Aufständischer Anarchismus – Alfredo Bonanno
erschienen in Direkte Aktion 206 – Juli / August 2011
Alfredo Maria Bonanno, geboren 1937, ist ein Anarchist aus Italien, welcher mit seinen Schriften einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Idee des „Aufständischen Anarchismus“ hatte. Der „Aufständische Anarchismus“, der nicht als Ideologie zu verstehen ist, sondern als eine Methode, zielt auf die Zerstörung der bestehenden Verhältnisse, jener Machtstruktur, „die wir modernen Kapitalismus, post-industriellen Kapitalismus nennen“, und erstrebt die Befreiung der Individuen von der Ohnmacht, den Vorschriften, den geistigen Gefängnissen und Hierarchien.
Für Bonanno stellt der Anarchismus kein feststehendes Konzept dar, sondern er begreift ihn in der Form, dass die Individuen, die sich als AnarchistInnen bezeichnen, sich selbst und ihre Leben und die Kämpfe, die sie führen, ständig hinterfragen. Außerdem sollte es nicht zu einer Trennung von Theorie und Aktion kommen, da beide eng miteinander verknüpft sind und sich permanent aufeinander beziehen. Die Individuen, die sich aufgrund ihrer Ideen des Aufstands und ihres gemeinsamen Kampfes zur Befreiung zusammenfinden, sind durch ihre Affinität zueinander miteinander verbunden und sammeln sich in kleinen selbstorganisierten Gruppen – den Affinitätsgruppen. Die Gruppen selber sind in informellen Organisationen koordiniert, in diesen gibt es weder festgelegte Programme, noch eine Beschränkung der Kampfmittel. Sie sind durch ein „aufständisches Projekt“ miteinander verbunden, welches aus einer andauernden Auseinandersetzung mit jeglichen Erscheinungen der Macht resultiert. Dieses Projekt wird durch ständige Diskussionen und ein Zusammenwachsen aller Beteiligten entwickelt. Gekämpft wird mit all denjenigen, die ein reelles Interesse an der Zerstörung der Machtverhältnisse entwickelt haben, und zwar durch Basiszellen, das heißt in informellen Strukturen, wo AnarchistInnen und Nicht-AnarchistInnen temporär zusammen gegen ein festgelegtes Ziel kämpfen, um am Ende dessen wieder auseinanderzugehen, um andere Kämpfe zu erforschen.
Es darf keine Kompromisse oder Abmachungen mit der Macht geben, da diese immer nur darauf abzielen, die soziale Revolution zu schwächen und zu zerschlagen: „Unter Aufstandspraxis verstehen wir eine revolutionäre Aktivität, die anstatt abzuwarten oder den Angriffen der Herrschenden einfach Widerstand entgegenzusetzen, im Sinn hat, die Kampfinitiative zu übernehmen. Die InsurrektionalistInnen sind also mit allen quantitativ ausgerichteten Praxen des typischen Abwartens nicht einverstanden, das heißt mit organisatorischen Projekten, welche vorhaben, den Eingriff in die Kämpfe abzuwarten bis ein quantitatives Wachstum stattgefunden hat, und sich unterdessen auf Propaganda und Gewinnung von AnhängerInnen beschränkt, oder auch auf eine sowohl sterile als auch harmlose Gegeninformation…“
Bonanno kritisiert Parteien und Gewerkschaften als „Strukturen zur Kontrolle und Festsetzung, mobilisiert zur sozialen und politischen Bewachung der proletarischen Kraft“. Selbst linke Parteien und Gewerkschaften, entstanden als „Mittel zur proletarischen Emanzipation“, werden zu aktiven KollaborateurInnen des herrschenden Systems, da sie sich die Kämpfe des Proletariats aneignen und durch ein Hoffen auf Zugeständnisse und Kompromisse von Seiten der Herrschenden die radikalen sozialen Kämpfe ersticken und zu vereinnahmen versuchen.
Anarchist Black Cross Berlin