Recht auf Kaugummi – Sicherungsverwahrte in der JVA Rosdorf protestieren gegen ihre Haftbedingungen
erschienen am 29. Oktober 2013 in der Tageszeitung neues Deutschland
Aus Protest gegen die Art ihrer Unterbringung waren Sicherungsverwahrte in der JVA Rosdorf bereits in den Hungerstreik getreten. Der ist nun zwar ausgesetzt, doch die Gründe bleiben.
Acht sicherungsverwahrte Straftäter in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rosdorf, die aus Protest gegen angebliche Missstände bei der Unterbringung in den Hungerstreik getreten waren, haben ihre Aktion nach einem Gespräch mit der Anstaltsleitung ausgesetzt. Dabei wurde vereinbart, in vier Wochen eine sogenannte Hauptversammlung einzuberufen und in diesem Rahmen bestimmte Forderungen der Sicherungsverwahrten zu diskutieren. Zusagen seien zunächst nicht gemacht worden, heißt es. Nachdem am 17. Oktober zunächst sechs Männer die Aufnahme von fester Nahrung verweigerten, hatten sich ihnen vor einer Woche zwei weitere Sicherungsverwahrte angeschlossen.
In Rosdorf befindet sich seit Mai dieses Jahres die zentrale Sicherungsverwahrung des Landes Niedersachsen. In dem 12,5 Millionen teuren Neubau auf dem JVA-Gelände mit vergleichsweise hohem Wohnkomfort werden als gefährlich eingestufte Straftäter nach Verbüßung ihrer Gefängnisstrafe untergebracht. Sie leben in 23 Quadratmeter großen Apartments mit Kochnische, Dusche und Telefon. Von 45 Plätzen sind bisher 24 belegt.
Bereits Ende September hatten sich 13 Sicherungsverwahrte aus Rosdorf mit einem Forderungskatalog an das niedersächsische Justizministerium in Hannover gewandt. Obwohl ihre Unterbringung und ihre Haftbedingungen deutlich komfortabler und freizügiger geworden sind, halten sie ihre Vollzugsbedingungen für rechtswidrig. Nach ihrer Ansicht verstoßen verschiedene Einschränkungen gegen das sogenannte Abstandsgebot, welches das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe der Justiz auferlegt hat. Danach müssen Sicherungsverwahrte gegenüber Strafgefangenen bessergestellt werden, da sie ihre Strafe bereits verbüßt haben.
Konkret bemängeln die Betroffenen unter anderem, dass sie kein Kaugummi und kein Backpulver erhalten und viele Haushaltsgeräte nicht benutzen dürften. Die Anstaltsleitung begründet dieses Verbot mit Sicherheitserwägungen: So könnte Kaugummi auch dazu verwendet werden, um Schlösser zu verkleben, die dann nicht mehr zu benutzen seien. Und Backpulver lasse sich zum Herstellen von Sprengsätzen nutzen. Man dürfe nicht vergessen, dass die Sicherungsverwahrten immer noch als gefährlich eingestuft seien, so Anstaltsleiterin Regina Weichert-Pleuger. Schon im Sommer hatten Sicherungsverwahrte aus Rosdorf einen Hungerstreik angekündigt, weil sie keinen Pfeffer und andere scharfe Gewürze vorrätig haben dürfen. Diese werden nur kontrolliert abgegeben und müssen nach dem Kochen wieder abgegeben werden – ebenfalls aus Sicherheitsgründen. Pfeffer sei geeignet, Mitarbeiter des Wachpersonals handlungsunfähig zu machen, hieß es.
Ein weiterer Kritikpunkt in dem Schreiben an das Justizministerium betrifft die Häufigkeit und Dauer von Besuchen und Ausgängen. Ausgänge würden behindert, Therapieangebote gebe es faktisch nicht, Anhörungen und Eingaben bei Gericht würden »teilweise über Monate« verschleppt. Die Prozedur zur Freischaltung von Telefonnummern, die angerufen werden dürften, sei »rechtswidrig«, sie verstoße gegen das Recht auf Datenschutz. Grundsätzlich stehen den Sicherungsverwahrten einmal im Monat Ausgänge in Begleitung von Justizbeamten zu.
Wie das Abstandsgebot gegenüber Strafgefangenen ausgestaltet werde, obliege der JVA, sagt dagegen Weichert-Pleuger. Das gelte auch für die Dauer der Ausführungen oder die Anzahl der Begleiter. Bei den Besuchsregelungen habe man bereits ein Entgegenkommen signalisiert. Sowohl die Mitarbeiter als auch die Anstaltsleitung seien ständig mit den Sicherungsverwahrten im Gespräch. Die Anstaltsleitung habe bei einem Gruppengespräch die Gründe für bestimmte Vollzugsregelungen dargelegt. Offenbar habe dies die Betroffenen nicht zufriedengestellt. Die Hungerstreikenden wurden nach Angaben von Weichert-Pleuger während der Protestaktion täglich einem Arzt vorgeführt und gewogen. Die Notwendigkeit zu einem medizinischen Eingreifen bestand demnach nicht.