Aus zwei Briefen von Werner Braeuner
Hier Auszüge aus zwei Briefen des sich seit dem 8. Mai im Hungerstreik befindenden Werner Braeuner.
Am 19. Mai gab es in Berlin eine Kundgebung mit folgender Solidaritätsdemo, bei welcher ca. 50 Personen zur niedersächsischen Landesvertretung zogen. Vor dem Knast in Sehnde haben am Abend des 24. Mai solidarische Menschen mit Parolen und Feuerwerk Werner und die anderen Inhaftierten gegrüßt.
Lieber…,
Das mit dem Kot ist passiert, aber natürlich nicht beweisbar, weil das Gesetz des Schweigens herrscht. Doch Kot-Einträge sind Ausnahme, meist wird hineingespuckt oder drauf geniest, manchmal wird Aufschnitt geschnitten und die Finger zuvor am After vorbei geführt, so lauten die einschlägigen und sich seit langen wiederholenden Berichte, doch Vorsicht!, das alles ist nicht beweisbar! Leider fragt Ekel nicht nach Beweisen, er stellt sich ein, wenn er genug und gesehen hat. Daher wäre es ganz und gar falsch, den Vorhalt des Eintrags von Exkrementen konkretisieren zu wollen; auch würde ich das, was ich mit eigenen Augen bei der Essensausgabe auf dieser Station(!) bereits gesehen habe, niemals vortragen. Das haben neben mir mehrere Gefangen gesehen, aber niemand wäre so dumm, etwas zu sagen, weil stumpf bestritten würde (nichts ist beweisbar) und anschließend heimtückische Retourkutschen des Vollzugs kämen. Wer sich auf eine Debatte um Einzelheiten von Einträgen auch nur einlässt, hat sofort verloren. Interessant wird allerdings werden, welche Reaktionen von Gefangenen aus Knästen allgemein zum Thema kommen werden.
All überall sind entsprechende Gerüchte im Umlauf, und sicherlich mit stillschweigendem, klammheimlichem Wohlwollen von Anstaltsleitungen und insbesondere von den Arbeitsverwaltungen – wer nicht bis zu völligen Verausgabung schuftet, soll auch nicht ohne Ekel essen!
Nicht auf das Anstaltsessen angewiesen zu sein, weil sehr gut verdient wird, ist hier drinnen Statussymbol wie draußen Daimler Benz, doch sehr gut verdienen nur sehr wenige Gefangene, wer bei höchsten Akkordeinsatz 100 Euro zum einkaufen hat, ist bereits zufrieden….
Sadi und Ünal habe ich am 9.5. geschrieben; Die Sache mit Nurhan und Cengiz ist offensichtlich bösartig, 43 Tage Postlauf sind zuviel!
Sigurd Debus bleibt unvergessen! Wenn wir kämpfen, sind sie bei uns, die Gefallen der Revolutionsbewegungen.
Sehnde, den 12.5.2011
Meine Tat vom 6.2.2001 wird immer fälschlich als „Verzweiflungstat“ bezeichnet. Ich möchte dazu hier noch einmal klar Stellung beziehen: Verzweiflung liegt vor, wenn es keine reale Handlungsalternative mehr gibt, eine solche Alternative war jedoch vorhanden: Zwangsunterwerfung unter Zwangsarbeitsregime des Verdener Sozialregime, oder kürzer: willfähig Untertan sein….
Immerhin musste ich das Ziel zwar auskundschaften, die Örtlichkeiten erkunden und eine Waffe zum Kampfart mitbringen.
Anders als dem Gericht wegen der angedrohten Psychiatriefolter fälschlich vorgetragen, hat es am 6.2.2001 keinen Wortwechsel oder Streit mit Klaus Herzberg vor dessen Haus gegeben, ich hab zwischen mit dem Vorsatz aufgesucht, ihn in die Hölle zu schicken- ein Attentat also! Ich ging davon aus, vom Gericht ein Lebenslänglich zu erhalten, so wurde ich gezwungen, die Lügengeschichte von einer „Verzweiflungstat“ vorzutragen. Der Feind hat Angst vor revolutionärer Entschlossenheit und möchte lieber eine rührselige Geschichte von einem „armen Verzweifelten“ in der Öffentlichkeit verbreitet sehen….
Der Kontakt zu den Mitgefangenen ist weiterhin gut mit Ausnahme eines. Der HS wird als gut angesehen. Ein Gefangener der Station hat in Hannover bereits mehrere HS gemacht. Er wurde dann in die Arrestzelle gebracht, nach einigen Tagen wurde ihm in Arrest das Wasser abgedreht und er war daher zum Abbruch des HS gezwungen. Das alles ist illegal, aber nicht beweisbar. Daß die JVA Sehnde hier mit mir „pfleglich“ umgeht, ist allein der Unterstützung von draußen zu verdanken, also ein großes Dankeschön an …. alle UnterstützerInnen!
Sehnde, den 12.5.2011