Mit dem Hubschrauber aus dem Knast
Seit es Knäste und Anstalten gibt, in denen Leute weggesperrt werden, gibt es Ausbrüche aus diesen. Entweder durch die Hilfe von draußen oder durch eigene Kraftanstrengungen und meist mit ausgeknobelten Plänen und trickreichen Ideen. Mit dem Voranschreiten der technologischen Entwicklung werden auch gerne Hubschrauber zur Fluchthilfe benutzt. Erst vor wenigen Wochen geschah dies wieder einmal, diesmal in Belgien. Diesen und zwei weitere Fälle wollen wir vorstellen und deren Geschichte verbreiten.
Insgesamt gab es weltweit bis zum heutigen Tage mehr als 30 Versuche Gefangene mittels von Hubschraubern zu befreien. In einem Fall wurden Waffen aus der Luft in den Knast geworfen, mit welchen sich die Inhaftierten nach draußen kämpften, in den anderen Fällen nahmen die Hubschrauber die Gefangenen an Bord und flogen mit ihnen davon. Es gab ein paar missglückte Versuche, zum Teil deswegen, weil sich zu viele Gefangene in und am Helikopter befanden und dieser nicht mehr starten konnte und abstützte. Ein Großteil der Ausbrüche fand in Frankreich statt, hoch im Kurs liegen aber auch die USA, Belgien und Griechenland.
Die möglicherweise spektakulärsten Ausbrüche waren die von Vasilis Paleokostas und Alket Rizai im Juni 2006 und im Februar 2009 aus dem Knast Korydallos in Athen, jeweils auf die gleiche Art und Weise. Dazu mehr in einem älteren Artikel von uns.
Ausbruch aus belgischem Knast mit einem Hubschrauber
Am 23. Juli 2009 buchten zwei Personen eine Sightseeingtour mit einem Hubschrauber für die Region um Brügge in Belgien. Als sie sich in den Lüften befanden, befahlen sie dem Piloten, mittels einer vorgehaltenen Waffe, zum nahe gelegenen Knast zu fliegen. Dort landete der Hubschrauber und drei Inhaftierte kletterten hinein. Ein vierter musste zurückgelassen werden, da kein Platz mehr für ihn war und der Pilot es ablehnte mit mehr als sechs Personen zu fliegen, er wurde von den Wachen festgenommen. Die drei anderen entkamen und landeten in der Umgebung von Brügge, kidnappten ein Auto an einer Tankstelle und verschwanden.
Die drei Entflohenen saßen aufgrund von Banküberfällen im Knast und sollen die gefährlichsten Kriminellen Belgiens sein. Ashraf Sekkaki, einer der drei, gelang schon einmal vor fünf Jahren die Flucht, wurde aber nach fünf Monaten wieder inhaftiert. Die beiden anderen sind Mohammed Johry und Abdelhaq Melloul-Khayari, nach allen dreien wurde sofort nach Bekanntwerden des Ausbruchs eine Interpolfahndung eingeleitet. Die Person, welche den Hubschrauber anmiete, soll die Freundin eines der Entflohenen sein, sie ist ebenfalls untergetaucht. Am 2. August hieß es von Seiten der Behörden in Belgien, dass die Entflohenen für vier Banküberfälle verantwortlich sein sollen, die Beute beträgt mehr als 100.000 Euro. Einer der drei wurde am Morgen des 3. August in Brüssel wieder festgenommen, mit 20.000 Euro in der Tasche. Die anderen wurden später in Marokko festgenommen.
Bereits im Oktober 2007 gelang es dem inhaftierten Nordin Benallal, ein sogenannter Ausbrecherkönig – dies war bereits seine vierte Flucht, mit Hilfe eines Helikopters aus einem belgischem Knast zu fliehen. Komplizen kidnappten einen Hubschrauber inklusive des Piloten und flogen zum Knast von Ittre und landeten im Hof, genau zu der Zeit, als alle Gefangenen gerade die Freistunde abhielten. Nordin stieg in den Hubschrauber, beim Abheben versuchten weitere Gefangene ebenfalls zu entkommen, indem sie sich an den Hubschrauber hängten. Dieser stürzte aber aufgrund des Gewichtes ab und es gab eine Vielzahl an Verletzten. Die Komplizen zwangen daraufhin die Schließer unter Waffengewalt das Tor zu öffnen und Nordin konnte trotzdem fliehen. Vor dem Knast stand ein auf ihn wartender Kleintransporter mit laufendem Motor, mit welchem sie davon fuhren. Nur drei Tage später wurde Nordin in den Niederlanden wieder festgenommen.
Nur wenige Monate zuvor gelang einem anderen Gefangenen, dem Franzosen Erik Ferdinand, die Flucht aus einem belgischen Knast per gekaperten Helikopter.
1971: Der erste Ausbruch per Hubschrauber
Der erste bekannte Knastausbruch mit einem Hubschrauber geschah am 19. August 1971 in Mexiko-City. Im Knast Santa Martha Acatitla gab es eine Filmvorführung, zu welcher die Inhaftierten und der Großteil der 136 Wachen zusammen kamen, als im Hof ein Hubschrauber zur Landung ansetzte, welcher die gleiche Farbe, wie der des Justizministers hatte. Die Wachen vermuteten, dass es sich um einen unangemeldeten offiziellen Besuch handeln würde, aber die Realität sah anders aus. Als der Helikopter auf dem Boden aufgesetzt hatte, kamen zwei Gefangene aus der Zelle Nr. 10 gerannt und waren in weniger als zwei Minuten in der Luft, in der kurzen Zeit fielen keine Schüsse, noch gab es Verletzte.
Einer der beiden Entflohenen war Joel David Kaplan, ein New Yorker Geschäftsmann, verurteilt wegen Mordes an seinem Geschäftspartner und behauptete felsenfest unschuldig zu sein und durch ein Komplott im Knast gelandet zu sein, der andere war sein Mitgefangener Carlos Antonio Contreras Castro, ein venezuelanischer Fälscher. Die Ausbruchspläne wurden erst am Tag vor der Flucht vollendet, als ein Amerikaner die Zelle Nr. 10 besuchte, begleitet von den Frauen der beiden Inhaftierten. Nach dem Flug mit dem Hubschrauber stiegen die beiden Entflohenen, auf einem in der Nähe gelegenen Flugplatz, in eine kleine Cessna um, welche sie zu einem Flugplatz nahe der texanischen Grenze brachte. Zwei weitere Flugzeuge warteten bereits auf sie. Castro flog mit einer Maschine nach Guatemala, Kaplan flog nach Texas und dann weiter nach Kalifornien. Der Hubschrauber und die Cessna wurden später verlassen gefunden, gekauft wurden sie vor dem Ausbruch in den USA für eine geschätzte Summe vom 100.000 US Dollar.
In Mexiko wurde der Justizminister Julio Sanchez Vargas dazu gezwungen zurückzutreten und alle 136 Wachen wurden verhört. Die Filmvorführung war die erste nach über zwei Jahren gewesen. Die beiden Entflohenen wurden nicht gefunden. Später schrieb David Kaplan ein Buch über sein Erlebnis – „The 10-Second Jailbreak“, welches 1975 verfilmt wurde unter dem Namen „Breakout“ mit Charles Bronson in der Hauptrolle.
1973: Und wieder ein Ausbruch mit einem Hubschrauber
Nur zwei Jahre später, am 31. Oktober 1973, gelang Gefangenen wieder eine Flucht aus einem Knast mit Hilfe eines Hubschraubers. Diesmal auf der anderen Seite des atlantischen Ozeans, in Irland, aus dem Mountjoy-Gefängnis in Dublin. Es wurden drei Personen aus der Führungsebene der IRA befreit, die zum Teil erst seit einer kurzen Zeit im Gefängnis saßen.
Ein Mr. Leonhardt mietete wenige Tage zuvor einen Hubschrauber am Dubliner Flughafen, mit der Begründung am 31. Oktober Fotoaufnahmen der Umgebung aus der Luft machen zu wollen. An besagtem Tag flog der Pilot, wie verabredet zu einem Feld in der Nähe, wo das Fotoequipment eingesammelt werden sollte. Stattdessen erschienen zwei bewaffnete und maskierte Personen, welche den Piloten unter Waffengewalt zwangen zum Knast in Dublin zu fliegen und allen Anweisungen Folge zu leisten.
Der Hubschrauber landete innerhalb der Knastmauern nahe des D-Flügels, in welchem die politischem Gefangenen einsitzen, und wenige Augenblicke später kamen Séamus Twomey, JB O’Hagan und Kevin Mallon angelaufen und enterten den Helikopter. Die Wärter realisierten erst nicht was vor sich ging, da einige von ihnen dachte, dass es sich um einen Besuch des Verteidigungsministers handeln würde. Die Versuche der Wärter die Flucht zu verhindern wurden von den anderen Gefangenen, welche sich auf dem Hof befanden, vereitelt, indem diese die Wärter zum Teil körperlich angriffen. Der Pilot wurde angewiesen auf einer stillgelegten Rennstrecke außerhalb der Innenstadt von Dublin zu landen, dort wartete eine Auto, welches Stunden zuvor in der Nähe entwendet wurde und brachte die Entflohenen in eine sichere Umgebung.
Unterdessen liefen die Gefangenen des Knastes immer fort auf dem Hof herum, um den Schließern das Ermitteln der Identität der Entflohenen zu erschweren. Erst nachdem die Gefangenen in die Zellen zurückgekehrt waren, konnte festgestellt werden wie viele und welche Gefangenen entkommen konnten.
In Belfast gab es daraufhin unzählige Freudenfeste, hingegen es in Dublin über 300 Hausdurchsuchungen auf der Suche nach den drei Entkommenen gab. In allen Teilen der Welt verursachte der Ausbruch Schlagzeilen und brachte die Regierung in eine missliche Lage. Alle restlichen IRA-Gefangenen wurden in ein anderes Gefängnis verlegt. Der erste der drei Entflohenen wurde im Dezember des selben Jahres wieder festgenommen, der nächste im Jahr 1975 und der letzte im Dezember 1977. Es konnte nie ermittelt werden, wer dieser mysteriöse Mr. Leonhardt war. Die “Irish Rebel Music”-Band the Wolfe Tones setzte den Ausbruch musikalisch um: The Helicopter Song