Interview mit dem black bloc egypt
Dieses Interview stammt aus dem gerade neu erschienen autonomen Blättchen Nr. 12. Wir fanden es sehr lesenswert und kopieren es deshalb hier rein. Das Blättchen findet ihr zum Download oder im Infoladen eures Vertrauens.
Nachdem wir den Text “Ägyptische anarchistische Bewegung entsteht mit einer Welle von Brandsätzen und Straßenkämpfen” gelesen hatten, haben wir mal versucht nachzufragen. Wir freuen uns sehr, dass es geklappt hat. Wir haben das Interview recht frei übersetzt, da weder unsere noch black blocs Fremdsprachen Kenntnisse eine wörtliche Übersetzung vorteilhaft erschienen ließen. Viel Spass beim Lesen! AB
autonomes Blättchen: Hallo, stellt euch doch bitte kurz vor.
black bloc: Wir sind die Gruppe black bloc. Wir greifen Institutionen des Staates, des politischen Systems und Wirtschaftsunternehmen an. Wenn die Wirtschaft und der Handel gut laufen, nützt dies den Herrschenden. Außerdem sind viele Unternehmen in der Hand der Regierenden oder nützen ihnen finanziell.
AB: In Deutschland ist black bloc eine Taktik auf Demonstrationen oder bei Krawallen, aber keine Gruppe. Verschiedene Gruppen nutzen sie um gemeinsam ihre Ziele zu erreichen. Wie ist das in Ägypten?
black bloc: Ägypten versucht, wie jeder Staat, das herrschende System mit kleinen Korrekturen oder Reformen innerhalb der Logik dieses Systems zu retten. Wir versuchen das neue System der Muslimbrüder zu zerstören, weil es uns die Revolution, die das Mubarakregime hinwegfegte, gestohlen hat. Die Idee der schwarzen Masse ist eine Antwort auf die Muslimbruderschaft und Miliz-Gruppen, die sich selbst als islamisch bezeichnen. Nur der Name der Herrschenden hat sich geändert, nicht das System.
AB: Wie ist seid ihr organisiert?
black bloc: Die Gruppen sind vernetzt und trotzdem eigenständig, solange ihre Mitglieder sich nicht verabreden. Aber Treffen gibt es nur zwischen Kontaktpersonen, damit wenn jemand verhaftet wird, der Rest der Gruppe und die Struktur verdeckt bleiben. Wenn zum Beispiel eine bestimmte Firma oder Kette angegriffen werden soll, dann arbeiten die unterschiedlichen Gruppen nicht direkt zusammen bis es zum Zeitpunkt der Demonstration wo die Aktivitäten und klandestinen Operationen stattfinden sollen. Wenn die Kontaktpersonen der Gruppen sich z.B. geeinigt haben eine Restaurant- oder Bekleidungskette anzugreifen, wird koordiniert welche Gruppe welche Filiale übernimmt. In einer chaotischen Situation ist kein Platz für Chaos. Das Chaos ist organisiert.
AB: Und intern?
black bloc: Wir versuchen, dass alle Mitglieder der Gruppe partizipieren und versuchen die sozialen Beziehungen zwischen den Einzelnen zu stärken.
AB: Welche Rolle spielen Frauen in euren Kämpfen?
black bloc: Die Rolle der Frauen in der ägyptischen Gesellschaft hat sich durch ihre Teilnahme an der Revolution vom 25. Januar 2011 grundlegend geändert. Auch für uns. Jede_r setzt die eigenen Fähigkeiten ein. Manche können Aktionen materiell unterstützen. Andere sind fähig erste Hilfe zu leisten. Einige beteiligen sich an Auseinandersetzungen auf der Straße. Jede_r nach seinen_ihren Fähigkeiten.
AB: Wie ist eure Beziehung zur Religion?
black bloc: Für uns ist Religion die Sache jedes_jeder Einzelnen. Wir glauben, dass es ok ist, wenn das Leben und der Alltag des Individuums von Religion geprägt ist, solange sich jede_r selbst dafür entscheiden kann.
AB: Welche politischen Ziele und Utopien habt ihr?
black bloc: Wir haben keine politischen sondern nur revolutionäre Ziele. So unterscheidet sich der black bloc obwohl er Teil der Revolution ist von dem Rest der ägyptischen Revolution.
AB: Was sind eure revolutionären Ziele?
black bloc: Unsere revolutionären Ziele sind, die Muslimbruderschaft zu stürzen. Die Bruderschaft ist nicht ehrlich und hat die Revolutionär_innen in mehreren Momenten dieser schwierigen Revolution verkauft.
AB: Wie bewertet ihr die aktuelle Situation und die Kämpfe – zwei Jahre nach dem Sturz Mubaraks?
black bloc: Aus unserer Sicht ist die Revolution noch immer im Gange. Die Attacken auf das System der Muslimbrüder werden jeden Tag stärker. Die Stimmung auf den Straßen richtet sich mittlerweile gegen die Muslimbrüder. Wir lehnen das System der Muslimbrüder genauso ab wie wir Mubaraks Regime abgelehnt haben. Wir werden keinen Schritt hinter die Errungenschaften des 25. Januar 2011 zurück gehen. Wir haben mit allen Einschränkungen der Freiheit gebrochen und widersetzen uns gegen alle Versuche der Repression auf der Straße.
AB: Welche Mittel und Methoden setzt ihr ein um eure Ziele zu erreichen?
black bloc: Unsere Mittel um unsere Ziele zu erreichen sind alle Wege und Taktiken die dazu führen, dass das ökonomische System der Muslimbrüder beschädigt wird. Wir suchen Institutionen und Besitz der Muslimbrüder als Ziele. Später werden wir auch all jene angreifen, die sie aus dem Ausland unterstützen, z.B. die Vereinigten Staaten und Qatar.
AB: Seid ihr mit anderen Gruppen vernetzt?
black bloc: „Contact only only bmjmuatna“. [Bezieht sich auf irgendetwas mit Sonnensystem und Planeten. Wir können es nicht übersetzen. Vielleicht sowas wie: Frag doch die Sterne.] Bisher weiß niemand wer wir sind und das ist auch gut so.
AB: Der Innenminister hat black bloc als Terrororganisation bezeichnet. Islamistische Milizen haben dazu aufgerufen black block- Aktivist_innen zu töten. Wie bedrohlich ist eure Situation?
black bloc: Der Innenminister unterscheidet sich nicht von dem System der Muslimbrüder. Er ist einer von ihnen. Es ist uns egal ob sie uns ablehnen oder sogar bewundern. Es ist wichtig, dass wir auf unserem Weg weiter machen. Heute hat die Muslimbruderschaft einen neuen Zaun um ihr Hauptquatier gebaut. Dies ist eigentlich eine Erweiterung der Schutzmauer um den Präsidentenpalast. Nur weil in den Medien durchgesickert ist, dass wir den Präsidentenpalast und das Haupquatier stürmen wollen. Sie haben Angst vor uns.
AB: Wir haben von Massenfestnahmen von angeblichen blac bloc-Aktivist_innen gelesen. Stimmt das?
black bloc: Bisher gab es keine Festnahmen von Aktivist_innen unserer Gruppe. Sie versuchen uns dadurch zu verunsichern, dass sie an verschiedenen Orten um den Tahrir-Platz Straßensperren errichten und Personen festnehmen, die schwarz angezogen sind oder bei denen Marihuana gefunden wird.
AB: Wie ist eure Einschätzung für die Entwicklung der nächsten Monate?
black bloc:Ich kann nicht die nahe Zukunft für das Leben und die Politik in Ägypten vorhersagen. Aber es ist offensichtlich, dass das System nicht mehr stark ist. Wie schnell es fällt, hängt von der Stärke der Gegengewalt ab. Aber wir machen in jedem Fall weiter.
AB: Was können wir hier tun um euch zu unterstützen?
black bloc: Wir sind uns einig, wenn ihr vor der ägyptischen Botschaft die Revolution und den black bloc unterstützt.
AB: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen euch viel Glück, Mut und Kraft.