelne Statements von Marco und Silvia. Einige Anarchisten haben einen solidarischen Flyer herausgegeben, den Text gibt es auch weiter unten zu finden.
In Hamburg wurde am 19. September eine Plakatwand in Solidarität mit den vieren umgestaltet: againstthewaiting.blogsport.de. In der Schweiz gab es eine Vielzahl von solidarischen Aktionen in den letzten Tagen, eine Zusammenstellung wird es in den nächsten Tagen geben.
„PF 3143“
CH-8105
Regensdorf
c/o Regionalgefängnis Biel
Spitalstrasse 20
2502 Biel/Bienne
Switzerland
Costantino Ragusa
c/o Regionalgefängnis Bern
Genfergasse 22
3001 Bern
Switzerland
Luca (Billy) Bernasconi
c/o Regionalgefängnis Thun
Allmendstr. 34
3600 Thun
Switzerland
Wir, Billy, Costa, Silvia und Marco, revolutionäre ÖkoanarchistInnen in Geiselhaft des Schweizer Staates, haben entschlossen einen individuell unterschiedlich langen (15-20 Tage) kollektiven Hungerstreik vom 10. bis Ende September 2010 durchzuführen.
Wegen den umständehalber bestehenden Begrenzungen und Verzögerungen der Kommunikation, die unter uns drei in U-Haft sogar im totalen Kommunikationsverbot bestehen, ist die Abmachung und Organisierung dieser Initiative schwierig und vielleicht nur in der Folge werden ausführlichere auch individuelle Nachrichten, Bestätigungen und Erklärungen möglich sein*.
Aber als revolutionäre AnarchistInnen wollen wir von hier drinnen hiermit entschlossen unsere internationalistische solidarische Teilnahme jenseits jeglicher spezifischen Tendenz an den revolutionären Initiativen und Kämpfen drinnen und draussen gegen Repression, Knast, Isolation, Folter bekräftigen.
Wir stehen für die Befreiung aller Geiseln im sozialen und revolutionären Krieg gegen das System, für die Befreiung aller, für die Zerstörung aller Knäste und Gehege und aller Gesellschaften, die sowas nötig haben. In diesem Sinne erklären wir auch unsere totale Unterstützung und Solidarität für die neulich entstandenen Befreiungskampagnen für langzeitgefangene RevolutionärInnen.
Unsere Initiative ist Kontinuität im Kampf an der Seite aller, die diesen immer schärferen und brutaleren gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Krieg und Krisenzustand nie nur erdulden wollten.
Unsere Initiative ist auch Ausdruck der Kontinuität unserer langjährigen starken, soliden, affinen und kämpferischen Beziehungen als “grüne/antizivilisatorische” AnarchistInnen. Als solche sind wir gemeinsam gegen jeden Staat, Pfaffen und Herrn, gegen jeden Knast und jede Repression, gegen jegliche Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, der Frauen durch die Männer, der anderen Spezies und der Natur durch den Menschen.
Wir sind auch untereinander und mit Leuten aus anderen Erfahrungen vereinigt im radikalen Kampf gegen die Schädlichkeiten und Zerstörungen dieses System und natürlich gegen dieses System, das sie verursacht und nötig macht. Das heisst gegen dieses bestehende techno-wissenschaftliche industrielle Produktions-, Konsumismus- und Warensystem des Kapitalismus, gegen dieses monopolistische und imperialistische System der Multis und ihrer Staaten.
Ob es nun seine alten oder innovativen Schädlichkeiten und Zerstörungen sind. Und auch wenn sie von der typisch betrügerischen Arroganz der Herrschenden und ihrer Lakaien, das heisst von den Wissenschaftern, Medien, PolitikerInnen, Bullen, Pfaffen und Organisationen auf der Lohnliste der Herrschenden oder ihres pseudo-demokratischen Dialog-Theaters einen humanitären und „umweltverträglichen“ Anstrich erhalten und als notwendig erklärt werden. Wie das z. b bei Nano- und Biotech, GVO, „alternative Energien“ und sogar Atomkraft eben der Fall ist! Und auch wenn dieser imperialistische, kriegstreiberische und global terroristische Abschaum der Herrschenden und ihre KomplizInnen und Institutionen kann uns “Vandalen”, “TerroristInnen”, “Öko-TerroristInnen”, etc. nennt, sobald unser Dissens und Widerstand und unser Kampf für eine Gesellschaft aus freien und autonomen Individuen ohne Sklaverei, Unterdrückung, Ausbeutung und Zerstörungen real wird!
Wir sind also Menschen, die gegen die ursprünglichen Wurzeln dieses aktuellen Systems grundlegend kritisch sind und kämpfen, weil dieses System ist der am weitesten fortgeschrittene, vollständigste und zerstörerischste Ausdruck der jahrtausende alten anthropozentrischen Zivilisation. Denn diese Zivilisation ist technologische und industrielle (Produktion/Konsum) Herrschaft, ist patriarchale Abrichtung, ist soziale Schichtung und Kontrolle, ist massenweise Einsperrung in Städten, ist Ausbeutung, ist Unterdrückung, ist organisierte Gewalt und Krieg des Menschen gegen den Mensch, des Mannes gegen die Frau, des Menschen gegen die anderen Spezies, des Menschen gegen die Natur und gegen den Rest des Universums.
Abschliessend, aber sicher nicht als Letztes: diese Initiative ist auch ein komplizenhafter, solidarischer und aktiver Beitrag und Gruss an alle euch RevolutionärInnen jeder Tendenz, die ihr uns allein oder vereint und hier und jetzt mit eurer solidarischen, freien und wahren revolutionären Liebe unterstützt und gegen jeden Ausdruck des Monsters Staat und Kapital kämpft: und zwar mit euren Initiativen, mit der Kontinuität und Verstärkung des revolutionären Widerstandes, mit der revolutionären Offensive, sei es am Lichte der Sonne oder der Sterne oder des Mondes, mit allen notwendigen Mitteln.
Zusammen sind wir stark, Solidarität ist unsere beste Waffe!
7. September 2010, aus dem Knast Schweiz, Billy, Costa, Silvia und Marco
*Zur Initiative und weiter, aus dem Lager Pöschwies, Zürich
Im Juni haben wir mit der Diskussion und Organisierung dieser Initiative begonnen. Kurz danach verfügte die Bundesanwaltschaft die bekannten feigen Verschärfungen der politischen und persönlichen Kommunikationsblockade mit Silvia, Costa e Billy, in der üblichen Vernichtungs- und Isolierungslogik eines grundlegend rassistischen und faschistischen, kapitalistischen und imperialistischen Schurkenstaates der Multis, und hier erinnere ich daran, dass nur schon die Genfer Privatbanken 10% des weltweiten Privatvermögens verwalten…. Nur schon der Vorwand gegen diese Aggression auf die Integrität und Identität der drei GenossInnen ist ein schwerwiegender Akt der Diskriminierung. Genau das ist es in einem Schurkenstaat, der sich doch seiner vier amtlichen Landessprachen, darunter auch Italienisch, so sehr rühmt, und als Begründung seines Angriffes die Menge an italienischer Korrespondenz heranzieht, die ins Deutsche übersetzt werden müsse. Keinesfalls überraschend ist auch, dass irgendein Bulle der Bundes-Repression aus niedriger politischer Feindseligkeit und Repressalie willkürlich die Korrespondenz zwischen den Dreien und einer Genossin der Roten Hilfe International aus der Schweiz total blockiert, weil sie sich auch zu ihrer Unterstützung öffentlich einsetzt, und zwar in vorderster Front, praktisch und sehr wirksam.
Die Kommunikationsblockade heisst praktisch, dass, falls denn die Briefe nicht total blockiert werden, ich erst nach einem bis eineinhalb Monaten eine Antwort erhalte. So wurde die gemeinsame Diskussion und Ausarbeitung einer Erklärung mit besser artikulierten und verfassten Inhalten verhindert. Als einziger konnte ich diese Erklärung entwerfen und allen zusenden. Aber, und das erst im allerletzten Moment, konnten wir uns so gegenseitig nur das sichere Einverständnis über die grundlegenden zu vermittelnden Inhalte mitteilen und die Zeiten festlegen.
Aber eins ist sicher, und wir beweisen es jetzt erneut. Wir drinnen und ihr draussen, wir lassen uns von den kriminellen Logiken der Repressalie und der Aggression des Repressionsabschaums von Staat und Kapital weder terrorisieren noch paralysieren. Im Gegenteil, diese Logiken bewirken die Verstärkung der Mobilisierung, der Auseinandersetzung, der aktiven Teilnahme und Vereinigung auf den verschiedenen Ebenen des Kampfes. In diesem Sinne begrüsse ich das Treffen für die Befreiung der Tiere und der Erde am 10-11-12 September und Silvias Botschaft dazu herzlichst; oder die Vereinigung von kommunistischen und anarchistischen Kräften in Rom für die Initiativen der internationalen Kampagne zur Befreiung der politischen Gefangenen…; oder, wie in Mexiko, Chile, Argentinien, hier und überall begrüsse ich freudig die militanten revolutionären/aufständischen Aktionen der Solidarität und Repressalie gegen die Übergriffe der Repression, weil revolutionäre Repressalie eines der bedeutenden und notwendigen Schlachtfelder des sozialen Krieges ist. Ihre Schandtaten dürfen uns nie verwundern, aber (bis sie nicht hinweggefegt sind) desto unbestrafter sie davonkommen, desto zügelloser werden sie.
marco camenisch, Pöschwies, 7. September 2010
KOLLEKTIVER HUNGERSTREIK MIT BILLY, COSTA UND MARCO
10. – 29. SEPTEMBER 2010
Ich führe diesen kollektiven Hungerstreik zusammen mit den Genossen Luca Bernasconi, Costantino Ragusa und Marco Camenisch. Für die Dauer von zwanzig Tagen. Die Inhalte dieses Streiks werden vollständig in unserer kollektiven Erklärung ausgeführt und beschrieben.
Diese Initiative stellt eine wichtige und notwendige Kontinuität im Kampf dar, um auf dem von uns eingeschlagenen Weg trotz diesen uns einsperrenden Mauern und Gittern fortzuschreiten, und als Kontinuität der uns gemeinsamen grünanarchistischen Affinität.
Um in der revolutionären Bewegung präsent zu sein, in der Bewegung zur Befreiung der Tiere und der Erde, als im Kampf aktive Subjekte, auch wenn im Knast. Dieser Hungerstreik überwindet die starke Zensur, Verzögerung und Beschränkungen der Post von uns drei in U-Haft, reisst die Mauern der Isolation nieder und vereinigt uns mit euch allen draussen, mit allen, die gegen dieses Bestehende kämpfen.
Zur Bekräftigung der grundlegenden Kritik des anthropozentrischen Paradigmas, das von den Wurzeln dieser techno-industriellen Gesellschaft und jeglicher Ausbeutung kommt. Wurzeln, die der Entstehung der Zivilisation innewohnen, mit der Entfremdung und der Abspaltung des Mannes und der Frau vom Rest der Natur und mit der Abrichtung der Pflanzen- und Tierwelt.
Um den Kampf gegen jegliche wissenschaftlich-technologische Schädlichkeit und Entwicklung kraftvoll zu relancieren, deren Spitze die Bio- und Nanotechnologien sind. Halten wir den Vormarsch der Gentechnologie und die Zulassung der GVO in Europa auf, bevor es zu spät ist!
Gegen die Verheerung ganzer natürlicher Ökosysteme und ihrer Biodiversität, gegen jede Ausbeutung und Unterdrückung jeglicher Lebewesen und der Erde.
Gegen das gesamte Herrschaftssystem, in all seinen Äusserungen.
Kalte Metallstäbe, aneinander gedrängte Körper, Stahlhaken hängen von der Decke, Elektroschock, Pistole an der Schläfe, Haken stecken im Fleisch, aufgerissener Hals, Blut quillt hervor, ein zerstückelter Körper …
Hände greifen zu und halten die Glieder fest, Nadeln unter die Haut, Elektroden ins Hirn, weissliche Flüssigkeit in die Venen, unbeweglich gemachter Körper, aufgerissene Augen, Brennen, Schmerz, langsames Sterben … Skalpelle, die immer noch warme Körper zerschneiden, aufreissen und sezieren … Körper, nur Körper, in absoluter Verneinung jeglicher Individualität und Sensibilität. Intensivhaltung, Tierversuche … Gegen alle Käfige, für eine totale Befreiung.
Jenen bis zum Hals schlagenden Herzen, immer stärker … jenem keuchenden Atem während dem Lauf unter den Sternen … Weit weg zerreisst ein Blitz die Stille und Dunkelheit eines finsteren Himmels. Furchtlos dem Sturme entgegen, die Fäuste an die Brust gepresst, in den Augen das Leuchten der Sterne und im Herzen die Leidenschaft des Feuers des Kampfes, das nie erlöschen wird …
Silvia Guerini, Gefängnis Biel-Schweiz, September 2010
Kommuniqué von Billy zum Hungerstreik
Ein paar kurze, persönliche Überlegungen als Beitrag zur Initiative.
Es wird wohl den Ton der Wärter auf Deutsch sein oder ich weiss nicht warum, aber in meinem Kopf habe ich immer den Satz “Arbeit macht frei”; und ich denke, dass diese “schon etwas veraltete” Aussage letztendlich das Leitmotiv dieser Gesellschaft geworden ist. Den Zwang zur Arbeit, der Produktion und Profits. Dies scheint alles der Maßstab zu sein in den aktuellen Verhältnissen, den “Wert” des Einzelnen und seinem eventuellen Recht zu existieren. Was ist ein Baum im Vergleich zu einer Hochspannungsleitung? Was sind die Afrikaner im Vergleich zu Orangen, die es das ganze Jahr in den Supermärkten gibt? Was sind eine Kuh, ein Huhn oder ein Pferd im Vergleich zur Milch beim Frühstück, zu den Chicken Nuggets am Mittag oder einem Steak (aus lokaler Produktion, versteht sich wohl!) zum Abendessen?
Du hast die Berechtigung auf Rechte in dem Moment, wo du einen Job hast; nützlich für die Wirtschaft bist. Vielleicht. Du bist frei, wenn du arbeitest! Ein Dach über dem Kopf zu haben, etwas zum Essen und all die Ablenkungen, die du dir dadurch erlauben kannst indem du immer wieder konsumierst.
Wenn du jedoch dieser Logik nicht anpasst oder gar verweigerst, wehe dem, und wir wissen schon, was dann passiert: Du wirst zu einem Problem, kriminalisiert oder mit Medikamenten vollgestopft. Eben wenn du dich der Akkumulation, der Kontrolle und der kapitalistischen Herrschaft in den Weg stellst.
Noch immer plündern sie im Namen des Profits und ihrer Herrschaft die Kontinente, die Meere und Ozeane. Mit dem Ziel der Versklavung des Bestehenden, legen Sie sich ins Zeug zum auch das “Nicht-Existierende” und kaum “Wahrnehmbare” zu versklaven. Mittels Bio- und Nanotechnologie wollen sie bis ins Innerste alles Lebendigen vordringen. Dazu kommt die Manipulation von Materien und allem Lebendigem um sie “produktiver und funktioneller” in ihren Funktionen für die Wirtschaft zu gestalten.
Dort wo ihre Kriege, Kolonialismus, ihre Diktaturen oder die demokratischen PolitikerInnen (die Ordnung und Ruhe garantieren, im Namen der Wirtschaft) noch nicht angekommen sind, dort verbreiten sich die Multinationalen und ihre Forschungsexperten. Ihre fantastische, umweltfreundliche und alles “erhaltbare”, digitalisierte und “barmherzige” Welt zugunsten der reichen Länder. Gibt es doch in den “armen” Ländern noch genug menschliche und natürliche Ressourcen zu plündern.
Es ist dieses System, die Entwicklung, welche ihre tödlichen Wege nimmt, ihre Angriffe gegen das Leben. Unser Wunsch nach Freiheit, nach Selbstbestimmung kann unmöglich mit dem koexistieren, noch mit der Autorität und den Institutionen, welche dieses System verteidigen und aufrecht erhalten. Es ist vielmehr den Wunsch nach Befreiung von dieser zerstörerischen Entwicklung. Der Kapitalismus, die Regierungen und die Wirtschaft können zugunsten ihres Wachstums auf etwas zurückgreifen: Auf die Unterdrückung.
Obwohl die Bundesbehörden uns in den letzten fünf Monaten Kontrollen und Einschränkungen auf unsere Korrespondenzen auferlegten sowie in den immer zu kurzen gewährten Besuche, geht es mir nicht darum etwas von den Behörden zu fordern. Sowieso könnten sie mir nichts zu meinem Vorteil anbieten, ausser ihrer Idee von Freiheit der vielen “Wenn” und “Aber”, ihrer strengen Überwachung, ihrer Drohungen und Erpressungen.
Die Freiheit, für welche wir kämpfen, welche sie wohl kaum verstehen. Denn diese Freiheit toleriert keine ihrer Grenzen, ihre Knäste und ihre dreckigen Geschäfte. Sie akzeptiert weder ihre Ausbeutung noch die Vernichtung der Frauen und Männer, der Tiere und der Erde, für ihren Profit und Habgier.
Wenn unser Hass und unsere Wut aufwacht, die Sinne, der Hunger, der Körper, das Unbändige in uns bin ich beruhigt, dass WIR nicht nur von der Maschine beherrscht sind; und uns nicht per Knopfdruck ein- und ausschalten lassen gegenüber den Katastrophen, welche sie auf diesem Planeten anrichten. Wir verkörpern unseren Hass gegen dieses Herrschaftssystem der Vernichtung. Dem gegenüber steht unser lebendiger und aktiver Zusammenhalt für diejenigen die Drinnen und Draussen, am Tag und in der Nacht kämpfen.
Freiheit für uns alle, Freiheit für Mumia, Freiheit für Marco, Freiheit für Alfredo, Freiheit für alle Gefangenen und Unterstützung der Kampagne für die Langzeitgefangenen!
Danke für die Briefe, Postkarten, den Stimmen, den Initiativen unter der Sonne und den Sternen, welche die Herzlichkeit der Solidarität übermitteln.
Ciao Costa! Ciao Silvia!
Mit einer starken Umarmung
Thun, 21 September 2010,
Billy
Die Welt um uns herum befindet sich in rasendem Wandel. Und trotzdem nehmen wir es kaum war. Die gestern proklamierten Neuheiten sind heute schon Selbstverständlichkeit. Was gestern noch beunruhigte und Revolten provozierte, haben wir heute schon akzeptiert, verdrängt oder vergessen. Wir leben in einer ewigen Gegenwart, als wäre die Welt nie anders gewesen, als könnte sie nie anders sein. Der Plastik und Beton, die Waren und Technologien, die Industrien und Bürokomplexe sind wenige Generationen alt, doch bereits weltumspannend und kaum mehr wegzudenken. Täglich nehmen wir unsere Umwelt hin, so wie sie ist, leblos, aber – funktionierend.
Die Idee des Fortschritts, der Maschinen als Mittel zur Emanzipation, des per se Gutheissens jeder technologischen Neuerung entpuppt sich spätestens dann als Trugschluss, wenn wir die allgemeine Verarmung der menschlichen Beziehungen betrachten. Der Bezug zwischen unserer Umgebung und den Menschen, mit denen wir diese bewohnen, der Geschichte, die sie formte und letztlich uns selbst wird immer schwächer. Die technische Organisierung der Gesellschaft, die extreme Spezialisierung und Arbeitsteilung, lässt den Graben zwischen der Tätigkeit, die wir ausüben, und unserer Fähigkeit, ihre Konsequenzen zu begreifen immer grösser werden. Doch die Faktoren, die diese Entwicklungen vorantreiben, übersteigen uns nicht nur, die meisten scheinen nicht einmal Interesse daran zu hegen, deren Ursprünge und Folgen zu bedenken. Was trägt dieser “Fortschritt“ voran und welchen Überlegungen oder Anforderungen entspringt er?
Die heuchlerische “wissenschaftliche Neutralität“ stellt die Machtinteressen dahinter kaum in Frage. Es ist schwer zu übersehen, dass die Forschungen hauptsächlich dazu dienen, die Produktivität zu steigern, die Ausbeutungsverhältnisse zu rationalisieren und festigen, die dazu notwendige Kontrolle über das Leben zu vertiefen und somit in jeder Hinsicht die bestehende Ordnung zu erhalten. Als Fundament und Motor dieser Epoche sind Technologie und Wissenschaft – wohl die mächtigsten – Mittel im Dienste der Herrschaft und als solche nie neutral gewesen.
Doch wir wollen hier von einer Entwicklung sprechen, die noch eine Stufe tiefer in unsere Leben eindringt. Eine, die sich auf so kleiner Ebene abspielt, dass wir sie mit unseren eigenen Sinnen kaum mehr erfassen können. Dies drängt uns in eine Abhängigkeit von wissenschaftlichen Experten, die uns, zu einem gewissen Zeitpunkt, über Experimente und konkrete Anwendungen informieren, die bereits über unseren Köpfen entschieden wurde. In den Universitäten und Forschungszentren werden seit längerer Zeit Bio- und Nanotechnologien entwickelt, die es ermöglichen, Materie auf molekularer und atomarer Ebene zu manipulieren. Hier geht es nicht mehr um einfache, räumlich begrenzte Experimente: Sie haben sich die Welt zum Laboratorium gemacht. Die gentechnisch manipulierten Organismen, die Nanopartikel schreiben sich fortan, ebenso wie die radioaktiven Strahlungen, unwiderruflich in die Welt ein, die wir alle bewohnen. Unzählige Lebensmittel enthalten bereits derart manipulierte Stoffe. Die Befürworter dieser Technologien verkünden öffentlich ihren humanitären Gebrauch – in der Medizin, der Nahrungsproduktion, der allgemeinen “Verbesserung“ unserer Lebensweise.
Doch die wirklichen Interessen der Machthaber liegen wo anders . Wie die meisten technologischen Systeme, wurden auch die Nano- und Biotechnologien zu einem Grossteil im Rahmen militärischer Studien entwickelt. Ihr Potenzial, in jeden Bereich des Alltags einzudringen und so die soziale Kontrolle erheblich auszuweiten, wird schnell offensichtlich. Es existieren bereits intelligente Mikrochips in unsichtbarer Grösse (RFID), die auf jedem beliebigen Produkt platziert werden können, um seiner Bewegung zu folgen. Derart manipuliertes Saatgut, dass es jährlich neu gekauft werden muss, ist heute schon handelsüblich. Staubkorngrosse Nano-Maschinen, die zu Überwachungszwecken gebraucht werden können oder Chip-Implantate mit persönlichen Informationen (wie der “Veri-Chip“ der Firma ADS), werden in Zukunft wahrscheinlich Verbreitung finden.
Wir wollen hier nicht eine weitere Liste der von dieser Gesellschaft produzierten Schrecken erstellen. Könnten diese noch aufrütteln, müssten tausend Herde der Revolte entstehen. Nein, denn „von allen Leidenschaften ist Angst diejenige, die die Menschen am wenigsten dazu drängt, das Gesetz zu übertreten“ [Hobbes]. Trotz der erdrückenden Präsenz der herrschenden Ordnung müssen wir zunächst lernen, wieder zu träumen – von einem Leben ohne Leistungsdruck und Kontrollwahn, von einer ganz anderen Welt, in der wir uns weder von Menschen noch von Maschinen unterordnen lassen. Wir müssen lernen, unsere Träume in die Wirklichkeit zu tragen, mit all den Kämpfen, die dies impliziert…
Mit den Machthabern, die diese Technologien fördern und denen sie zu Nutzen kommen, in Dialog zu treten, ist Zeit- und Energieverschwendung. In einem solchen Dialog werden sie immer gewinnen. Schliesslich stehen hinter diesen Entwicklungen nicht bloss die Phantasmen einiger Wissenschaftler und Technokraten, es ist die diesem ganzen Systam zugrundeliegende Logik, die in diese Richtung drängt. In seinem Expansionsdrang verschlingt der Kapitalismus jeden Bereich der Existenz, der noch vermarktet werden kann. Nachdem schon längst der ganze Planet unter seiner Herrschaft steht, versucht er diese nun zu vertiefen – und zwar bis ins kleinste Detail. Je Komplexer das System ist, desto gefährlicher sind die Störungen. Dies ruft nach einer möglichst umfassenden Kontrolle des Lebenden – dem eigentlichen Faktor der Unberechenbarkeit.
Diese Logik ist allen unter der Herrschaft des Kapitalismus entwickelten Technologien innewohnend. Solange wir nicht die Fähigkeit besitzen – in der Verweigerung jeglicher Form von Herrschaft und aus sozialen und ethischen Überlegungen – zu entscheiden, welche technischen Entwicklungen die Freiheit begünstigen und welche unterwerfen, und daher vernichtet gehören, ist es absurd, über ihren “guten“ oder “schlechten“ Gebrauch zu debattieren. Die vermeintliche technische Effizienz kann nur noch dank einer Spezialisierung erreicht werden, die die Diskussion über deren Konsequenzen von den Betroffenen trennt und auf eine rein wissenschaftliche Ebene verbannt. Daher denken wir, dass es notwendig ist, einige Schritte zurück zu setzen und diese Entwicklungen als das zu erkennen, was sie sind: Ein Angriff auf jegliche Fähigkeit zur Selbstbestimmung unserer Leben. Wer mit diesem Wandel der Welt nicht einverstanden ist, dem bleibt nunmehr kein Rückzugsort. Unsere Ablehnung kann nur in einen Kampf münden, der auf die Zerstörung dieser Technologien abzielt, das heisst, auf die Umwälzung der ganzen sozialen Ordnung, die solche Monströsitäten produziert.
einige Anarchisten
Mit diesem Flyer wollen wir auch unsere Solidarität mit dem Hungerstreik von Billy, Silvia, Costa und Marco ausdrücken, den sie vom 10. September an 20 Tage lang führen. Erstere drei wurden am 15. April 2010 in Langnau am Albis (Zürich) verhaftet, da sie angeblich vorhatten, das züricher Forschungszentrum der IBM anzugreifen. Seitdem sitzen sie verteilt in drei schweizer Gefängnissen. Marco Camenisch wird schon seit bald 20 Jahren aufgrund von Sabotageakten im Kampf gegen Atomkraftwerke gefangengehalten.