Materialien zum Hungerstreik von Werner Braeuner
Seit dem 8. Mai befindet sich der Gefangene Werner Braeuner in einem unbefristeten Hungerstreik. Hier die Dokumentation eines Artikels der Tageszeitung Neues Deutschland vom 11. Mai, eines Offenen Briefes vom Grundrechtekomitee vom 12. Mai, sowie einer Antwortmail der JVA Sehnde im Bezug auf den Hungerstreik und die Vorwürfe von Werner. Bei Radio Flora gibt es ein Interview vom 10. Mai mit Wolfgang Lettow vom Gefangenen.Info zum Hungerstreik.
Wir haben einen einfachen Flyer und ein Poster aus der Erklärung von Werner zusammengestellt, Download: Flyer – Druckversion – Poster
Außerdem wollen wir auf eine stattfindende solidarische Kundgebung und Demonstration für Werner am Donnerstag, den 19. Mai um 18 Uhr am Potsdamer Platz in Berlin hinweisen.
Presseartikel, erschienen am 11. Mai, in Neues Deutschland, von Peter Nowak
Besser keines, als dieses
Häftling im Hungerstreik gegen verdrecktes Essen
Seit dem 8. Mai befindet sich der in der JVA Sehnde inhaftierte ehemalige Erwerbslosenaktivist Werner Braeuner in einem unbefristeten Hungerstreik. Der Anlass für den drastischen Schritt ist die Auseinandersetzung um das Essen im Gefängnis. Braeuner wirft Mithäftlingen vor, das Essen mit menschlichen Exkrementen zu verunreinigen. Mit der Verweigerung will er erreichen, künftig den Tagesverpflegungssatz für Inhaftierte in Höhe von sieben Euro ausbezahlt zu bekommen, »um mit diesem Geld beim Knastkaufmann einkaufen und mich selbst beköstigen zu können«. »Bereits seit der zweiten Februarwoche 2011 habe ich aus unüberwindlichem Ekel keine in der Knastküche in Kesseln zubereiteten Speisen mehr gegessen«, schreibt er in einer Erklärung aus dem Gefängnis. Seit Sonntag hat er die Nahrungsaufnahme ganz eingestellt. Braeuner war wegen der Tötung eines Arbeitsamtsdirektors 2001 zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt worden (ND vom 23.2.2011).
Die JVA schließt eine Verunreinigung des Gefängnisessens aus. »Die Hygiene der Küche wird täglich durch entsprechend befähigte Mitarbeiter sowie unregelmäßig durch diverse externe Kontrolleure überprüft. Gleiches gilt für die Qualität des Essens«, erklärte die Leiterin für Öffentlichkeitsarbeit, Ines Leitner, gegenüber ND.
Braeuner weist in seiner Erklärung darauf hin, dass ungenießbar gemachtes Essen ein in allen Gefängnissen auftretendes und bekanntes Problem sei. »Knäste sind Heimstätten der Niedertracht; es gibt dort eine im Vergleich zu draußen weit überdurschnittliche Zahl von persönlichkeitsgestörten bis hin zu verrückten Menschen, die aus geringfügigen Anlässen bisweilen extreme Verhaltensweisen an den Tag legen – z.B. aus allgemeiner Gekränktheit, diffusem Frust, Mißgestimmtheit und auch manchmal ohne irgendwie nachvollziehbare Anlässe.«
Das niedersächsische Landesjustizministerium lehnte Braeuners Antrag auf Selbstbeköstigung ab. Dieser will die Aktion mit allen Konsequenzen durchführen. »Wenn ich von Exkrementen freie Nahrung nur um den Preis erhalte, zuvor meine Gesundheit beschädigt zu haben, ist ein Leben in Würde nicht mehr möglich«, schreibt er.
Unterstützung bekommt Braeuner von anderen Gefangenen. »Er hat gehandelt, wo viele sonst nur reden, fluchen und sich allenfalls zu der Fantasie hinreißen lassen«, kommentiert der in der JVA Bruchsal inhaftiere Thomas Meyer-Falk den Hungerstreik in einem im Internet verbreiteten Brief.
Ein Solidaritätskomitee befürchtet, dass Braeuner die Einweisung in die Psychiatrie oder die Zwangsernährung drohen könnte. Die Initiative ruft dazu auf, mit Briefen und E-Mails an das niedersächsische Justizministerium die Forderung des Hungerstreikenden zu unterstützen. »Es ist uns klar, dass ohne Druck von draußen Werners legitime Forderung nicht durchgesetzt werden kann«, heißt es in dem Appell.
www.political-prisoners.net
www.gefangenen.info
Offener Brief zum Hungerstreik von Werner Braeuner, JVA Sehnde, vom Komitee für Grundrechte
Gefangenenbeauftragter Christian Herrgesell
Komitee für Grundrechte und Demokratie
Aquinostr. 7-11
50670 Köln
An Herrn Justizminister
Bernd Busemann
Am Waterlooplatz 1
30169 Hannover
Offener Brief an den niedersächsischen Justizminister, Bernd Busemann, und die Leiterin der JVA Sehnde, Krimhild Timmermans-Eike
Betr.: Hungerstreik des Gefangenen Werner Braeuner in der JVA Sehnde
Sehr geehrte Frau Timmermans-Eike, sehr geehrter Herr Busemann,
am Sonntag, den 8. Mai 2011, ist der z.Zt. in der JVA Sehnde inhaftierte Gefangene Werner Braeuner in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Braeuner, der sich bereits seit 2001 in Haft befindet, hat diese drastische Aktionsform gewählt, um gegen die nach seinen Ausführungen menschenunwürdige, zum Teil stark verunreinigte Gefängnisnahrung in der JVA zu protestieren und eine Auszahlung des vom Niedersächsischen Justizministerium für Nahrungsmittel veranschlagten Tagungsverpflegungssatzes von rund 7 Euro zur selbstständigen Versorgung mit gesundem, vitaminreichen Essen durchzusetzen.
Leider erreichen uns immer wieder Zuschriften von Gefangenen, in denen die miserable, menschenunwürdige Praxis bei der Versorgung mit Lebensmitteln in den Vollzugsanstalten beanstandet wird. Unter Verweis auf den wachsenden Kostendruck und unter Inkaufnahme der Gefährdung der Gesundheit der Insassen wird zunehmend auch an den ganz wenigen, grundlegenden Dingen eingespart, über welche den Inhaftierten noch ein Minimum an Mitbestimmung zugestanden werden sollte.
In Folge dessen kann so z.B. eine gesunde, vitaminreiche Ernährung nur noch über den Zukauf von Lebensmittel auf eigene Rechnung in den überteuerten, vielerorts privat betriebenen Gefängniskiosken gewährleistet werden. Diese Situation hat sich mit Inkrafttreten des landeseigenen Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes und dem daraus u.a. resultierenden Entfall der Möglichkeit des Paketempfangs weiter zugespitzt.
Wir ersuchen das Niedersächsische Justizministerium und die Leitung der JVA Sehnde, sich gegenüber Herr Braeuner kompromissbereit zu zeigen und auf eine einvernehmliche Lösung hinzuarbeiten. Darüber hinaus hat die Vollzugsbehörde dringend dafür Sorge zu tragen, dass für alle Inhaftierten eine ausreichende Versorgung mit abwechslungsreicher und gesunder Nahrung sichergestellt werden kann.
Das Grundrechtekomitee wird die weitere Entwicklung beobachten und ggf. erneut dazu Stellung nehmen.
Mit freundlichen Grüßen,
Christian Herrgesell, Komitee für Grundrechte und Demokratie
gez. Wolf-Dieter Narr, Komitee für Grundrechte und Demokratie
Antwortmail einer Anfrage an die JVA Sehnde
Von: “Leitner, Ines”
Sehr geehrter Herr Nowak
In Ihrer Anfrage an die JVA Sehnde baten Sie im Zusammenhang mit dem angekündigten Hungerstreik des Gefangenen Werner Braeuner um die Beantwortung folgender Fragen:
1.) Braeuner nennt als Begründung für seinen Hungerstreik “Exkremente im Knastessen”. Sind die Vorwürfe überprüft worden?
2.) Kann es sein, dass Mithäftlinge dafür verantwortlich sind?
3.) Welche Maßnahmen werden von Seiten der JVA Sehnde ergriffen, falls Braeuner den angekündigten am 8 Mai beginnt?
Hierzu teile ich mit:
zu 1.)
Die Hygiene der Küche wird täglich durch entsprechend befähigte Mitarbeiter sowie unregelmäßig durch diverse externe Kontrolleure überprüft. Gleiches gilt für die Qualität des Essens. Aus diesen Kontrollen gibt es keine Beanstandungen, dass die hier zubereiteten Speisen mit Exkrementen verunreinigt seien. Ebenso sind auch keine entsprechenden Beschwerden von weiteren Gefangenen bekannt.
zu 2.)
Da es keine Beanstandungen gibt, stellt sich die Frage der Verantwortlichkeit anderer Gefangener nicht.
zu 3.)
Mit Eintritt in einen Hungerstreik wird ein Gefangener engmaschig medizinisch betreut. Herr Braeuner wird seit dem 08.05.11 in regelmäßigen Abständen dem medizinischen Dienst der JVA Sehnde vorgestellt um seinen Gesundheitszustand schriftlich zu dokumentieren. Darüber hinaus wird schriftlich festgehalten, ob er an der Gemeinschaftsverpflegung oder einer Eigenverpflegung teilnimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Leitner
JVA Sehnde
Ines Leitner
Öffentlichkeitsarbeit
Schnedebruch 8
31319 Sehnde
05138 502139
www.jva-sehnde.de