Schnüffeln – Razzen – Wegsperren
§ 129-Verfahren aus Sachsen dehnt sich jetzt auch auf Berlin aus
Nach der Kriminalisierungswelle im Zuge der letzten Anti-Nazi-Demonstrationen erreicht die Repression jetzt auch Berliner Aktivist_Innen.
Es war einmal ein Landeskriminalamt (LKA) und zwar in Sachsen… Trotz einer großen und extrem gewaltbereiten Nazi-Szene gelang es Antifaschist*Innen dort in den letzten Jahren häufiger, große Aufmärsche dieser Szene zu stoppen. Auch im Alltag wird den Nazis seit dem mehr entgegen gesetzt.
Die Reaktion der Behörden war trotz Lippenbekenntnissen zur sog. “Zivilgesellschaft” eine andere. Flächendeckende Handy Überwachung bei Dresdener Antifa Protesten im Februar 2011 gehörten dabei ebenso zum Repertoire wie auch amtsanmaßende Durchsuchungen des sächsischen LKAs in Thüringen oder die Konstruktion einer sog. “Kriminellen Vereinigung” mit überregionalen Ermittlungsmöglichkeiten nach §129 gegen verschiedene Menschen – das sind dabei nur die bisher bekanntesten Aktivitäten.
Auffällig bei den “Ermittlungen” nach §129 ist jedoch die völlige Beliebigkeit der Vorwürfe. Ging es 2011 in Dresden noch darum, direkte Aktionen gegen Nazis zu kriminalisieren, wurde dem LKA schnell klar, dass die oft beschworene “Zivilgesellschaft” hier nicht völlig tatenlos zusieht. 2012 wurden die Ermittlungen gegen den im Visier stehenden Personenkreis daher auf weitere mutmaßliche Aktivitäten ausgeweitet. In mehreren Durchsuchungen und Vorladungen wird Aktivist_Innen nun vorgeworfen, 2009 an einem nie aufgeklärten Brandanschlag gegen Fahrzeuge der Bundeswehr beteiligt gewesen zu sein, mit dem Kriegsgegner*Innen gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan protestierten.
Die Praxis der Beamten des LKA Sachsen geht dabei jedoch weit über das Versenden von Vorladungen hinaus. Unter Mithilfe anderer LKAs werden seit 2009 Observationen von Menschen in verschiedenen Bundesländern durchgeführt – so auch in Berlin. Hier wurde jemand aufgefordert, freiwillig eine DNA-Probe abzugeben, was er aber verweigerte. Manche Beschuldigte kommen ins Visier der Schnüffler, weil sie die selben Veranstaltungen besuchen, in den gleichen Hausprojekten übernachten oder einen sich überschneidenden Freundeskreis haben. Andere, weil sie sich trotz der meist offenen Einschüchterung durch Überwachung nicht von denjenigen distanzieren, die bisher beschuldigt sind.
So wurde seit 2009 das linke Dresdener Wohnprojekt “Praxis” vom LKA observiert und war gleichzeitig massiven Angriffen von Nazis aus der Region ausgesetzt: ein lebensbedrohlicher Brandanschlag 2010, ein abgewehrter Nazi-Überfall im selben Jahr und ein weiterer am 19. Februar 2011, als 250 Nazis unter wohlwollender Polizeibegleitung mit der Erstürmung des Hauses scheiterten. Ab diesem Tag wurden die §129 Ermittlungen des LKA Sachsen öffentlich, da es zu verschiedenen Hausdurchsuchungen in Sachsen und darauf folgend auch in anderen Bundesländern kam. Aus “Rücksicht” auf den Nazi-Angriff gegen das Wohnprojekt “Praxis” wartete das LKA hier noch eine Weile mit der Hausdurchsuchung.
Jüngstes Beispiel ist eine Festnahme in Dresden, bei der dem Beschuldigten vorgeworfen wird, einen Beamten angegriffen zu haben, die eine Party beenden wollten. Erstaunlich an diesem Vorwurf ist jedoch, dass der zum Beschuldigtenkreis Zugehörige bereits vor dem Polizeieinsatz im Dezember namentlich von den Beamten angesprochen wurde. Das Jobcenter schickte ihm eine Einladung, woraufhin er vor Ort vom LKA festgenommen wurde. Von da an saß er 3 Wochen in Untersuchungshaft und ist jetzt wieder auf freiem Fuß.
Bei der im NSU-Skandal deutlich zutage getretenen Vermengung von Sicherheitsbehörden und Naziszene drängen sich vor diesem Hintergrund folgende Fragen auf:
– Warum ist das LKA Sachsen mit seinen offensichtlich austauschbaren Ermittlungsgrundlagen so stark daran interessiert, eine sog. “Kriminelle Vereinigung” von Antifaschist*Innen zu konstruieren?
– Gebraucht das LKA Sachsen neue Beschuldigungen wie z.B. den unaufgeklärten Brandanschlag gegen Bundeswehrfahrzeuge als Vorwand, um seine “Ermittlungen” überhaupt noch weiter führen zu können?
– Warum sieht die Bundesinnenministerkonferenz trotz der NSU-Morde und ihrer staatlichen Beihilfe weiterhin im “Linksextremismus” eine besondere Gefahr? Steht hinter den Ermittlungen der beteiligten Beamten des LKA Sachsen etwa politisches Kalkül?
Ob sich verschiedene Schlapphüte hier lediglich ihre Legitimation auf Kosten von Aktivist*innen sichern wollen oder ob hier aktiv staatliche Unterstützung für Nazis das Hauptinteresse ist, bleibt offen. Die Betroffenen dürfen damit nicht alleine gelassen werden. Linke Politik verteidigen!
Verfassungsschutz und Landeskriminalämter auflösen!
Infos aus Dresden: www.hundertneunundzwanzigev.blogsport.de
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