Silvester zum Knast – zwei Demos in Berlin
Während es seit Anfang der 1980er bis auf wenige Ausnahmen fast jedes Jahr Silvester-Demonstrationen gegen Knäste in Berlin gab, finden seit drei Jahren gleich zwei Anti-Knast Demos statt. Am Silvesternachmittag gingen ca. 200 Menschen von Friedrichshain aus zum Frauengefängnis in Lichtenberg.
Mit Parolen, Lautsprecherdurchsagen und dem Verteilen von Flugblättern an Passant_innen wurde eine grundsätzliche Kritik an Gefängnissen sowie der Gesellschaft und dem Staat formuliert, die Menschen einsperren.
Kein Gott – kein Staat – kein Patriarchat! Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen!
Vor dem Lichtenberger Frauengefängnis wurde zwei Beiträge gehalten. Die Zellen in diesem Knast gehen lediglich auf den Innenhof. Wir hoffen trotzdem, dass die Gefangenen die beiden Beiträge und die vielen solidarischen Parolen hören konnten.
Während der eine Redebeitrag sich mit den gesellschaftlich normierten und von knastkritischer Bewegung (re)produzierten Identitäts- und Trennlinien in Bezug auf Geschlecht und Solidarität auseinander setzte, ging der zweite auf den Gummiparagraphen 129 und hier speziell auf den Buchstaben b ein. Die Gefangene Gülaferit Ünsal sitzt seit knapp zwei Jahren in der JVA Lichtenberg unter Isolationsbedingungen in Untersuchungshaft, weil sich die Justiz der BRD zum verlängerten Arm der Repression in der Türkei macht und sie mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung belegt. In erster Instanz wurde Gülaferit bereits zu über sechs Jahren Haft verurteilt, ging aber in Berufung, so dass ihre Haftbedingungen nach wie vor den Sonderauflagen des BKA unterliegen.
Auf dem Rückweg wurden verschiedene Gefangenenprojekte – das Gefangenratgeberkollektiv und das Knast//Beratungsbüro a.r.a.p. – vorgestellt und zur Mitarbeit aufgerufen. Trotz der für die Größe der Berliner Szene eher geringen Teilnehmer_innenzahl war die Demo laut und kam nach ca. zwei Stunden ohne Beeinträchtigungen wieder in Friedrichshain an, wo sich alle bis zum Abend verabschiedeten.
Am Abend kamen dann knapp 500 Menschen nach Moabit, um vom S-Bahnhof Bellevue einmal um den nahe gelegenen Untersuchungshaftknast zu ziehen und dann gemeinsam zum U-Bahnhof Turmstrasse weiter zu laufen. Die Entscheidung, in diesem Jahr die Route zu verändern wurde getroffen, da die Bullenschweine es sich in den letzte Jahren nicht nehmen ließen, die Demoteilnehmer_innen nach Beendigung der Demo zu bedrängen und teilweise auch mit Repression wegen Böllerwürfen zu überziehen. (sic!)
Durch penetrante Kontrollen und nervige Durchsuchungen der eingesetzten “Ordnungshüter_innen” verzögerte sich der Demobeginn bis etwa 23:20 Uhr, aber dann ging es kraftvoll und entschlossen los. Zum Auftakt wurde der Aufruf vorgetragen, im Laufe der Demo gab es lautstarke Sprechchöre für die Freiheit aller Gefangenen und gegen die Existenz von Knästen und Zwangsanstalten. Vorbei ging die Route an am Verwaltungsgericht und am Amtsgericht Berlin. Leider wurde es hier verpasst, diese Institutionen ausreichend von der Demo aus zu thematisieren.
Angekommen vor dem Knast gab es einen Redebeitrag von einem Antifaschisten, der sich zur Zeit in U-Haft befindet. Er richtete seine Grußworte, auch stellvertretend für viele Insassen, an die Demo und kritisierte den Staat und seine Schergen. Wie wir später erfuhren, konnten die Gefangenen uns gut hören und haben sich sehr gefreut, die Musik und das Feuerwerk, welches von der Demo aus in den Innenhof geschossen wurde, wahr zu nehmen. Hinter den vergitterten Fenstern waren Gefangene zu sehen, welche die Demo begrüßten.
In diesem Jahr waren die Bullen, bis auf die ausgiebige Kontrolle zu Beginn sehr weit von dem Demozug entfernt und hatten anscheinend auch wenig Lust auf ihren Beruf (weiter so). Bis auf den Verbindungsbullen hatte die Demo bis zum Ende keinen Bullenkontakt.
Es waren zwei kraftvolle Demos, die leider auch am Abend – gemessen an Berliner Verhältnissen – eher klein waren und mehr kreatives Verhalten von uns allen verdient hätten.
Wir wünschen allen ein rebellisches Jahr 2014
…und von nichts kommt nichts!
Fire to the prisons! Freiheit für alle Gefangenen!