Aus Briefen von Werner Braeuner

Der anarchistische Gefangene Werner Braeuner befindet sich seit dem 8. Mai 2011 im Hungerstreik in der JVA SehndeWerner Braeuner befindet sich mittlerweile am 40. Tag im Hungerstreik. Wir übernehmen hier einige seiner Briefe, die auch schon auf der Webseite des Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen veröffentlicht wurden.

Brief von Werner Braeuner vom 13.06.2011
334. Tag Arbeitsverweigerung; 37. Tag Hungerstreik

HS-Berichtsbrief #4

A.S.: Knastkampf ohne Unterstützung von draußen ist wie ein Schwanz, der mit dem Hund wedeln wollte.

Einen revolutionären Gruß aus dem Knast, aus dem innersten Heiligtum von Staat, Sozialdemokratie/Lohnarbeit und Kapital an die kämpfende Soligruppe in Berlin

Salut, GenossInnen!
Salut, Euch allen im Klassenkampf!

Am 10.6., Freitag, war Vorstellung beim Arzt. Gewicht: 69,4kg;
Blutdruck, Puls in Ordnung; Urin-Schnelltest unauffällig, allerdings erstmals erhöhter Keraton-Wert. Keine Blutentnahme am Mittwoch, 8.6.

Von Freitag, 3.6., bis zum Freitag, 10.6., betrug die Gewichtsabnahme lediglich 300gr.! Laut Dr. Windelbroth zeigt dies in Verbindung mit dem erhöhten Keraton-Wertdes Aufgebrauchtsein der Fettreserven des Körpers an; Keraton bildet sich mit Beginn des Abbaus der im Muskelgewebe gespeicherten Zuckerreserven des Körpers. Mit diesem Abbau sinkt der Energieumsatz fühlbar, und tatsächlich hat sich etwa mit der vergangenen Woche eine größere Mattigkeit eingestellt. Nach 1 Stunde verhaltener Aktivität benötige ich 2-3 Stunden völlige Ruhe. Mitgefangene mit HS-Erfahrung berichten, diese Phase des Zuckerabbaus dauere nur kurze Zeit, vielleicht 1-2 Wochen, danach würde es mir sehr schlecht gehen. Laut Dr. Windelbroth wird nach Beendigung des Zuckerabbaus Abbau von Muskelgewebe beginnen. Doch muß jener Abbau bereits begonnen haben, wie sich an meinem Körper eindeutig erkennen läßt. Abbau von Muskelgewebe produziert giftige Stoffwechsel-Substanzen (Niere belastet!) und kann, da das Herz Muskel ist, dieses schädigen *

* T3 und T4, die noch vom Blutbild ausstehend gewesenen Werte zur Schädeldrüsenaktivität, liegen im unteren Normbereich.

So weit mein laienhafter medizinischer Bericht. Meine Kampfmoral ist unverändert gut, ich bin weiterhin in guter psychischer Verfassung, koche begeistert für Mitgefangene (heute Abend Pizza!) und “esse” dabei mit Nase und Augen. Allerdings ist der Kreislauf wackelig, muß alles mit großer Ruhe tun. Falls das Ministerium in Verhandlungen treten will, so rückt der Zeitpunkt nun also nahe. RA Dündar Kelloglu aus Hannover hat sich bereit erklärt, mich in eventuellen Verhandlungen zu vertreten. Ebenfalls Dr. Windelbroth als unabhängiger Mediator.

Verhandlungsgegenstand sind die Mittel für Selbstbeköstigung UND eine weitere Angelegenheit, die ich Euch erstmals nun bekannt geben möchte und die ich Euch bitte, ebenfalls solidarisch zu unterstützen. Als KlassenkämpferInnen und solidarische Menschen werdet Ihr das sicherlich gern tun:
Im weiteren Verlauf des Vollzugs von Strafe möchten mein Mitgefangener Dirk und ich nicht getrennt werden. Von meiner Seite aus ist dies unabdingbar, da es mir unmöglich ist, einen hilflosen Kampfgefährten schutzlos auf dem Gefechtsfeld strafvollzuglicher scharfer Repression zurückzulassen. Wie die Forderung nach Selbstbeköstigung steht auch die nun weitere Forderung unter der Überschrift “Solidarität im Klassenkampf”. Deshalb sind beide Forderungen untrennbar:
sine qua non!

Sollte das Ministerium hier einwilligen und sich später eines anderen besinnen, werde ich den unbefristeten Hungerstreik sofort wieder aufnehmen. Es sei denn, Dirk würde erklären, daß ihm eine Trennung keine unannehmbaren Härten verursachen würde. Dies ist mit Dirk abgesprochen. Er ist durch Schlaganfall vor 10 Jahren halbseitig gelähmt und Diabetiker, Von der JVA Sehnde erhält er nicht nur keine – und ihm von Dr. Windelbroth ärztlich verordnete! Behandlung der Schlaganfallfolgen. er wird zudem mit Repression überzogen, indem die Anstalt ihm eine Zahlungsvereinbarung für noch ausstehende Haftkosten verweigert, welche Vereinbarung ihm erlauben könnte, am Gefangeneneinkauf beim Knastkaufmann teilzunehmen- und dies für die nächsten 5 (!) Monate. Durch die halbseitige Lähmung (80% Behinderungsgrad, weitgehende Unfähigkeit zur Verrichtung von Alltagsstägigkeiten) braucht Dirk Hilfestellung bei Raum- und Körperpflege sowie unzählige sonstige kleinere Assistenzen, die ihm anstaltsseitig nicht ausreichend oder garnicht gewährt werden können und von mir übernommen werden. Dirk ist Rebell, einer von uns.
Als letztes etwas, das gleichfalls anzusprechen ist. Die GenossInnen des (Gefangenen Info) sind sehr solidarisch und haben in der Ausgabe 362, juni 2011, auf der Seite 16 aus drei Briefen von mir an GenossInnen zitiert. Im dort 2. Brief, in den Absätzen 1 bis 3 sowie im 3. Brief, 4. Absatz, finden sich leider einige verständniserschwerende oder sinnentstellende Übertragungsfehler ausgerechnet in politisch und juristisch hoch relevanten Textpassagen. Daher hier für Euch mit Bitte um Veröffentlichung die berichtigten Absätze:

2. Brief, Absatz 1 bis 3: “Meine tat vom 6.2.2001 wird immer fälschlich als “Verzweiflungstat” bezeichnet. Ich möchte dazu hier noch einmal klar Stellung beziehen: Verzweiflung liegt vor, wenn es keine reale Handlungsalternative mehr gibt, eine solche Alternative war jedoch vorhanden: Unterwerfung unter das Zwangsarbeitsregime des Verdener Sozialamts, oder kürzer: willfähig untertan sein…
Immerhin mußte ich das Ziel zuvor auskundschaften, die Örtlichkeiten erkunden und eine Waffe zum Kampfort mitbringen. Anders als dem Gericht wegen der angedrohten Psychiatriefolter fälschlich vorgetragen, hat es am 6.2.2001 keinen Wortwechsel oder Streit mit Klaus Herzberg vor dessen Haus gegeben, ich habe diesen mit dem Vorsatz aufgesucht, ihn in die Hölle zu schicken- ein Attentat also! Ich ging davon aus, vom Gericht ein Lebenslänglich zu erhalten, doch wurde ich gezwungen, die Lügengeschichte von einer “Verzweiflungstat” vorzutragen)

3. Brief, Absatz 4: “…; die Verwandtschaftsbeziehung meines damaligen Verteidigers Brennecke zum SPD-MdB Stüncker; Verhinderung eines politischen Verfahrens durch die Nötigung, eine Totschlagsversion vorzutragen).”
(Der Redakton des “Gefangenen Info” übermittle ich die Korrekturen zugleich mit dieser Post.)
Ich danke Euch von der soligruppe, allen UnterstützerInnen und SolibriefeschreiberInnen. Ohne Euch gäbe es diesen Kampf nicht!
Solidarität ist eine Waffe! RevolutionärInnen schließen ihre Freundschaften im Kampf. Knastkampf ist Klassenkampf.

Ex nihilo plentitudines Werner

P.S.: Hat irgendwer irgendwann SozialdemokratInnen beim Klassenkampf ertappt??? (Lohnkampf ist nicht Klassenkampf!!!)
P.S. Bitte veröffentlicht diesen HS-Berichtsbrief!!!


Brief von Werner Braeuner vom 09.06.2011
330.Tag Arbeitsverweigerung; 33.Tag Hungerstreik

Sehnde, 9.6.11

Grüße Dich, …

hab Dank für Post am 6.6., die anderntags hier war, ich hoffe, Dir geht’s gut.
Ja, Briefe anderer, unbekannter Menschen abzutippen, ist ein harter Job.
Was mich betrifft, kann ich meine Schrift natürlich gut lesen… 🙂

Hoffe, Du auch.

Ja, ein bißchen Durchblick hab ich über die Szene/Strömungen draußen; vor Festnahme im Febr.2001 war ich 3 Jahre in der Szene unterwegs, ausgehend von dem schön bunten Haufen, der sich unter dem Sammelbegriff >Erwerbslosenbewegung< tummelte. Außerdem habe ich über die Knastjahre hinweg die Debatten und Diskurse draußen durch Presse und informierte Kontakte verfolgt sowie unterschiedlichste linke Publikationen von draußen reingeschickt bekommen, darunter auch viel sehr Hochwertiges an weiterführender oder vertiefender Literatur. Sein ist dauerndes Werden in einem Kollektiv revolutionärer Menschen. Wer denkt, er müsse sich auf eine Zeitreise in die Vergangenheit einstellen oder einen Besuch auf ‘ner einsamen Insel vornehmen, wenn er mich kontaktiert, könnte sich tatsächlich wundern … 🙂 Als natural born rebel – im Alter von 4 entschloß ich mich erstmals bewusst, Staat, Sozialdemokratie und Kapital gnadenlos zu bekämpfen – war der Kopp während der Knastzeit ohnehin meistens draußen, Knast ist Wasserglas, Draußen ist Ozean. Stürme in Ozeanen sind meistens interessanter als die in Wassergläsern…

Ich bin 56, meine Orthographie stammt aus den 60igern des vorigen Jahrhunderts, ärgere Dich bitte nicht; wundere dich bloß, bitte. Etwaige Rechtschreibfehler Deinerseits werde ich gelassen hinnehmen. Wahrscheinlich wirst Du’ne Menge zu tun und um die Ohren haben, drum bin ich es, der sich bei Dir zu entschuldigen hätte, nicht umgekehrt. Herzlichen Dank also für deine großartige Unterstützung, …!

„Revolutionär-erwerbslos-arbeitende-autonom-anarcho-kommunistische-syndikalistische-antifa-….” ein großartiges Adjektiv! Ich ziehe meinen Hut vor dieser treffenden und genialen Wortschöpfung, bis ans Ende Deines Briefs standen meine Mundwinkel in unmittelbarer Nähe der Ohren! Respekt! Vor der Wortschöpfung und vor dem Kollektiv, das sich unter einem solchen Adjektiv subsumiert finden kann. Ich finde mich bei der Soligruppe gut aufgehoben. Einen Gruß, bitte, an alle und jedeN einzelneN!

Dein geäußertes Verständnis zu Eurer Soliarbeit „für mich” ist m.E. Das einzig richtige und akzeptable, ich fühle mich wohl und frei dabei. „Geben und Nehmen” nicht bürgerlich als Tausch, sondern kollektiv als Waffenbruderschaft im revolutionären Kampf. Zwangsveranstaltungen sind Scheiße! „Freiheit” ist im bürgerlichen Munde nur ein Wort… . Denn laßt uns also kämpfen, Schwestern und Brüder, der Vorteil des Angriffs ist auf unserer Seite, versetzen wir den Feind in Angst, geben wir ihm, was er so dringend braucht, um seine zwangsdressierte Psyche am Funktionieren zu halten. Dann wird er sich ergeben. Größer als die Angst vor uns, ist seine Angst, ohne Angst dazustehen, ohne Feind. Lieber stirbt er, lieber gibt er auf. Der >Todestrieb< (Jaques Mesrine) ist die entscheidende Schwachstelle der bürgerlichen Psyche, jener Trieb macht den übermächtig scheinenden Feind schwach und besiegbar. Als Jaques Ende Oktober/Anfang November 79 an der Porte de Clignantcourt erschossen wurde, hat er den endgültigen Sieg davongetragen: Die Angst seines Feindes stand nackt und bloß vor aller Augen! Als das Maschinengewehrfeuer endete, hat er endgültig verloren. Er hat bereits aufgegeben, da wartet eine reife Frucht, geerntet zu werden. Ohne Feind kann der Bürger nicht. Wir haben VIEL Zeit. Der Kampf kann mit großer Gelassenheit geführt werden. Ich bin Revolutionär, keine Memme. Sorgt euch nicht um mich. Die einzige Angst, von der zu reden ist, ist die unseres Feindes. Erfreuen wir uns an ihr, sie ist Stoff für spätere Geschichten an Lagerfeuern. Was ist der revolutionäre Kampf? Ein Vernichtungsfeldzug? Nein, sondern eine Therapiemaßnahme, die aus Untertanen Freie, aus Bürgern und sonstigen dressierten Lohnarbeitsäffchen würdevolle Geschöpfe macht; kurz gesagt, macht der revolutionäre Kampf aus Staatlingen, Lohnlingen und Profitlingen Menschen.

Ja, es kommt Soli-Post an. Ob vollständig, kann nicht gewußt werden, schließlich haben da die Staatlinge ihre Flossen drauf. Soll nicht unsere Sorge sein, psychologische Kriegführung funktioniert nur bei Paranoikern.

Brief 3 an die Soligruppe ist lang geworden, hoffentlich aber nicht langweilig. Ich weiß, Du hast leise geflucht… . Es tut mir leid.

Ein Hoch auf die revolutionären Fraktionen des weltweiten Proletariats und auf jene, die sich diesen Fraktionen in den anstehenden Kämpfen noch anschließen werden!

Leider hab ich nur einen französischen Text des Alten Testaments zur Hand. Aus Juges 7,5: Ceux qui laperont l´eau avec la langue comme le font les chiens, tu les sépareras de ceux qui s´agenouilleront pour boire.*

*abgesehen vom monotheistisch-religiösen Gehalt des Texts ein wunderschönes Bild! (Ich bin „Heide”.)

Vivent les loups!

Werner [Pfeil und Bogen] Ex nihilio plentitudines

P.S.:

P.S.1: Unter der URL findet sich der Text >Intervention und Kommentar von Werner Braeuner zu den Gründen für die Tötung eines Arbeitsamtsdirektors im Februar 2001 sowie zu den Hintergründen seines strafrechtlichen Verfahrens vor dem Landgericht Verden/Aller im August 2001<. Jener Text behandelt ausführlicher, und ergänzt, das im Interview mit www.radioflora.de am 7.6.2011 berichtete.

P.S.2: Aus Medienberichten nach der niedersächsischen Landtagswahl im Zusammenhang des Revirements von Kultus- und Justizministerium, deren Minister zum jeweils anderen Ressort wechselten, läßt sich als Scharfmacher der Repression im Strafvollzug des Landes der Staatssekretär Juergen Oehlschläger (so oder ähnlich geschrieben) vermuten. Der dann neue Justizminister Bernd Busemann (CDU) erwog damals, sich von Oehlschläger zu trennen, hat ihn allerding beibehalten.

Interessant wäre, über die politischen, wirtschaftlichen, verbändischen oder sonstigen organisatorischen Verbindungen und Zugehörigkeiten sowie über den persönlichen ökonomischen Hintergrund jenes Manns mehr zu erfahren, vor allem in Hinblick auf Beratungs- oder Bauunternehmen aus dem Geschäftsbereich Private Public Partnership bzw. Errichtung und/ oder Betrieb (teil)privatisierter Haftanstalten. Das Land Niedersachsen steht in der Planung eines solchen Projekts in oder um Bremervörde.

P.S.1, 9.6., nach heutigem Posterhalt um 17 Uhr: Hab Dank für Deinem Brief vom 8.6.; der TB ist ein Flugzeugträger der Nimitz-Klasse wert, ja, er ist voll i.O., finde ich auch. Schön, was Du da alles berichtest, der Angriff läuft und beginnt, sich zu entfalten. Ebenfalls um 17 Uhr, nach Fertigstellung meines Briefes hier, kam die Postkarte 2 (Mumia); die Nr.1 ist noch nicht angekommen. Ja, Mumia ist ein Bruder! Ja, schön, daß du ihm schreibst, hab ich auch bereits einmal. Bitte grüße ihn und sende ihm die besten Wünsche von mir! Für das Leben und die Freiheit von Mumia-Abu-Jamal! Und gegen die (rassistische) Vorverurteilung von Christy Schwundeck durch StA, Verbandsvertreter und Medien/ Gerechtigkeit für Christy! Wer auf sein Recht verzichtet, verzichtet auf sein Menschsein, und wer auf das Recht nur eines einzigen Menschen verzichtet, verzichtet auf das der Menschheit aufs Menschsein.

[Brief ENDE]


Brief von Werner Braeuner vom 06. Juni 2011
326. Tag Arbeitsverweigerung – 29. Tag Hungerstreik

Lieber,

mir geht es gut, und ich bestätige den Erhalt der Post.

Zusammen mit dieser Post geht morgen früh die von Dir mitgeschickte Postkarte der tschechischen KP raus, an die Redaktion der „jungen Welt“, um mich für den solidarischen Beitrag am 5. 6. auf Seite 5, „Anstaltsleitung kompromisslos“ bei den GenossInnen zu bedanken; ich habe mich sehr über die Unterstützung gefreut. Auch den Mitgefangenen macht ein solcher Beitrag viel Mut! Denn die Knastrepression hat sich plötzlich verschärft, wie Dir… sicherlich bereits berichtet hat: neue und üble Einschlusszeiten für „Nichtarbeiter“ (siehe dazu auch meinen Brief 3 an die Berliner Soligruppe, der ebenfalls morgen früh zusammen mit diesem Brief rausgeht)….

Gesundheitsbericht

Am Freitag, 3. 6., Blutdruck und Urinschnelltest unauffällig, Gewicht 69,7 kg (anfänglich 83 kg). Die Abnehmgeschwindigkeit ist in der vergangen Woche überraschend angestiegen auf 2,5 kg/Woche, Vorwoche sind es lediglich 2,1 kg gewesen, Dr. Windelboth war am Freitag nicht anwesend, der Sani kündigte an, den vergangenen Mittwoch ohne Angabe von Gründen ausgefallenen Bluttest am kommenden Mittwoch nachzuholen, meine psychische Verfassung ist weiterhin ungetrübt – Kampf gibt Flügel!

Sehr gut finde ich die Solikundgebung (in Berlin) vor der Arge in Neukölln, die von der „jungen Welt“ angekündigt worden ist. Bitte sende den GenossInnnen meine kämpferischen Grüße! Gegen Staat und Repression, gegen das Dressieren von Menschen zu Lohnarbeitsäffchen durch Schule und repressive Arbeits- und Sozialbehörden! Für eine gegen Lohnarbeit und Kapital kämpfende Arbeiterklasse! Hoch die internationale Solidarität! Für Revolution und Befreiung des Proletariats von Ausbeutung und Knechtschaft! Gegen die Kriege von NATO und US-Imperialismus! Es lebe das weltweite Proletariat! Solidarität mit Flüchtlingen, Papierlosen und MigrantInnen! Einheit der Klasse! Sieg der Klasse! Klassenkampf!

Bei 68 kg liegt mein persönliche Erfahrungsgrenze. 68 kg waren Mitte der 90er mein Kampfgewicht, als ich im Hochsommer für Monate mit Zelt und Rad im Gebirge unterwegs war. Was darunter liegt, unter 68 kg, ist mir unbekanntes Terrain. Es kann sein, dass ich bald schon schwächele. Doch im Moment geht es mir überraschend gut. Ich hoffe, das bleibt lange noch so.

Es lebe der Kampf!

Werner

P.S. Ich habe am 31.5. meinem Anwalt Kelloglu geschrieben, er möchte mich bei passender Gelegenheit besuchen, um eventuelle Optionen zu erörtern!

Doch so oder so kämpfe ich auf Leben und Tod.


Werner Braeuner: Brief vom 29. Mai 2011
319. Tag Arbeitsverweigerung – 21.Tag Hungerstreik

Einen revolutionären Salut an die GenossInnen der Soligruppe aus dem Knast, aus dem innersten Heiligtum von Staat, Sozialdemokratie/ Lohnarbeit und Kapital!

Am Freitag, 27.5., ergab Wiegen 72,2 kg (≙-2,1kg zur Vorwoche); in der Woche ist die Abnehmgeschwindigkeit auf 12,5g/h gesunken und betrug nur noch etwa die Hälfte der Geschwindigkeit der davorliegenden Woche. Laut Dr. Windelboth eine normale und erwartbare Entwicklung, er schätzt die Grenze hin zu einer gesundheitsbedrohlichen Abnahme könne bei mir bei etwa 60 kg liegen. Bei der aktuellen Abnahmegeschwindigkeit von etwa 2kg in der Woche würden bis zur Gefahrgrenze folglich noch 6 Wochen bleiben, eventuell länger, da die Abnahmegeschwindigkeit vorraussichtlich weiter sinken wird. Ein Mitgefangener, Roland Wenzel, hat 4 Hungerstreiks durchgeführt und meint, bereits vor Erreichen dieser Grenze würde es mir allerdings körperlich und mental sehr sehr schlecht gehen. Er wundert sich, daß es mir derzeit noch sehr gut geht, ich hatte, außer am Mittwochmorgen für einige Stunden Schwindeligkeit, bisher keinerlei Beschwerden.
Blutdruck war normal, Bluteisen war normal, auch die sonstigen Blutwerte. Die Blutwerte T3 und T4, was immer das sein mag, waren am Freitag vom Labor noch nicht ermittelt worden und sollen nachgeliefert werden, am nächsten Freitag sollen sie vorliegen. Da die Blutentnahme am Mittwoch erfolgt war, konnten jene fehlenden Werte wohl nicht rechtzeitig vom Labor festgestellt werden. Dr. Windelboth kündigte an, mich bei Erreichen der Gefahrengrenze nicht länger behandeln und an einen anderen ärztlichen Dienst überstellen zu wollen, da er die dann entstehende ärztliche Verantwortung nicht übernehmen würde. Es müßte entschieden werden, mich dann entweder unter Zwang künstlich zu ernähren oder sterben zu lassen. In der Tat sollte diese Entscheidung nicht bei einem Arzt liegen, denn sie ist politisch und fällt mithin allein unter die Zuständigkeit des niedersächs. Justizministers.
Der hat die Frage zu beantworten, ob das Leben eines Gefangenen den Betrag von jährlich 9 Millionen Euro aufwiegt, den das Ministerium durch zweckfremde Verwendung der Bundesmittel für den Tagesverpflegungssatz Gefangener offensichtlich rechtswidrig einbehält.
Übrigens berichtete Ronald Wenzel, in der JVA Hannover sei er wegen Hungerstreiks in Isolation gebracht worden, nach einigen Tagen des Hungerns sei ihm das wasser abgestellt worde, was ihm zum Abbruch des Streiks gezwungen habe. Er meint, dies Vorgehen der Anstalt sei rechtlich gedeckt. Ronald wird von Barbara Klawitter aus Hannover vertreten, er ist 60, hat unheilbaren Knochenkrebs, schwere Diabetes und wurde draußen noch arbeitsunfähig geschrieben, Rente ist beantragt, sein Arzt draußen schätzt seine Lebenserwartung auf 18 Monate etwa, seine Unterschenkel sind vom Zucker bereits taub und sollen in 6 Monaten amputiert werden. Ronald erhält dennoch keine Diabetikerkost, die Anstalt begründet das mit „Kosten“.
Zudem macht ihm die Anstaltsleitung, in der Vollzugsabteilung vertreten durch den „Abteilungshelfer“ Tiedje (de facto mächtiger als die nominelle Leitung der Vollzugsabteilung und verlängerter Armder Anstaltsleitung für Repressionsdrecksarbeit, die die Vollzugsabteilungsleitung nicht übernehmen wolln würde), Druck, arbeiten zu gehen, indem Ronald die ihm offenbar zustehende Diabetikerzulage von 50 oder mehr € für den Einkauf zusätzlicher Nahrung verwehrt wird. RA’in Klawitter sei dran an dieser Sache, sagt Ronald.
Nun, wie Ihr seht, sind Gefangene weitestgehend rechtlos, umso mehr verwunderlich ist der sanfte Umgang der Anstalt mit meiner im Hungerstreik befindlichen Person. Wie alle Verbrecher, scheuen Justizbehörde und Strafvollzug das Licht der Öffentlichkeit. Und jenes Licht seid Ihr, GenossInnen und die vielen anderen solidarischen UnterstützerInnen! So lebe der revolutionäre Kampf gegen Staat, Sozialdemokratie/ Lohnarbeit und Kapital, es lebe die revolutionäre Solidarität des Proletariats! Ein Hoch auf die revolutionären Fraktionen des weltweiten Proletariats und auf jene, die sich diesen Fraktionen in den kommenden Kämpfen noch anschließen werden.
Kopf und Faust allezeit oben,

Werner [das Abtipper: Pfeil und Bogen-Piktogramm um den Schaft geschrieben]

ex nihilo plentitudines!

P.S.: Roland Wenzel ist einverstanden, öffentlich genannt zu werden, er ist ein kämpferischer und rebellischer Gefangener

Wer auf sein Recht verzichtet, verzichtet auf ein Menschsein. Oder: Wer auf sein Menschsein verzichtet hat, verzichtet auch auf sein Recht, und auf das Recht aller anderen Menschen!

P.S.2: Bitte sprecht nicht von „Verzweiflungstat“ sondern von „Widerstandstat“ was den 6.2.2001 betrifft. Die Totschlagsversion war erzwungen!

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