Santiago, Chile – 81 tote Gefangene, viele mehr mit schweren Verletzungen
– das Resultat wenn der Knast brennt und du dennoch eingesperrt bleibst
Am 8. Dezember 2010, gegen 4 Uhr morgens, brach, bis jetzt noch aus unerklärlichen Gründen, ein Feuer im San Miguel Knast in Santiago de Chile aus.
Bei der bis dato schlimmsten Katastrophe des chilenischen Knastsystems starben 81 Gefangene und über 20 wurden schwer verletzt.
Medien und Behörden behaupten, dass das Feuer, welches in der 4. Etage des Zellentrakts 5 ausgebrochen war, bei einen Streit unter den Gefangenen entstanden sei. Beweise dafür liegen aber nicht vor. Fakt ist, dass die meisten der Toten, eingesperrt in ihrem Trakt, qualvoll verbrannt und erstickt sind.
200 weitere Gefangene mussten unter Bewachung auf einen nahe gelegenen Sportplatz evakuiert werden. Der Knast ist katastrophal überfüllt. Statt der vorgesehenen Anzahl von 700 Insassen, behaust der Knast ungefähr 1.960.
Angehörige der Gefangenen strömten kurz nach der Tragödie an die Knastmauern, schrien die Namen ihrer Liebsten und forderten die PolizistInnen flehend auf, sie hinein zulassen um sie zu befreien. Zahlreiche Riotcops mussten die Eingänge vor einer möglichen Eskalation bewachen. Einige der Angehörigen bewarfen die Cops mit Flaschen, Eiern und Steinen. Sie verlangten eine Liste der Toten. Nachdem eine solche nach langer Zeitdauer präsentiert wurde, kam auch schon der nächste Schock, denn die Anzahl der Toten hatte sich irrtümlicher Weise von 81 auf 83 erhöht, so dass die Liste korrigiert werden musste, was die Stimmung der anwesenden Angehörigen erzürnte. Derjenige, der wohl am meisten von den Familien beschimpft und mit Eiern und anderen Geschossen angegriffen wurde, war der Gouverneur der Hauptstadt, Fernando Echeverria.
„81 sind tot und wir hoffen, dass sich diese Zahl nicht erhöht“, sagte Luis Masferrer, Direktor des nationalen Gefängnissystems. “Das spiegelt den prekären Zustand des Gefängnissystems Chiles wieder, den wir anprangern und den wir durch unsere Arbeit versuchen zu berichtigen, seit dem wir übernommen haben [im März].“ So wird der Eindruck vermittelt, dass der chilenische Knastapperat seine Situation realisiert. Justizminister Felipe Bulnes und Staatspräsident Sebastiàn Piñera müssen einräumen, dass 70% der Gefängnisse in Chile überfüllt sind. Weiterhin, dass das Strafvollzugssytem in Chile „so nicht weiter gehen“ könne, und dass das Problem, welches schon seit mehreren Jahren bestünde, ein aus „der Vergangenheit vererbtes Thema“ sei. Am 15. Oktober hatte er einen 11-Punkte-Plan angekündigt, der die Haftbedingungen verbessern soll.
Dabei vergisst jener Staat, dass die Probleme nicht mit noch größeren und „sicheren“ Knästen, dass soziale Ungerechtigkeit und der daraus resultierende Zorn nicht mit noch mehr Polizeipräsenz oder mit Repression gelöst werden kann und dass der Staat selbst schuld für die Überfüllung ist, wenn er soziale Spannung durch Kriminalisierung und Verhaftungen versucht zu unterdrücken.
So verwundert es kaum, dass die Betroffenen dieser Justizwillkür ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Einige Tage nach dem Brand im San Miguel Gefängnis kam es zu Unruhen in einem anderen, ebenfalls überfüllten Knast in Santiago de Chile, wo die Insassen, nach einer Durchsuchung der Zellen nach verbotenen Gegenständen, revoltierten und die Büttel der Justiz Gummigeschosse und Schlagstöcke einsetzen mussten um die Gefängnisordnung wieder herzustellen. Dabei kam es nach Augenzeugenberichten zu mindestens 80 verletzten Gefangenen.
Auch ca. 1.500 Gefangene befinden sich seit kurz nach dem Brand vom 8. Dezember im Hungerstreik, denn der Knast in der chilenischen Hauptstadt, der für 800 Insassen konzipiert und auf 1.200 erweitert wurde, beherbergt knapp 7.000 Gefangene. Eine Kommission für Menschenrechte in Chile beschreibt die Situation als „unerträglich und unmenschlich“.
Unsere Gedanken sind bei den getöteten Gefangenen.
Unsere Solidarität gilt denen, die auch eingeschlossen hinter hohen Mauern ihrer Wut und den Zorn gegenüber den repressiven Organen freien Lauf lassen.
Reißen wir die Mauern ein die uns trennen!