Thomas Meyer-Falk: Knast Bruchsal – weitere Entsozialisierung
Gefangene in der JVA (Justizvollzugsanstalt) Bruchsal durften bislang zwei Mal pro Monat in einem im Keller der Anstalt eingerichteten Verkaufsraum die Waren des täglichen Bedarfs einkaufen. Am Einkaufstag wurden die Insassen in Kleingruppen zum Verkaufsraum vorgelassen; dort übergaben sie ihre Bestelllisten den als Einkaufshelfern tätigen Mitgefangenen, die dann die Waren in die Wagen luden und zur Kasse brachten.
Sah man etwas im Regal, das einen besonders ansprach, so rief man dem Einkaufshelfer zu, dies oder jenes wolle man auch noch. Oder ein Produkt, das einem doch nicht gefiel, ließ man wieder ins Regal zurücklegen.
Ab Dezember ist jetzt eine Firma Massak GmbH tätig; bis November war es der Konzern REWE.
Nun gibt man fünf (!) Tage vor dem Einkaufstag der JVA eine Bestellliste, die der Firma gefaxt/gemailt wird. Am Einkaufstag erhält man dann einen oder mehrere Körbe (je nach Bestellmenge), in welchen die Waren gepackt liegen. Man unterschreibt den Beleg und schleppt sein Körbchen in die Zelle.
Für mich hat das etwas entsozialisierendes – ja entwürdigendes!
Die Anstalt freilich „verkauft“ diese Neuerung als grandiose Verbesserung. So heißt es in einem Schriftsatz der JVA Bruchsal vom 05.11.2007: „Auch am Markt gewinnt der Einkauf über Internet oder Katalogbestellung, auch im Lebensmittelsektor, immer größere Bedeutung (…). Auch für die Gefangenen ergeben sich (somit) Vorteile“.
Damit versucht die JVA, das Argument, die Änderung verletze den Angleichungsgrundsatz des § 3 Strafvollzuggesetz, auszuhebeln. In § 3 Abs. 1 heißt es: „Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden“.
Der tägliche Lebensmitteleinkauf findet aber unverändert in Supermärkten statt. Gefangene verlernen folglich auch diese soziale Fertigkeit.
Am 06.12.2007 fand der erste Einkauf unter der Regie der Firma Massak statt. Da ich mich zuvor schon brieflich über die Preisliste beschwert hatte, wollte Herr Massak mit mir sprechen. Als rhetorischen Trick aus der Mottenkiste empfand ich seinen Gesprächseinstieg: Er ließ wissen, er hätte so gerne allen Gefangenen zur Geschäftseröffnung eine Pizza spendiert. Leider habe meine Beschwerde ihn gehindert, da er fürchtete, ich würde mich beschweren, wenn er hygienerechtliche Bestimmungen nicht einhalte.
Er beliefere über 40 Anstalten und wirkliche Probleme gebe es nirgends, er hoffe, so werde es sich auch hier gestalten und ich möge mich doch nicht gleich beschweren, sondern erst das Gespräch suchen.
Tja, mit dem „suchen“ ist das so eine Sache: So weiß offiziell kein Insasse, wer der Anstaltskaufmann ist, denn Firmenname/Logo, Firmenadresse findet sich auf keiner Bestellliste, auch nicht auf der Einkaufsquittung, die man beim Einkauf erhält.
Es gibt einschlägige Bestimmungen, die einen Verkäufer zur Angabe dieser Daten zwingen, aber scheinbar gelten diese nicht für besagte Firma (deren Namen erfuhr ich en passant, da ich gegen den Wegfall des Einkaufs im Laden vor Gericht zog).
Kulant, auch dies sei erwähnt, um nicht den Eindruck zu hinterlassen, ich würde nur kritisieren, geregelt wurde das Malheur, dass mir Eier mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum verkauft wurden (Herr Massak entschuldigte sich persönlich und übergab eine kleine Aufmerksamkeit als „Entschädigung“).
Für die Insassen bedeutet die Neuregelung auch längere Einschlusszeiten in ihren Zellen: Waren nämlich die Zellen bislang an Einkaufstagen stets geöffnet, so sind sie nun während der Ausgabe der Waren mehrere Stunden verschlossen.
Schritt für Schritt entwickelt sich der Knast immer mehr zu einem „Wegschließ-/Verwahrvollzug; symptomatisch für die Lethargie vieler Gefangenen ist die von mir vielfach gehörte Äußerung: „Ich bin froh, dass nun während des Einkaufs die Zellen geschlossen sind. So habe ich meine Ruhe.“
Thomas Meyer-Falk
c/o JVA – Z. 3113
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