Weißrussland: Internationaler Solidaritätsaufruf für anarchistische Gefangene
Es ist schon ein Jahr vergangen, seitdem wir aufgerufen haben, eure Solidarität mit gefangenen Anarchist*innen aus Belarus zu zeigen. Heute sehen wir, dass die Gefangenen eine neue Solidaritätswelle brauchen. Es kann ihnen helfen früher aus dem Knast zu kommen. Deswegen rufen wir alle dazu auf, an den Solidaritätsaktionstagen von 30.6. bis 2.7. teilzunehmen.
Die Aktivisten Igor Olinewitsch, Nikolaj Dedok, Alexander Fratskewitsch, Artem Prokopenko, Pawel Syromolotov, Eugenij Waskowitsch wurden im Herbst 2010 festgenommen und später zu Haftstrafen von 3 bis 8 Jahren verurteilt. Sie haben Angriffe auf die Symbole der Macht und des Kapitals verübt und sind schon seit fast zwei Jahren in Haft. In dieser Zeit haben die Genoss*innen und Verwandten dafür gesorgt, die Haft möglichst erträglich zu machen und eine möglichst schnelle Freilassung zu erwirken. Im Oktober 2011 wurden Nikolaj Dedok, Igor Olinewitsch und Alexander Frantskewitsch als politische Gefangene von Menschenrechtler*innen anerkannt. In den Urteilen von Artem Prokopenko, Pawel Syromolotow und Eugenij Waskowitsch sehen die Menschenrechts-NGO’s auch eine politische Motivation, die die Höhe der Strafe bestimmt hat.
Diese Fakten erhöhen die Chancen auf eine frühzeitige Freilassung, weil in diesen Moment der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko sich unter dem Druck der EU befindet. Die EU fordert die sofortige Freilassung aller politischer Gefangenen in Belarus und deren Rehabilitation. Seit August 2011 wurden mehr als 30 politische Gefangene durch den Präsidenten begnadigt. Aber keiner von unseren Genossen. Lukaschenko hat öffentlich behauptet, er wird nur diejenigen begnadigen, die ihm ein Gnadengesuch stellen und damit ihre Schuld öffentlich anerkennen, die Tat bereuen und um seine persönliche Gnade bitten. Alle anderen bleiben im Knast. Im August 2011 wurden zwei Anarchisten: Nikolai Dedok und Alexander Frantskewitsch, – dazu gedrängt ein solches Gesuch zu unterschreiben. Die beiden haben es abgelehnt. Heute bleiben 13 politischen Gefangenen in Belarus in Haft, unter diesen fünf unserer Genossen und ein oppositioneller Aktivist, welcher für eine Soli-Aktion mit Anarchist*innen verurteilt wurde. Wir sind uns sicher, dass niemand von denen nach einer Begnadigung bitten wird, weil es eine Schande für einE Anarchist*in wäre.
Alle Gefangenen werden durch die Knastleitungen unter Druck gesetzt1, weil Lukaschenko ein Gewinner im Katz und Maus Spiel mit der EU sein will. Er will zeigen, dass nicht der Druck von der EU ihn bewegt hat, die Gefangenen frei zu lassen, sondern aus gutem Willen denen gegenüber, aber natürlich nur – wenn die Gefangenen ihn selbst bitten. Wir sind dagegen, dass mit unseren Genossen gehandelt wird, um die Gewogenheit der EU zu erkaufen. Und wir verurteilen den Druck, der auf sie ausgeübt wird, um sie zu zwingen, sich vor Lukaschenko niederzubeugen. Deswegen rufen wir alle dazu auf, gegen diese Folter zu protestieren und eine sofortige Freilassung für alle politischen Gefangenen, auch Anarchist*innen, in Belarus zu fordern.
Wir begrüßen alle möglichen Solidaritätsaktionen. Ihr könnt diese ab sofort und bis zu den als Höhepunkt gedachten Solidaritätsaktionstagen vom 30.Juni bis zum 2.Juli organisieren, aber auch danach fortführen bis unsere Genossen freigelassen werden; soweit es für euch möglich ist. Wir brauchen einen kontinuierlichen Druck auf das weissrussische Regime und die europäischen Politiker*innen.
- Beispiele, wie der Druck auf die Gefangen ausgeübt wird: Verlegung von einen Knast ins andere; Verlegung in Knäste mit strengeren Haftbedingungen; Besuchsverbote, Verweigerung von Übergaben von Gegenständen und Lebensmittel, die wegen mangelnden Versorgung notwendig sind; Begrenzungen an Geld, die die Gefangenen in Knastläden für die notwendige Güter ausgeben dürfen; Verzögerungen und Ausfälle bei der Postzustellungen; Isolationshaft; Verbot der Telefonaten. [↩]