Aufruf zur Solidarität mit dem antifaschistischen Kampf in Griechenland
Die Ereignisse überschlagen sich in diesen Tagen in Griechenland. Während die Übergriffe auf MigrantInnen, deren Wohnhäuser und Läden durch Faschisten weiter gehen, zeigte sich die letzten Wochen und Monate immer wieder antifaschistischer Widerstand in Form von Demonstrationen, Flugblattaktionen und direkten Antworten. Vergangene Woche zeigte die Staatsmacht wieder einmal, auf wessen Seite sie steht.
Nachdem in Volos (am 29.9.) ein Abgeordneter der faschistischen Partei Chrissi Avgi (Goldene Morgendämmerung) während einer Kundgebung am Wochenende vor den Augen der Polizei eine Waffe gegenüber protestierenden AntifaschistInnen zog, wollte man auf der Wache „aus Zeitgründen“ die Anzeige von Augenzeugen nicht aufnehmen.
Am selben Wochenende fand in Athen eine antifaschistische Motorraddemo statt (30.9), um die Öffentlichkeit über die andauernden Übergriffe und die unerträglichen Zustände für MigrantInnen, verschärft durch die staatliche Aktion „Xenios Zeus“, zu informieren, und um Präsenz in den Straßen Athens zu zeigen.
Nachdem diese auf einige Nazis traf, begannen Polizeieinheiten der Delta, die die Demo zuvor beobachtet hatten, die AntifaschistInnen zu attackieren, wobei einige zum Teil schwer verletzt wurden. 15 DemonstrantInnen wurden festgenommen. Eine Solidaritätsdemonstration zum Gericht, in die man die Gefangenen gebracht hatte, am darauffolgenden Tag, wurde ebenfalls angegriffen. 25 AntifaschistInnen wurden daraufhin in Gewahrsam genommen, 4 blieben bis Freitagmittag in Haft und wurden dann entlassen. Die 19 Inhaftierten berichteten von menschenunwürdigen Bedingungen und Übergriffen in Haft. Sie trafen auf Andere, die dort seit 3 Monaten „vergessen“ werden. Die Kosten für jede Verhaftung dieser Art sind hoch: Nur für die Vorführung beim Haftrichter mussten innerhalb von 4 Tagen rund 15.000 Euro bezahlt werden. Am Freitag 5.10 wurden die letzten 15 Verhafteten frei auf Kaution (3.000 Euro) frei gelassen.
Neben der Verschärfung der Situation durch Nazis und Polizei zeigte die Regierung im Anschluss an die Verhaftungen wieder einmal, auf wessen Seite sie steht. So lies die Pressestelle des Innenministeriums (auf eine Stellungnahme des „linken“ Parteienbündnisses Syriza) hin verlauten, man werde weitere Maßnahmen veranlassen, um Recht und Ordnung durchzusetzen. Darüber hinaus warf man Linke in einen Topf mit den Faschisten und erklärte, man werde solch antidemokratischen Tendenzen eindämmen. In der Realität wird gemeinsame Sache mit den Nazis gemacht: Während diese sich mit offensichtlichen Straftaten in den Medien brüsten und ungeschoren davon kommen, werden Linke mit Repression überzogen. Gleichzeitig läuft weiterhin die rassistische, staatliche Polizeiaktion „Xenios Zeus“, bei der in den letzten 2 Monaten rund 27.500 NichtgriechInnen in Gewahrsam genommen und rund 2600 verhaftet wurden, weil sie nicht die nötigen Papiere vorweisen konnten. Alles weist darauf hin, dass sich die Situation für MigrantInnen und AntifaschistInnen und alle, die unter die rassistische und faschistische Ideologie fallen, weiterhin verschärfen wird. Das Zusammenspiel zwischen Polizei und Neonazis mit Rückendeckung durch die Regierung und die Durchsetzung rassistischer Abschiebegesetze sind alarmierend und müssen als präfaschistische Zeichen gewertet werden.
Es herrscht ein unerträglicher Ausnahmezustand in Griechenland für alle Kräfte, die sich dem widersetzen. Dabei ist es den übrigen europäischen Regierungen sicherlich egal, wer in Griechenland regiert – solange die Ordnung durch zehntausende Polizisten aufrechterhalten wird, die einen reibungslosen Ablauf monetärer Geschäfte garantieren. Der stetige Abwehrkampf und die Antirepressionsarbeit binden immer wieder Kapazitäten. Zudem können Geldbeträge für Verfahren in der aktuellen finanziellen Lage kaum noch aufgebracht werden.
Solidarität mit dem antifaschistischen Kampf in Griechenland!
United we stand!
Antifas, AnarchistInnen und Antiautoritäre im Oktober 2012
Spenden für die Bewegung und die Inhaftierten über ABC Berlin an:
SSB e.V.
Kto.: 6603098570
BLZ: 100 500 00
IBAN: DE40 1005 0000 6603 0985 70
Stichwort: „KNASTSOLIDARITÄT“ antifa greece
Brief der 15 gefangenen AntifaschistInnen
Heute erklärte der Staat den Bürgerkrieg. Diejenigen, die nicht durch die Messer der Faschisten getötet wurden, kommen durch juristische Entscheidungen der Junta ins Gefängnis.
Wir rufen Kämpfende und alle, für die WÜRDE, SOLIDARITÄT, GLEICHHEIT und FREIHEIT nicht bloß leere Worte sind, sondern eine Lebenshaltung, dazu auf, den historischen Moment in dem wir leben zu begreifen und dementsprechend zu handeln.
IDEEN können weder unterdrückt noch eingekerkert werden
Die 15 verhafteten antifaschistischen Frauen und Männer”
1. Bericht der gefangenen AntifaschistInnen der Motorraddemo 30.9.2012
Alle 19 Geiseln in den Polizeipräsidien meldeten sich am Mittwoch, 3. Oktober, mit ihrem ersten eigenen Bericht: Ein paar Worte aus den Arrestzellen der 7. Etage des Polizeihauptpräsidiums Athen
Obwohl es schon drei Tage her ist seit unserer Festnahme während der antifaschistischen Motorraddemo am 30. September, auf der wir auch Flugblätter verteilten, halten wir es für gut, auch jetzt noch ein paar Dinge klarzustellen.
Nach einem manifesten Aufruf fand am Sonntag, den 30. September eine Motorraddemo mit Flugblattverteilaktion statt, die von Exarchia aus startete. Diese Demonstration erfolgte als Antwort auf faschistische Pogrome und Angriffe auf Migranten in verschiedenen Stadtteilen Athens durch faschistische Banden, die sich als „Komitees der Anwohner und Ladeninhaber“ ausgeben und unterstützt durch offizielle staatliche Banden agieren. Wir haben hier kein Interesse an der Analyse oder Erklärung der gegebenen und banalen Beziehung zwischen Goldener Morgendämmerung/Chrisi Avgi und der griechischen Polizei. Direkt nachdem die Patrouille von Chrisi-Avgi-Faschisten (-Bürgern) attackiert worden war, folgte ein Angriff von Bullen der DELTA-Polizeieinheit auf Motorrädern, die dem Ende der Demo folgten, aber auch zugleich in Parallelstraßen nebenher fuhren. 15 der antifaschistischen Kämpferinnen und Kämpfer wurden gefangen und an Armen und Beinen und am Kopf verletzt. Bullen benutzten auch Taser-Elektroschockwaffen. Wir wurden auf die 6. Etage des Athener Polizeipräsidiums gebracht, vor der Verfassungsschutzbehörde, wo wir die Nacht weiterhin verprügelt, bedroht, an den Haaren gezogen und mit Zigaretten verbrannt wurden, von DELTA-Teams, die, während sie uns bewachten, Fotos von uns für ihr privates Fotoalbum machten. Drohungen wie „Jetzt wissen wir, wer du bist, wir werden dich verbrennen wie deine Großeltern im Bürgerkrieg“ sind bezeichnend für den Terrorismus, den uns die idiotischen Prätoren der DELTA-Teams zuzufügen versuchten. Zugleich durften wir während 19 Stunden am Stück weder mit Anwälten noch mit Ärzten Kontakt aufnehmen. Am nächsten Tag, nachdem sie diese Transfer-Show abzogen, um unsere verdächtigen Profile aufzunehmen, brachten sie uns schließlich zu den Gerichtsgebäuden auf dem Gelände der ehemaligen Evelpidon-Militärschule.
Während wir noch im Gericht waren, griffen Anti-Riot-Bulleneinheiten die solidarisch davor Versammelten an und verprügelten viele von ihnen übel. Insgesamt 25 Leute wurden festgenommen, 4 von ihnen bekamen Anklagen. Sie wurden zum 6. Stock des Polizeipräsidiums gebracht und von dem Moment ihrer Festnahme an wandten die Bullen dieselbe Taktik der Einschüchterung an, darunter auch demütigende körperlicher Durchsuchungen. Nach einer noch nie dagewesenen rachsüchtigen Entscheidung wurde die vorläufige Festnahme der vier Gefangenen um drei Tage (bis Freitag) und die vorläufige Festnahme der 15 zuerst Gefangenen bis Donnerstag verlängert.
Sie brachten uns in die Haftzellen des 7. Stocks des Polizeihauptquartiers, in eine überfüllte Abteilung, die für 30 Personen vorgesehen ist und wo gegenwärtig 80 Menschen in unvorstellbar elenden Umständen „leben“, als Versuch, unsere „Nerven zu zerrütten“. Jedoch begegneten wir dort einem wahrhaft außergewöhnlichen Gefühl von Solidarität von Leuten, die bis zu drei Monaten an diesem Ort „vergessen“ wurden.
Inmitten der „ökonomischen Krise“ werden mehr und mehr Menschen in Armut und Elend getrieben, sozialer Kannibalismus wird als Tugend belohnt, Faschismus erhebt seine Fratze in unseren Regionen und Bezirken, die staatliche Offensive wird auf allen Ebenen intensiviert. Inmitten dieser Zeit können Optionen der Selbstorganisation, Solidarität, Kameradschaft und direkter Aktion nicht nur der Angst wirkungsvoll begegnen, die sie versuchen über unser Leben zu verhängen, sondern sind eine Perspektive einer anderen sozialen Organisation.
Wir müssen tiefgehend begreifen, worum es bei Faschismus wirklich geht. Faschismus wird nicht einfach von selbst aussterben, wir müssen ihn zerstören.
Gefangenen des 30.9. und 1.10. (Einige von uns stolze Nachkommen anarcho-kommunistischer Brigaden/Bandistas)
2 Responses
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