Ein paar Worte über den Solidaritätsfonds zur finanziellen Unterstützung der gefangenen und verfolgten KämpferInnen
Folgend ein Text einiger GefährtInnen aus Griechenland, die sich im Solidaritätsfonds “Tameio” organisieren. Der Fonds existiert seit 2010 und unterstützt die gefangenen KämpferInnen und die kämpfenden, rebellischen Gefangenen, so lange ihr Kampf würdevoll und solidarisch ist. Die Idee ist es, die grundlegenden Lebensbedürfnisse hinter Gittern finanziell zu gewährleisten, aber auch den einzelnen Fällen eine Öffentlichkeit zu schaffen, indem die GefährtInnen einen Web-Blog betreuen und Texte der Gefangenen in der Zeitschrift “Reißt die Bastille ein!” publizieren.
Wir erleben einen Prozess der intensiven sozialen Transformation, eine wilde Umstrukturierung des Kapitalismus. Alles, sowohl was die ArbeiterInnen durch Kämpfe gewonnen haben, als auch der künstliche Wohlstand und die Gewährung des Konsums, die nach dem Regimewechsel die soziale Zustimmung gewonnen haben, verschwindet. Das alles führt natürlich zur sozialen Polarisation. Die Bedingungen, unter welchen der Klassenkampf stattfindet, kehren zum vorherigen zurück und die Bedingungen, die uns umgeben, scheinen aus anderen post-bürgerlichen- und „Gypsen“-Epochen zu stammen. So wie damals ist auch heute die Unterdrückung wieder das Hauptinstrument des Regimes, um Akzeptanz zu erzwingen. Im Allgemeinen zielt die Repression darauf, die Kontrolle über die Gesellschaft bzw. ihre mögliche Aufhebung inne zu haben. Trotzdem wendet sie sich besonders gegen die radikale Szene, wegen ihrer Gefährlichkeit, da sie als eine notwendige, aber nicht immer ausreichende Kraft, als ein Zünder der sozialen Wut wirkt.
Außerdem bezeugt diese Szene immer, ohne irgendwelche Illusionen, die Realität des sozialen Krieges und nimmt die entsprechende Kämpfe auf sich. Deswegen zielen auch die neuen Operationen der Repression auf diese Szene, d.h. durch die dichten Netzwerke der Überwachung und der Verfolgung, dem höheren Niveau der Strenge der Strafe, ein systematischer Umstand von Geiselhaft. Die Zahl der gefangenen KämpferInnen erhöht sich graduell und ist in den Jahren nach dem Regimewechsel höher als je.
Die Umstände sind zwar schwer, können sich aber gleichzeitig als günstig für die revolutionäre Perspektive entwickeln. Dennoch sollen alle, die die Möglichkeiten dieser Umstände erkennen können, nicht ZuschauerInnen dieser Prozedur sein, sondern seinen Sturz organisieren. Aber die Organisation bringt die Schaffung von materiellen Infrastrukturen und die Entwicklung von Strukturen, die sich mit wirklichen Problemen konfrontieren müssen, mit sich. Da viele GenossenInnen im Gefängnis sitzen und leider stets Neue ins Gefängnis gebracht werden, ist ihre verantwortliche und ständige Unterstützung mehr als notwendig. Neben irgendwelchen Aktionen für ihre politische Unterstützung und Veranschaulichung ihrer Fälle, soll diese Solidarität auch materiell gezeigt werden. Die Schaffung einer Struktur nämlich, welche die Voraussetzungen für ein würdevolles Überleben unserer GenossInnen stellt, abseits von den engen Grenzen der persönlichen Verhältnisse und auf der Basis einer kollektiven Dynamik mit revolutionären Eigenschaften. Dies ist notwendig. Solidarität ist außerdem ein Verhältnis, in dem wir die gegenseitige Anerkennung und Absicht zur Kommunikation verlangen.
Die Diskussionen über die Schaffung dieser Struktur haben nach einer Initiative von GenossInnen in Athen im Sommer 2010 angefangen. Hauptziel des Fonds war von Anfang an die Deckung der tatsächlichen Lebensbedürfnisse, sowohl der gefangenen KämpferInnen als auch der kämpferischen Gefangenen, mit denen sich echte Beziehungen entwickelt haben und die selbst aktuell und ständig an Kämpfen innerhalb der Mauern teilnehmen. Finanzielle Unterstützung bekommen diejenigen GenossInnen, die einerseits wegen ihrer Teilnahme an sozialen Kämpfen, ihren revolutionären Entscheidungen oder ihren umstürzlerischen Taten festgenommen oder verfolgt werden und die anderseits sich selbst auf solche Weise verteidigen und damit ihre Haltung bzw. Stellung, als Teil einer Bewegung, bestätigen. Eine Bewegung, die gegen die Brutalität und die Entfremdung auf verschiedene Weise und durch unterschiedliche Wege mit jedem Mittel kämpft. Finanzielle Unterstützung bekommen auch manche gefangene Beschuldigte des 17. November, die seit 2002 in einer speziellen Abteilung des Korydallos-Gefängnisses inhaftiert sind, und die eine kämpferische Haltung und ein Interesse an Kommunikation gezeigt haben. An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass aus verschiedenen politischen oder persönlichen Gründen manche der Gefangenen die Entscheidung getroffen haben, an dem Fond nicht teilzunehmen und von dem Fond nicht unterstützt zu werden. Ohne dass wir nach einer Identifizierung streben, erkennen wir, dass alle, die gegen das bestehende soziale System mit umstürzlerischen Absichten kämpfen, Recht, zwar nicht auf unsere grenzenlose Annahme, aber auf unsere aufrichtige Unterstützung haben. Darüber hinaus ist ein gemeinsamer Wunsch die Verbreitung der Statements der Gefangenen zu unterstützen, was mit der Herausgabe der Broschüre „Stürzt die Bastille“, die ausschließlich aus ihren eigenen Texten besteht. Auf dieser Basis hat also die dauerhafte Funktion des Fonds angefangen.
Durch das zweijährige Bestehen des Fonds konnten dutzende von eingesperrten KämpferInnen den Alltag im Knast aushalten. Auch wenn sich die Zahl der politischen Gefangenen im Gegensatz zu 2010 erneut verringert hat, gibt es GenossInnen, die ihre Strafen verbüßen und das Allernotwendigste brauchen. Gleichzeitig gibt es die polizeiliche und die rechtliche Repression durch Ingewahrsamnahmen und Untersuchungshaft. Folglich hat der Solidaritätsfonds für die finanzielle Unterstützung der gefangenen KämpferInnen eine große Bedeutung. In der letzten Zeit kommt es durch die extreme Repression mit zahlreichen Verhaftungen und Verfolgungen von Menschen, die sozial und politisch aktiv sind und durch das Aufbringen von Kautionen, zur Verringerung der Untersuchungshaft zu einer finanziellen Belastung. Darum haben sich GenossInnen an den Solidaritätsfonds gewandt und um Unterstützung gebeten. Die Versammlung des Solidaritätsfonds war oft damit konfrontiert. Ein Teil des Geldes, das für die Gefangenen gespendet wurde, konnte nur vorläufig die Kautionen der Verfolgten decken… Der Gedanke Kautionen zu stellen, um die Zahl der Gefangenen zu verringern, ist vernünftig. Dennoch ist die (finanzielle) Realität für uns alle unerbittlich. Auch wenn es schwierig ist, können wir manche GenossInnen bei der Stellung von Kautionen nicht finanziell unterstützen, weil jeden Monat die Unterstützungen für die Gefangenen überwiesen werden müssen, die eine vielfache unerbittliche Realität durchleben. Die Gefangenen können nicht im Stich gelassen werden, aber auch die Kautionen der KämpferInnen nicht ignoriert werden. Deshalb hat die Vollversammlung des Fonds sich entschieden, einen parallelen Fond einzurichten. In diesem zweiten Fond werden sich 10% der monatlichen Abgaben ansammeln. Er wird nur Kosten decken, die aus massiven Verhaftungen und Verfolgungen entstehen. Selbstverständlich als rückzahlbares Darlehen, um möglichst vielen diese Hilfe bieten zu können. Damit soll verhindert werden, dass große Fälle zulasten von kleineren gehen. Es ist für kleine Gruppen von GenossInnen und Kollektiven schwierig, genug Geld zu sammeln. Dies als Hinweis. Wenn GenossInnen nur für den zweiten Fonds spenden wollen, muss man dies akzeptieren.
Dennoch hat dieses Projekt noch mehr Perspektive. Falls sich die Dynamik dieser Struktur entwickelt und unter der Voraussetzung, dass die Zahl der Personen, die diese Struktur unterstützen, sich vermehrt, wollen wir auch solche Ziele erreichen, wie nämlich die Deckung von Prozessausgaben und Kautionen (vorausgesetzt dass dies zurückgegeben werden nach der Verfolgung bzw. dem Verfahren) nicht nur von den schon gefangenen GenossenInnen sondern auch von denen, die wegen ihrer Teilnahme an sozialen Kämpfen bestraft werden, ohne dass das gleichzeitig Gefängnis heißt. Wir wollen auch noch den Kreis der Unterstützten mit der Aufnahme von mehr kämpfender Gefangenen erweitern, deren Straftaten nicht unserem Werte-Kodex widersprechen und sich ihre Haltung in der Gefangenschaft durch Würde und Kampfbereitschaft abzeichnet. Zum Schluss wäre es für uns interessant, eine Verbindung zu MigrantInnen, die in Konzentrationslagern (Anm. von ABC Berlin: wir würden die Abschiebelager in Griechenland nicht mit KZs gleichstellen wollen, wissen aber, dass die GefährtInnen in Griechenland da andere Ansichten haben und übernehmen deshalb diesen Vergleich) gehalten worden sind und die wegen ihrer kämpferischen Haltung verfolgt worden sind.
Die ganze Struktur basiert auf der Funktion autonomer Versammlungen, welche geografisch bestimmt worden sind. Alle Versammlungen sind offen, funktionieren horizontal und all die Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. GenossInnen von jeder Versammlung nehmen an der generellen Koordination der Versammlung in ganz Griechenland teil, die hauptsächlich in Athen stattfindet (manchmal dennoch auch in anderen Städten, wenn es die Möglichkeit dafür von denjenigen Versammlungen gibt). Gleichzeitig gibt es auch kleinere bzw. Untergruppen. Eine, die den Blog tameio.espivblogs.net verwaltet, wo es Infos über die Fälle der GefangenInnen gibt, eine andere, welche die Bearbeitung der Broschüre „Stürzt die Bastille“ übernimmt und eine, die sich für die Beiträge des Fonds verantwortlich sieht. Die Beiträge, die jeden Monat gesammelt werden, kommen von regelmäßigen Einzel-oder/und Gesamt- Spenden, von gemeinsamen Initiativen wie z.B. Konzerten oder Veranstaltungen. Positiv zu sehen sind auch parallele Initiativen wie z.B. die Herausgabe und die Verteilung von Büchern und anderen Broschüren mit politischem Inhalt, deren Wert nur für die Deckung der Herausgabe und die Unterstützung des Fonds bestimmt ist.
Der Solifonds für die finanzielle Unterstützung der gefangenen und verfolgten KämpferInnen wurde nicht mit dem Ziel gebaut, andere, für bestimmte Fälle gebaute Initiativen zu ersetzen. Dieser Fond will nicht ein Gegensatz zu anderen ähnlichen Strukturen sein, sondern Beziehungen der Kommunikation und Koordination mit diesen schaffen. Außerdem will der Fond weder das Monopol der Solidarität noch die Aktionsmöglichkeiten der TeilnehmerInnen bestimmen, da wir seine Rolle als ein Teil bzw. Werkzeug des gemeinsamen Kampfes und nicht als Selbstzweck verstehen. Im Gegenteil hoffen wir, dass es einen Vorschlag für den Kampf und die Organisierung darstellt, der sich dialektisch zu anderen, zur Zeit notwendigen, Strukturen entwickelt.
Dezember, 2012