Neuigkeiten von den kalifornischen Gefangenen

Vom 1. bis zum 22. Juli fand im Hochsicherheitsgefängnis Pelican Bay, Kalifornien, USA, ein Hungerstreik statt.
Dazu ein Text, welcher auf de.indymedia veröffentlicht wurde, und die Übersetzung eines Briefes von Mutope Duguma, welcher in der Organisierung des Hungerstreiks eine entscheidene Rolle gespielt hat.

Am 1. Juli waren zunächst einige Hundert Gefangene im berüchtigten Pelican Bay Prison in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Ihre Kernforderungen waren ein Ende der Jahrzehnte langen Anwendung von Isolationshaft, die Abschaffung von Gruppenbestrafung sowie Zugang zu Bildung, Kommunikation mit der Außenwelt sowie elementare Gesundheitsversorgung. Die Gefangenen erklärten von vornherein, dass sie notfalls ihr Leben für die Erfüllung dieser Forderungen einsetzen würden.
Innerhalb weniger Tage schlossen sich in insgesamt 13 anderen kalifornischen Gefängnissen über 6600 Gefangene an. Die Kalifornische Gefängnisbehörde (im Original “California Department of Corrections and Rehabilitation” – CDCR) signalisierte nach ca. drei Wochen Gesprächsbereitschaft, da sehr viele Gefangene bereits todkrank waren. Die extreme Sommerhitze hatte bei vielen der Hungerstreikenden zu starker Dehydrierung und Nierenbeschwerden geführt.

Am 20. Juli kam es zu Verhandlungen zwischen dem Vorsitzenden und Vize-Vorsitzenden der CDRC, Matthew Cate und Scott Kernan auf der einen und Delegierten der Gefangenen auf der anderen Seite. Es wurde vereinbart, der Behörde drei Wochen Zeit zu geben, mit der Umsetzung der Forderungen der Hungerstreikenden zu beginnen. Als Zeichen der eigenen Bereitschaft unterbrachen die Gefangenen darauf hin den Hungerstreik.

Die CDRC verkündete zunächst, der Hungerstreik sei für die Zusage nach Fortbildungsmöglichkeiten und die Ausgabe von Wollmützen gegen die Kälte im Winter beendet worden. Das entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Wie aus einem Brief vom 8. August des in Pelican Bay inhaftierten Mutope Duguma (1) hervor geht, warten die Gefangenen lediglich, ob die Behörden ihren Teil der Zusagen erfüllen.

Mutope Duguma sagt: “Die beiden Idioten (der CDRC – Einschub Übersetzerin) propagieren, dass unsere Delegierten sich mit Schutzmützen, Rechtshilfe und Wandkalendern zufrieden gegeben hätten, während viele von uns aufgrund von Denunziationen für 10 bis zu 40 Jahren in Isolationshaft sitzen. Auf diesen Blödsinn sollen wir uns geeinigt haben? Sei mal realistisch.”

Aus Verantwortung für über 500 Hungerstreikende allein in Pelican Bay hätten die Delegierten zu einer Unterbrechung des Hungerstreiks aufgerufen, um zu sehen, ob die Behörden wirklich nach Lösungen suchen würden. Es gibt genügend Erfahrungen aus voran gegangenen Kämpfen. Die Gefangenen wollen wirklich ein Ende der Isolationshaft und des aufgezwungenen Spitzelsystems durchsetzen. Vielen ist klar, dass sie ohne die Durchsetzung dieser Forderungen keine realistische Möglichkeit mehr haben, der außergerichtlichen Willkür der Wärter_Innen lebend zu entkommen. Sie sind daher bereit, bis zum Tod für die Aufhebung der Isolationshaft und aller anderen Forderungen zu kämpfen. Mutope Duguma: “Das System kann uns nicht gegeneinander ausspielen. Wir werden unsere friedlichen Demonstrationen fortsetzen, um dieser Folter zu widerstehen. Der Hungerstreik ist definitiv eine gewaltfreie Aktion, welche wir fortsetzen können.”

Aus den militärischen Antworten früherer Behörden auf US Gefängnisaufstände (2) hatten bereits im Winter 2010/2011 über 4500 Gefangene in den Bundesstaaten Georgia, Alabama und Ohio nicht den offenen Aufstand sondern die Arbeitsverweigerung gewählt. Sie ließen sich über Wochen in ihren Zellen einschließen und fügten den Konzernen und Gefängnisleitungen damit über Wochen Millionenschäden zu.

In wenigen Tagen will sich das Parlament Kaliforniens in einer Gesetzgebungsanhörung mit den Zuständen in seinen Gefängnissen beschäftigen. Angehörige der Hungerstreikenden werden dort sprechen. Weit über Kalifornien hinaus wird dazu aufgerufen, für eine Ende der Isolationshaft und Masseninhaftierung auf die Straße zu gehen.

——————–

(1) siehe dem Brief unter diesem Text

(2) z.B. der Attica Gefängnisaufstand von 1971: Gefangene rebellierten offen und nahmen Wärter als Geiseln, um Verbesserungen der Haftbedingungen durchzusetzen. Der Bundesstaat New York entschied, das Militär auf die Gefangenen loszulassen. Das kostete 39 Gefangene und Geiseln das Leben. Die allermeisten Gefangenen wurden anschließend schwer gefoltert. Weitere Informationen auf libcom.org oder im Film Attica über den Aufstand und die blutige Niederschlagung


Ein Brief von Mutope Duguma (amerikanischer Name: James Crawford),
Gefangener des Pelican-Bay Gefängnisses in Kalifornien, USA

Es ist mir wieder einmal eine aufrichtige Freude, den New Afrikan People durch meine Hand Gehör zu verschaffen. Ich hab mich von meinem strikten 20-tägigen Hungerstreik erholt und ich kann euch sagen, dass es so, wie ich es persönlich erfahren habe, die Hölle war! Ich fühlte wie das Leben aus mir raus gesaugt wurde.

Es war genauso grauenhaft, wie ich es mir vorgestellt hatte, wir hatten Tag für Tag Leute die zusammenbrachen und mein Zellengenossse und ich verloren 40 Pfund (Anm.: ein bisschen weniger als 20 Kilo). Mein Zellengenosse heißt Sitawa (R.N. Dewberry), er sendet euch Grüße. Er musste ins Corcoran SHU (Hochsicherheitsgefängnis) verschifft werden, da er so gebrechlich wurde. Er ist 1,83 m groß und wog 206 Pfund (ca. 90 kg) und fiel auf 166 Pfund (ca.70 kg). Ich bin 1,85 m groß und wog 250 Pfund (ca. 115 Kg), wobei ich nun auf 210 Pfund (ca. 90 kg) bin.
Aber es war definitiv ein erschreckendes Ereignis, da du niemals wusstest wann du, aufgrund des Hungers, ausscheiden würdest. Ich beobachtete, dass wenn einer einen schnellen Stoffwechsel hat, das sich das Gewicht schnell reduziert, denn Sitawa sah erschreckend dünn aus. Ich habe mir Sorgen um ihn gemacht.

Wenn du deine Leute liebst, dann machst du dir immer Gedanken um sie. Ich habe ihm gesagt, er solle sich nicht so viel bewegen, aber er ist ein Revolutionär. Wir debattierten darüber das wir uns bis zum Ende gegenseitig helfen würden zu überleben, währenddessen wir sehr langsam dahin rafften.

Jetzt versuchen wir wieder zu zunehmen, denn dieser Hungerstreik ist weit davon entfernt zu Ende zu sein. Sitawa ist einer der vier Hauptrepräsentanten in den Verhandlungen. Er tritt für alle New Afrikans, die in ganz Kalifornien in Isolationshaft gefangen gehalten werden, ein.

Aufgrund der Verhandlungen vom 20. Juli 2011, ist der Hungerstreik gerade temporär abgebrochen, denn die CDCR ( kalifornische Gefängnisverwaltung), vertreten durch Staatsekretär Scott Kernan und Matthew Cate, flehte unsere Verhandlungsvertreter an, den Hungerstreik abzubrechen, wobei sie im Gegenzug unsere 5 Kernforderungen in 2-3 Wochen bestätigen würden. Es ist jetzt der 7. August und wir warten immer noch darauf.

Dann behaupten diese zwei Idioten, dass sich unsere Verhandlungsvertreter auf Kalender, Rollmützen und einen Anwalt für Spezialgerichte eingelassen hätten, obwohl wir hier, aufgrund von Spitzelaussagen 10-40 Jahre in Isolationshaft absitzen.
Auf solchen Scheiß sollen wir uns eingelassen haben? Seid nicht kindisch.

Unsere Vertreter sind nicht besorgt, denn das Wichtigste ist, was sie in der nächsten Verhandlung sagen und tun. Er versprach uns alle fünf Forderungen und einen schrittweisen Wandel. Wenn er mit leeren Händen zurück kommt, stehen wir wieder am Anfang: Hungerstreik.

Hier gibt es 500 Gefangene, die den Hungerstreik buchstäblich nicht abbrechen wollten, aber wir müssen darauf achten, denn diese Gefangenen, uns eingeschlossen, würden ihre Leben riskieren – denn welche andere Möglichkeit haben wir, wir die der Folter bis ans Ende unseres Lebens ausgesetzt sind, noch außerhalb dessen?

Also macht es uns was aus? Nein, denn für 21½ Jahre wurden wir im Pelican Bay Staatsgefängnis unter den menschenunwürdigsten Bedingungen in Isolationshaft stillgehalten.
Also kämpfen wir weiter dafür, dass man uns wie respektable menschliche Wesen behandelt.

Ich werde euch auf dem Laufenden halten, denn dieser Hungerstreik hat noch nicht mal richtig angefangen!

Das System wird kein Spielchen mit uns treiben, denn wir werden friedlich demonstrieren um uns der Folter zu widersetzen, und der Hungerstreik ist eine friedliche Grundhaltung, die wir wieder anfangen werden ausüben.

Es war mir ein Vergnügen

One love, one struggle.

Schreibt unserem Gefährten:

James Crawford,
D-05996, D1-117U, PBSP-SHU
P.O. Box 7500
Crescent City
CA 95532

Er ist der Autor des „Aufrufs“, der formalen Ankündigung des massiven Hungerstreiks, an dem 6600 Gefangene teilnahmen.

You may also like...