Thomas Meyer-Falk: Knast – Gesundheit – Apotheke
über Privatisierung im Gesundheitswesen der Gefängnisse
Heute möchte ich über die Erfahrungen mit der „Privatisierung“ von Apothekenleistungen im Strafvollzug der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal berichten.
Vor der Privatisierung
Bis Ende 2009 erhielten die Gefangenen in Baden-Württemberg sämtliche notwendigen medizinischen Produkte kostenlos über die Anstaltsärzte (in der Gefangenensprache „Revier“ genannt). Dies schloss auch Wundsalben, fettende Salben, Hustentabletten und ähnliches ein.
Nach der Privatisierung
Die Anstalten schrieben die Versorgung der Gefangenen mit nicht verschreibungspflichtigen Apothekenprodukten aus und zumindest in Bruchsal werden seit Anfang 2010 die Insassen von der Stern-Apotheke (Inhaber: Apotheker Boris Osmann in Hohe Börde/Irxleben in Sachsen-Anhalt; www.sternapo.de, email: apotheke@sternapo.de) beliefert.
Damit einher ging auch eine Verpflichtung der inhaftierten Patienten, nunmehr selbst für Dinge wie Erkältungssalben, Husten-, bzw. Halsschmerztabletten und vieles mehr, zu bezahlen. „Stärkung der Eigenverantwortung“ wurde dieses Sparprogramm genannt.
Erfahrungen mit der Stern-Apotheke
Da das Revier, laut Arzt, keinerlei Vorrat an von den Gefangenen selbst zu bezahlenden apothekenpflichtigen Produkten präsent hat, muss man zwingend bei Apotheker Osmann bestellen. Wer also mit einer akuten Grippe und Halsweh zum Arzt der JVA geht, erhält zwar Kopfschmerztabletten, aber weder Erkältungsbalsam, noch Halsschmerz-Pastillen (wie etwa Dobendan).
Gerne darf der Patient diese jedoch bei Herrn Osmann bestellen. Man reicht also seine Bestellung ein, diese wird per Fax an die Stern-Apotheke übermittelt. Umgehend erfolgt auch eine Rechnungsstellung (d.h. Vorauskasse).
Nun beginnt die Warte- und Leidenszeit, denn mit der Lieferung nimmt es die Apotheke nicht so genau.
Ich selbst wartete auf eine Bestellung, die am 10.01.2011 bezahlt wurde, bis zum 03.02.2011. Darunter das auch schon erwähnte Dobendan gegen Halsschmerzen.
Irgendwelche „Zwischennachrichten“ zu erteilen hält die Apotheke nicht für notwendig; auch Anrufe seitens des Krankenpflegepersonals bei der Apotheke fruchten nichts.
Wer also krank wird, der sollte dies rechtzeitig im Voraus wissen.
Es handelt sich hierbei nicht um einen bedauerlichen und deshalb nicht erwähnenswerten Einzelfall; vielmehr kann den Informationstafeln der Gefangenen-Vertretung der JVA Bruchsal entnommen werden, dass man sich schon auf Grund zahlreicher Beschwerden von Gefangenen intensiv über diese Lieferverzögerungen mit dem Anstaltsleiter ausgetauscht habe. Dessen sinnige Lösung: Er kapituliert faktisch vor der Praxis des Apothekers Osmann, denn nunmehr kann in Akutfällen über eine Apotheke in Bruchsal der Patient dringend erforderliche Arzneimittel bestellen und erhält diese dann in der Tat zeitnah.
Rechtliche Problematik
Laut Landtag Sachsen-Anhalt betreibt Apotheker Osmann „mit Erlaubnis des Landesverwaltungsamtes einen Versandhandel mit Arzneimitteln“ (10.09.2010, Az. 5-A/00293).
Wenn dem so ist, dann trifft die Stern-Apotheke jedoch gemäß § 11a Apothekengesetz eine Vielzahl von Pflichten gegenüber der Kundschaft. § 11 a Nr. 3 a ApoG bestimmt, dass „innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eingang der Bestellung das bestellte Arzneimittel versandt wird (…)“.
Nur wenn zwischen Apotheke und Kunden eine längere Lieferzeit vereinbart wurde, darf auch später geliefert werden; zumindest jedoch muss der Apotheker zwingend bei Verzögerungen den „Besteller in geeigneter Weise davon (…) unterrichten“.
Man braucht es eigentlich kaum erwähnen, aber ich tue es dennoch: Weder hält sich der Apotheker an die Lieferfrist von 2 Arbeitstagen, noch sind längere Lieferfristen vereinbart mit den Endkunden, geschweige denn erteilt er Zwischennachrichten.
Als Patient sitzt man nur da und wartet, und wartet, und wartet.
Und das, obwohl die Medikamente mitunter seit drei, vier, fünf und mehr Wochen bezahlt sind. Die Anstalt zeigt sich hilflos.
Prüfung durch Apothekerkammer und Landesverwaltungsamt
Nach Beschwerden bei der Apothekerkammer und beim Landesverwaltungsamt wird zur Zeit das Geschäftsgebaren des Apothekers Osmann geprüft. Wie die Apothekerkammer mit einem Schreiben vom 21.02.2011 (Az. 15/11, Herr Marcus Bondick) mitteilt, leugnet Herr Osmann alle Vorwürfe, weshalb die Apothekerkammer weitere schriftliche Unterlagen angefordert hat. Es bleibt abzuwarten, wie diese Prüfungen enden werden.
Ergebnis
Wieder zeigt sich, welche Folgen die Privatisierung im Strafvollzugsbereich haben kann – und das auf Kosten der Gesundheit der Gefangenen.
Thomas Meyer-Falk
c/o JVA – Z. 3113
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