Thomas Meyer-Falk: Knast in Burg und der Rechnungshof

faust-durchs-gitterKürzlich berichtete Klaus Sonntag über die „Gefängnisindustrie in Sachsen-Anhalt“ über die Kritik des Landesrechnungshofes am PPP-Projekt der JVA Burg. Ich möchte heute die erwähnte Kritik des Landesrechnungshofes näher darstellen.

Vorgeschichte

Im Jahr 2006 hatte das Land Sachsen-Anhalt mit dem Baukonzern Bilfinger-Berger Verträge über Errichtung und teilweisen Betrieb einer JVA in Burg geschlossen.

Seit Mai 2009 ist die Anstalt in Betrieb; der Konzern, bzw. vertraglich verpflichtete Subunternehmen sind zuständig für Reinigung, Entsorgung und Ausstattung der Anstalt, für Verwaltungshilfsdienste, EDV-Systembetreuung, Verpflegungsleistungen, Gesundheitsfürsorge, Sozialfürsorge und Sicherheitshilfsdienste (vgl. Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt, Jahresbericht 2012, Seite 44).

Vereinbart wurde eine Vertragslaufzeit von 25 Jahren, wobei einzelne der genannten Dienstleistungsverträge nach frühestens 5 Jahren gekündigt werden können.

Im Verlaufe der 25 Jahre sollten dem Land Gesamtkosten von 512 Millionen Euro entstehen, davon circa 175 Millionen Euro für Bau und Finanzierung der JVA und weitere knapp 337 Millionen Euro für deren Betrieb.

Kritik des Landesrechnungshofes

Auf immerhin gut 20 Seiten seines Jahresberichts setzt der Landesrechnungshof sich ausführlich mit dem „Public-Private-Partnership“-Projekt der Landesregierung auseinander und hält die Missstände für so gravierend, dass der Präsident des Rechnungshofes in der Landespressekonferenz am 05.12.2012 diese breit referierte.

Im Folgenden sind nur die gravierendsten Mängel benannt:

  • 1. ) Mangelhafte Transparenz der Projektkosten

Die Landesverfassung verpflichtet eigentlich dazu, alle Ausgaben klar zu gliedern und transparent zu machen. Neben den aktuell circa 11 Millionen Euro „PPP-Rate“ (also dem vertraglich vereinbarten Entgelt) jährlich, sind jedoch auf zahlreiche andere Haushaltstöpfe jährlich über 2,2 Millionen Extrazahlungen verteilt, man könnte auch sagen „versteckt“, die für den Betrieb der JVA Burg anfallen. Und ab 2013 steigt diese Summe um weitere 500.000 Euro pro Jahr, da für die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung höhere Kosten anfallen.

  • 2.) Künftige Haushaltsbelastungen höher als angenommen

Schon vor drei Jahren (2010) lagen die tatsächlichen Kosten für das PPP-Projekt um fast 400.000 Euro höher als prognostiziert. Das hat zur Folge, dass bis Ende der Vertragslaufzeit 2034, je nach Szenario zwischen 7,4 Millionen und 42,5 Millionen Euro Mehrkosten anfallen, als noch 2006 vorhergesagt.

Weiter kritisiert der Rechnungshof, sollte die JVA tatsächlich mit 272 Landesbediensteten (und 57,5 Stellen, die die PPP-Partner besetzen) arbeiten, anstatt den eigentlich geplanten 203,5 Stellen für Landesbedienstete, würden allein durch den fehl kalkulierten Personalbedarf jährlich zusätzliche 5 Millionen Euro Mehrkosten anfallen.

  • 3.) Mangelnde Auslastung der JVA

Bei einer Belegungsstärke von maximal 658 Gefangenen wurde zwischen Land und dem PPP-Konsortium eine „Durchschnittsbelegung“ von 600 Inhaftierten vereinbart. Nach Berechnungen führte „durchschnittliche Unterbelegung von 82 Inhaftierten“ im Jahr 2011 zu Ausgaben von 1,1 Millionen Euro ohne eine gleichwertige Gegenleistung. Da das Land die an Bilfinger-Berger und übrigen Vertragspartner zu zahlenden Beträge nicht kürzen darf, wenn weniger Insassen einsitzen, führt das zu Einnahmen auf Konzernseite, für die keine Gegenleistungen erbracht werden müssen.

  • 4.) Unzureichende Vertragserfüllung durch PPP-Partner

Nach Recherchen des Landesrechnungshofes erfüllen die Vertragspartner des Landes teilweise ihre vertraglichen Pflichten nicht (Bericht, a.a.O., S. 57): So hapert es bei der Organisation und Durchführung von fachärztlichen und zahnärztlichen Leistungen, bei der sachgemäßen Bestellung, Lagerung und ordnungsgemäßen Verwendung der Arzneimittel, medizinischen Verbrauchsmittel und Heil-, bzw. Hilfsmittel.

  • 5.) Umplanung im Bereich Seelsorge

Weil es das Justizministerium unterlassen hatte, rechtzeitig vor Vertragsschluss mit dem PPP-Partner die Kirchen zu beteiligen, fielen durch erforderliche Umplanungen zusätzliche knapp 200.000 Euro an, sowie, wie der Landesrechnungshof detailverliebt verrechnet, weitere monatliche „Wartungs- und Instandhaltungskosten in Höhe von 44,76 Euro“.

  • 6.) Prinzipielle Kritik des Landesrechnungshofes

Wie der Präsident des Rechnungshofes am 05.12.2012 mitteilte (vgl. Pressemitteilung S. 5), hätte ein Verzicht auf PPP, also bei einer Finanzierung, Bau und Betrieb ausschließlich durch das Land, anstatt unter Einbeziehung des Bilfinger-Berger-Konzerns, zumindest zu einer Ersparnis der „kalkulierten Gewinnzuschläge“ des Konzerns, deren Höhe nicht bekannt sind, geführt. Ferner würde der vertraglich vereinbarte „Bonus“ von 5 % bei Vertragserfüllung nicht anfallen. Denn der Konzern hatte sich zusagen lassen, dass bei vertragsgemäßer Erfüllung zusätzlich ein Bonus von maximal 5 % vom Land zu zahlen sei.

Proteste der Gefangenen der JVA Burg

Seit 2009 kam es zu mehreren Hungerstreiks und Protestaktionen durch Inhaftierte der JVA Burg, sowie zu zahlreichen Klagen bei den zuständigen Gerichten.

Auch die in Burg untergebrachten Sicherungsverwahrten schlossen sich teilweise den Protesten an. Zumindest für diese wird sich die Unterbringungssituation ein bisschen verbessern (vgl. den Absatz über Zellen für Sicherungsverwahrte in der JVA Burg) und das Land nimmt nach Berechnungen des Landesrechnungshofes bis 2034 mindestens 15 Millionen Euro in die Hand.

Thomas Meyer-Falk
c/o JVA – Z. 3113
Schönbornstr. 32
D-76646 Bruchsal

www.freedom-for-thomas.de
www.freedomforthomas.wordpress.com

Der Bericht des Landesrechnungshofes ist online abrufbar unter

http://www.lrh.sachsen-anhalt.de/fileadmin/user_upload/Berichte/12a.pdf , ab Seite 42

Die erwähnte Pressemitteilung des Präsidenten des Landesrechnungshofes vom 05.12.2012 unter

http://www.lrh.sachsen-anhalt.de/fileadmin/user_upload/Berichte/statement12-1.pdf , ab Seite 3

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