Eindrücke des Vorbereitungskreises der
„Mit der Knastgesellschaft brechen”-Tage
vom 26. bis 28. November 2010 in Berlin
Zu aller erst wollen wir unsere Motivation diesen Text zu verfassen beschreiben. Wir haben uns einige Tage nach dem Wochenende zusammengesetzt, um unsere individuellen Eindrücke auszutauschen, über den Verlauf des Wochenendes zu diskutieren genauso und um noch ausstehenden Orga-Kram abzuschließen. Uns fiel auf, dass wir allesamt positiv überrascht waren, auf wie viel Interesse das Thema Knast und Knastgesellschaft gestoßen ist, was alleine schon an der Beteiligung so vieler Menschen zu sehen war. In der Vorbereitung waren wir voller Zweifel schon drauf und dran gewesen das ganze Wochenende abzusagen — nicht zuletzt auf Grund des nur schleppend und auch chaotisch voranschreitenden Vorbereitungsprozesses. Im Nachhinein freuen wir uns das nicht getan zu haben. Mit der Veröffentlichung dieses Texts wollen wir nun zu weiterführenden Diskussionen einladen. Zum einen natürlich im kleinen bekannten Kreis, zum anderen aber auch z.B. auf dem Wochenend-Blog mit Texten und Beiträgen zum Thema. So werden im Laufe der nächsten Zeit dort auch verschriftlichte Versionen der Vorträge und Diskussionsveranstaltungen des Wochenendes erscheinen. Diese können dann später auch gedruckt direkt in Knäste geschickt werden, was mit eine ausschlaggebende Idee hierfür war. Solltet ihr also Beiträge haben, die eurer Meinung nach auch auf den Blog sollen schickt sie an mitderknastgesellschaftbrechen@riseup.net – den pgp-key dazu gibt’s hier.
Als nächstes erst wollen wir uns bei allen Leuten bedanken, die sich an dem Wochenende in welcher Weise auch immer eingebracht haben. Wir hatten den Eindruck, dass die Atmosphäre gut war und für alle eine Umgebung bot in der sich z.B. Diskussionen in den Workshops, wie auch das abends Rumsitzen, angenehm gestalten konnte. Bezüglich der Orga wie Aufbauen, Aufräumen usw. waren viele Leute am Start, wodurch das ganze nicht nur an einigen Wenigen hängen blieb. Besonderer Dank geht hiermit an die verschiedenen Vokü-Gruppen, die auf alle Tage verteilt unserer Meinung nach mega leckeres Essen bereiteten. Negativ in diesem Zusammenhang müssen wir jedoch sagen, dass die Spendenbereitschaft sich zum einen schlecht verteilt hat und/oder nicht allzu groß war, wir zum anderen aber auch nicht darauf hingewiesen hatten, dass unterschiedliche Gruppen am Kochen waren und die Spendeneinnahmen zum Teil auch als Soli-Beitrag für die einzelnen Gruppen selbst gedacht waren. So erging es einer Gruppe so, dass sie gerade so ihre Ausgaben gegenfinanzieren konnte.
Im Vorfeld des Wochenendes hatten wir versucht verschiedene Leute zum Übersetzen der Workshops und Diskussionen zu gewinnen – leider hat das dann nicht all zu gut funktioniert. Jedoch erklärten sich Leute bei Bedarf spontan zur Übersetzung bereit. Das war natürlich super, doch wissen wir auch von Menschen, die auf Grund der mangelnden Sensibilität – die eine Übersetzung gerade in Diskussionen braucht – Workshops dann verlassen haben, da die Übersetzer_innen dem Tempo nicht nachkommen konnten. Für zukünftige Veranstaltungen denken wir, dass es wichtig ist gerade auch hierauf mehr Rücksicht zu nehmen.
Zur Organisation des Wochenendes hinsichtlich der Workshop-Verteilung denken wir, ist es wichtig auf den Samstag Mittag mit seiner doch sehr lang angelegten Pause einzugehen. Die Idee und (vielleicht zu ambitionierte) Ankündigung „Raum für Aktionismus” war zum einen daraus entstanden, dass wir ein ausschließlich „theoretisch” angelegtes Wochenende keine gute Idee fanden genauso, wenig wie das von einem Workshop zum nächsten hetzen. Ursprünglich war für diesen Zeitpunkt von unserer Seite ein Kamera-Spaziergang durch Neukölln geplant. Dieser ist dann jedoch aus verschiedenen organisatorischen Gründen von der vorbereitenden Gruppe abgesagt worden. Weiterhin gingen wir davon aus, dass Einzelpersonen und/oder Gruppen sich im Vorfeld selbst Gedanken über mögliche Aktionen wie z.B. Flyerverteilen oder Anderes machen würden. Was ja sogar passiert ist, in Form einer Spontandemo vor dem Knast in Moabit (von der wir selbst allerdings erst im Anschluss gehört haben).
Des weiteren fand in diesem Zeitraum eine Demonstration statt von der wir dachten, dass einige Leute gerne dort hin wollten. Mehrfach wurde an uns die Kritik herangetragen, dass der Vorbereitungskreis diesen Raum hätte füllen sollen. Nachdem der Kamera-Spaziergang jedoch abgesagt wurde, hätte das unsere Kapazitäten gesprengt und wir hofften dann auch auf Selbstorganisation – was wir aber hätten besser kommunizieren sollen. Bei der Auswertung dachten wir hierbei zum Beispiel daran, dass Pläne mit den unterschiedlichen Knästen in Berlin vielleicht hilfreich gewesen wären. Gleichzeitig wurden in der Tempest-Library zu diesem Zeitpunkt Filme gezeigt nach denen ein Workshop zu „Wie schreibe ich Gefangenen?” stattfand. Sorry an alle, die sich auf dem Weg dort hin verlaufen haben, eine Wegbeschreibung hätte das sicherlich verhindert. Abschließend können wir hierzu sagen, dass dieser Teil des Tages nur unzureichend durchdacht, kommuniziert und auf die anderen Dinge abgestimmt war.
Den Sonntag wollten wir weitestgehend offen gestalten. Die inhaltliche Ausgestaltung, so dachten wir, könnte sich nach den Interessen der Leute entwickeln, z.B. in Diskussionen über aufgeworfene Fragen oder weiterführenden Diskussionen im Anschluss an die vorigen Tage. Sonntags morgens hatten viele von uns das Gefühl, dass die Leute, die sich in der NewYorck einfanden bereits wussten was sie weiter dort tun wollten und so empfanden wir das angesetzte Plenum als überflüssig. In der Nachbetrachtung wäre es jedoch vielleicht zumindest nicht schlecht gewesen sich kurz zusammenzusetzen, so hätte dann auch eher die Möglichkeit bestanden gemeinsam in Diskussion treten zu können. Auch dachten wir, wäre eine Veranstaltung am Sonntag nicht schlecht gewesen da sich so ein wenig das Gefühl einstellte das Wochenende verlaufe sich nun einfach. Andererseits hat sich die Vernetzungsidee unseres Wissens nach auch noch Sonntags realisieren lassen und die Gruppen, die für Sonntag etwas angekündigt hatten, konnten ihre Ideen umsetzen.
Manch eine_n hat sicher verwundert. dass sich die inhaltliche Ausgestaltung des Wochenendes nicht so sehr an der Ausrichtung des Aufrufs orientierte wie mensch hätte vermuten können. Ursprünglich dachten wir, dass eine praxisorientierte Auseinandersetzung anhand eines konkreten sozialen Gefüges – wie im Aufruf anhand von Neukölln beschrieben – sich dazu eignen würde „Knast” thematisch aus der Isolation zu befreien, in der er allzu oft verhandelt wird. Der Charakter einer Knastgesellschaft, wie wir sie verstehen, sollte so in all ihren Verstrickungen von strukturellen Gewaltverhältnissen und repressiven Maßnahmen, wenn nicht unbedingt in ihrer ganzen Fülle ausdiskutiert, aber wenigstens so gut wie möglich mitbedacht werden können. Das klingt hier jetzt wahrscheinlich hochtrabend, jedoch möchten wir zum einen darauf verweisen, dass wir uns selbst nicht für Profis auf diesem Gebiet halten zum anderen wohl einiges mehr als ein Wochenende von Nöten wäre um sich intensiv darüber auszutauschen und auch Perspektiven bezüglich Handlungsmöglichkeiten entwickeln zu können. Jedenfalls versuchten wir im Vorfeld auch Stadtteilgruppen und besser informierte Menschen (was zum Beispiel den Themenkomplex Neukölln angeht) für diese Idee zu gewinnen. Der Aufruf war schon raus, die Gruppen sagten leider aus unterschiedlichen Gründen dann nach und nach ab. Gleichzeitig haben wir uns mit der Schwerpunktsetzung auch übernommen und hätten wohl auch Probleme bekommen noch weitere Workshops in dem Konzept des Wochenendes wie es dann stattfand unterzubringen. Alles in allem fanden wir es rückblickend inhaltlich ein sehr spannendes Wochenende.
Generell hatten wir den Eindruck, dass viel Bedarf und Motivation bestand zu unterschiedlichsten Themen Informationen zu bekommen, wie auch über Verschiedenes zu diskutieren. Genauso wurden unterschiedliche Zugänge verschiedener Leute zum Thema Knast und Knastgesellschaft deutlich. Hierbei fanden wir angenehm, dass wir nicht den Eindruck hatten Leute hätten sich über bestimmtes Wissen oder Erfahrungen profilieren wollen. Bei dem Workshop zum Thema „Sicherungsverwahrung” denken wir jedoch, dass zu Beginn zu viel an Wissen vorausgesetzt wurde und hier noch weitergehendes Interesse besteht sich zu informieren und zu diskutieren. Nicht zuletzt da es sich hierbei um ein wenig verankertes Thema handelt, sich jedoch viele Veränderungen abzeichnen, die gerade hinsichtlich einer Kritik der Ein- und Wegsperrung auf Grund „nicht konformen” Verhaltens wichtig sind. So soll Anfang kommenden Jahres eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung in Kraft treten wonach dann auch Staatsschutzdelikte unter die so zu handhabenden „Vergehen” fallen. Was das für Menschen mit staatskritischer Haltung bedeuten wird und wie diese Neuregelung umgesetzt werden kann ist unklar, doch schon jetzt werden Menschen, wie z.B. Thomas Meyer-Falk und andere, die auch im Knast weiter kämpfen und sich nicht einschüchtern lassen mit Sicherungsverwahrung bedroht. Hierbei stellt sich für uns die Frage wie bei diesem Thema linksradikale Ansätze entwickelt werden können gerade auch wenn selbst in knastkritischen Zusammenhängen immer wieder Ratlosigkeit bis hin zur Legitimation von Gefängnissen aufkommt, wenn es um die Frage nach dem Umgang mit Nazis und Vergewaltigern geht. Sobald sich Diskussionen in diese Richtung entwickelt haben, so war unser Eindruck, fanden sie ziemlich schnell ein abruptes Ende oder es stand eine unauflösbare Widersprüchlichkeit bei dieser Frage im Raum. Aber gerade auch diese Fragen könnten und sollten wir in einem solchen Zusammenhang diskutieren. Mitunter scheint es sonst so zu sein, dass wir an diesem Punkt schnell in einen bürgerlichen Diskurs zurück fallen, welcher leider zum einen weit entfernt davon ist, eine Gesellschaft ohne Knäste zu ermöglichen, sowie zum anderen ausblendet, dass es bereits eigene Erfahrungen und Praktiken zu diesen Themen gibt. Beispielsweise gibt es diese bezüglich antifaschistischen Handlungsmöglichkeiten, was einen Umgang mit Nazis anbelangt, genauso wie Praktiken und Diskussionen darüber, wie mit Menschen die sexualisierte Gewalt ausüben umgegangen werden soll. Hier soll nun nicht der Eindruck entstehen, dass wir alles in einen Topf schmeißen wollen, sondern der Gedanke artikuliert werden, dass wir die verschiedenen Teilbereichskämpfe, Diskussionen und Praktiken, seien es z.B. Diskussionen um Definitionsrecht, Ausschlüssen, Schutzräumen, Täter_innenarbeit usw. in den Fokus nehmen können. Da wir keine Antworten auf bestimmte Fragen haben müssen wir wohl oder übel den Weg und unsere Praxis hin zu einer Gesellschaft ohne Knäste diskutieren. Zu diesem Punkt wurde auch mehrfach deutlich, dass es nicht ausreicht Knast und Knastgesellschaft lediglich in einem Machtverhältnis von Staat und Kapital, bzw. Arbeit und Kapitalismus zu verorten und so zu diskutieren, sondern viele strukturelle Gewaltverhältnisse im Spiel sind.
Bezüglich des Ablaufs, gerade der beiden Workshops zu „Diskussion zum Thema ‘unsere’ Gefangenen” bzw. „Brauchen wir ‘politische Gefangene’?” und dem zur Sicherungsverwahrung, kam mehrfach die Idee auf erst einmal Punkte zu sammeln, die diskutiert werden wollen. Die Umsetzung dabei hat nur mittelmäßig geklappt, sodass die Diskussionen zum Teil chaotisch erschienen oder „ins Nichts” führten. Bei einem nächsten Mal wäre es vielleicht sinnvoll noch mehr Augenmerk auf den Diskussionsverlauf und eine eventuelle Struktur zu legen.
Abschließend wollen wir noch anmerken, dass auch Leute, die auf keinem einzigen Workshop waren ein spannendes Wochenende mit kontroversen Gesprächen erlebt haben wie uns berichtet wurde. Das freut uns und lädt dazu ein den Themenkomplex nicht nur auf einem solchen Wochenende sondern wie zu Beginn schon angemerkt auch an anderen Orten zu diskutieren.
Der Vorbereitungskreis