Über Grenzen der Beherrschung und die Freuden der Subversion
In den letzten Tagen ist ein Poster auf den Straßen von Berlin aufgetaucht. Unter der Überschrift “Über Grenzen der Beherrschung und die Freuden der Subversion” bezieht es sich auf die Demo, die in den Abendstunden des 16. Juli durch die Strassen von Kreuzberg zog. Die Demo fand in Erinnerung an die polizeilichen Todesschüsse auf Carlo Giuliani am 20. Juli 2001 in Genua statt.
Auf der Demo wurde der Text “Der Bruch mit der Autorität – und seine tödlichen Folgen” als Flyer an viele interessierte Umstehende verteilt.
Über Grenzen der Beherrschung
und die Freuden der Subversion
– einige Gedanken über ein wütendes Gedenken –
Vor zehn Jahren wurde Carlo Giuliani während den massiven Protesten gegen den G8-Gipfel in Genua von der paramilitärischen Polizei Italiens, der Carabinieri, erschossen. Um an ihn und an die damals noch junge, kämpferische, antikapitalistische Bewegung sowie an die brutale staatliche Gewalt, die ihr entgegenschlug, zu erinnern, wurde für den 16. Juli 2011 in Kreuzberg zu einer Demonstration aufgerufen. Bewusst wurde bei diesem Anlass auf eine Kooperation mit den Behörden verzichtet. Denn die Polizei, egal ob hier oder anders wo, handelt immer im Interesse von Staat und Kapital, zur Aufrechterhaltung der herrschenden Ordnung. So macht es für uns keinen Unterschied ob italienische oder deutsche Bullen den Abzug drücken, wir wissen, dass es überall passiert und wir würden es für höchst entwürdigend gegenüber den Opfern von tödlicher Polizeigewalt halten, mit ebendieser Institution in Dialog zu treten und Absprachen zu machen. Aber auch sonst bringen angemeldete Versammlungen allerlei Schikanen mit sich. Das falsche Schuhwerk, zu lange Transparente und unerwünschte Inhalte, dass alles sind in Berlin normalerweise Gründe für sie, Demos anzugreifen, Leute zu verprügeln und festzunehmen. Ein dichtes Spalier und das präventive Abfilmen und Durchsuchen der TeilnehmerInnen sind schon lange Standard. Crowd-Control aus den Lehrbüchern der Aufstandsbekämpfung im besten Sinne.
Auch an diesem Samstagabend sind sich Versammlungsbehörde, Senat und die BerufsschlägerInnen in Uniform einig gewesen, jegliches Erinnern an die Ereignisse von damals, welches nicht unter ihrer totalen Kontrolle stattfindet, zu verhindern. Doch es sollte anders kommen…
Fest entschlossen ein zum Anlass würdiges Gedenken gegen den Willen der Polizei durchzusetzen, versammelten sich um die Tausend Menschen am Lausitzer Platz. Gut vorbereitet auf die zu erwarteten Angriffe seitens der Polizei, gelang es zumindest einen Teil der geplanten Strecke als geschlossener Demonstrationszug zurückzulegen. Auch wenn es dann den Bullen gelang die Menge zu spalten, war damit noch lange Nichts zu Ende. Die Konfrontation mit der Staatsgewalt, die so oft ein Gefühl der Ohnmacht, der Vereinzelung und Resignation hinterlässt, war an diesem Abend der Funke, der die Wut über die herrschenden Verhältnisse entflammte. Der öffentliche Raum, die Straßen und Plätze, wurden für einige Stunden zum umkämpften Terrain. Sie wurden der staatlichen Kontrolle entzogen, in dem sich überall spontan Leute zusammenschlossen, kommunizierten, ihre Meinung in die Nacht herausschrien, Straßen blockierten und immer wieder Steine aufhoben und diese voller Leidenschaft der Autorität entgegen schleuderten.
Für eine kurze Zeit konnte durch die gelebte Solidarität ein Raum geschaffen werden, der uns den nötigen Platz zum Atmen und Handeln bot, ein Raum der uns in der Hektik des Alltags, umgeben von einer entfremdeten Welt, schon lange verloren ging. Und genau diese Erfahrung ist es, die wir aus diesem Abend mitnehmen und welche so vielen von denen, die wir auf der Straße getroffen haben ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Wir haben gesehen, dass wenn wir etwas für richtig halten, und gemeinsam und entschlossen dafür einstehen, uns auch eine hochgerüstete Polizei mit all ihren Techniken der Herrschaft nicht aufhalten kann. Denn die Ideen einer freiheitlichen Gesellschaft, jenseits jeglicher Autorität lassen sich nicht mit dem Polizeiknüppel zerschlagen.
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