Thomas Meyer-Falk: Gefangene sind Lumpen !?
Heute soll über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Hamburg berichtet werden, wonach die Bezeichnung von Gefangenen als “Lumpen” eine straflose Meinungsäußerung darstelle (Ziff. 1), sowie über den Ausgang eines über 6 1/2jährigen Rechtsstreits eines Gefangenen der JVA Bruchsal (Ziff. 2).
1.) Gefangene sind Lumpen- so ein Wärter
Auch Strafvollzugsbedienstete sind gewerkschaftlich organisiert und zwar im Bund der Strafvollzugsbediensteten. Dessen Zeitschrift “Der Vollzugsdienst” druckte 2008 einen Bericht des hamburgischen Vollzugsbeamten Schuster, der mit einem Kollegen eine Dienstreise in die bayrische JVA Kaisheim unternommen hatte ab. In seinem Bericht beschrieb Schuster eine Führung durch die Anstalt in Kaisheim und fand es offenkundig amüsant, daß dort das Personal die Inhaftierten umgangssprachlich als “Lumpen” bezeichnet. Diesen Begriff machte er sich sodann zu eigen, z.B. als er beschrieb, daß den “Lumpen” in Kaisheim -im Gegensatz zu den Haftraumausstattungen in Hamburg- keine CD-Spieler zur Verfügung stünden.
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Beamten Schuster wegen des Verdachts der Beleidigung (Az.: 7301 Js 62/09, Staatsanwaltschaft Hamburg) stellte Staatsanwältin Dr. Graue das Verfahren ein, weil der Begriff “Lump” nach ihrer Auffassung “in Bayern offensichtlich eine übliche Bezeichnung ist”. Ferner fehle es dem Beamten an einem Vorsatz Gefangene beleidigen zu wollen, da er sich in seinem Bericht “lediglich des dortigen Jargons bedient und keine Herabsetzung (…) Gefangener beabsichtigt” habe.
Die angerufene Generalstaatsanwaltschaft Hamburg (Az.: 2 Zs 715/09) machte zudem geltend, daß angesichts der kurzen Verjährungsfrist im Presserecht (6 Monate) auch schon Verjährung eingetreten sei, so Staatsanwältin Menke.
Zur Zeit beschäftigen sich noch die Petitionsausschüsse in Hamburg und München mit der Frage welches Menschenbild wohl hinter der Verwendung des Begriffs “Lumpen” für Gefangene stehen mag.
2.) Schadensersatz für Bruchsaler Gefangenen
In den vergangenen Jahren berichtete ich schon mehrfach über den Klagemarathon des Fritz G. aus der JVA Bruchsal. Seit dem 06.08.2009 liegt nun ein wohl endgültiges Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Az.: 12 U 226/06) vor.
Wie alles anfing: seit Anfang 2002 war Herr G. als “Einkaufshelfer” beschäftigt. Im Verkaufsraum des damaligen Anstaltskaufmanns hatte er verschiedene Hilfstätigkeiten im Zusammenhang mit dem zweimal monatlich stattfindenen Basar-Einkauf zu erbringen. Mit Verfügung vom 02.06.2003 löste die Anstaltsleitung G. von dieser Tätigkeit ab, da er versucht haben soll eine Stange Tabak zu stehlen. Sich keiner Schuld bewusst klagte er sich durch alle Instanzen, und wurde Ende November 2005 wieder als Einkaufshelfer eingesetzt. Dem ging u.a. ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe (Az.: 7 Ca 327/05) voraus, welches mit einem Vergleich endete.
Aber Herr G. wollte den ihm entgangenen Verdienst ersetzt bekommen, weshalb er das Land Baden-Württemberg auf Schadenersatz vor dem Zivilgericht verklagte. In erster Instanz unterlag er 2006, da die Zivilkammer keine Amtspflichtverletztung erkennen wollte. Hiergegen legte G. Berufung zu OLG ein. Zwischenzeitlich erging am 27.12.2007 noch eine Entscheidung des von Fritz G. angerufenen Bundesverfassungsgerichts (Az.: 2 BvR 1061/05) in welcher sich das Gericht zur Frage der Verantwortlichkeit der Anstalt bei Verwendung von Gefangenen in Privatunternehmen ausführlich äußerte und der Verfassungsbeschwerde stattgab. (www.bverfg.de)
Mit Urteil vom 06.08.2009 billigte jetzt das OLG Karlsruhe dem Gefangenen 960.- Euro, zzgl. Zinsen zu, betonte jedoch ausdrücklich, daß nicht jede unrichtige Rechtsanwendung durch Gefängnisbeamte eine schuldhafte Amtspflichtverletzung darstelle. Denn solange einer getroffenen Entscheidung eine sorgfältige und gewissenhafte Prüfung vorausgehe, die dann getroffene Entscheidung “des Amtsträgers als rechtlich vertretbar angesehen” werden könne, scheide ein Schadenersatzanspruch aus. Denn nur weil etwa strafvollzugsgerichtliche Entscheidungen eine Verfügung der JVA missbilligten und aufheben, folgte hieraus noch kein zivilrechtlich relevanter Schuldvorwurf.
Deshalb erhielt Herr G. auch nicht die insgesamt geforderten knapp 1900.- Euro für die Gesamtdauer der Nicht-Verwendung als Einkaufshelfer, sondern nur die erwähnten 960.- Euro für einen Teil des Zeitraums.
Der ungerechtfertigte Vorwurf des versuchten Diebstahls belastete die Vollzugssituation des Fritz G. über Jahre. Es waren damit befasst: Landgericht (Zivilkammer und Strafvollstreckungskammer), das Amtsgericht (dort wurde er freigesprochen), das Oberlandesgericht (Strafsenat und Zivilsenat), das Bundesverfassungsgericht, das Arbeitsgericht. Ein Prozessmarathon von 6 1/2 Jahren der viel Geduld und Nerven abverlangte und hätte Herr G. nicht eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verbüßen und deshalb genügend Zeit um alles durchzustehen, vielleicht im Nichts geendet.
Thomas Meyer-Falk
c/o JVA – Z. 3113
Schönbornstr. 32
D-76646 Bruchsal
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