Welcher ist der Preis den wir alle dafür zahlen?
In Folge der Antirepressionsarbeit für die inhaftierten TierrechtsaktivistInnen in Österreich wurde dieser Text von AnarchistInnen geschrieben, um Kritik an der Art und Weise der Soliarbeit zu artikulieren.
Unsere Meinung zu der Repression gegen TierrechtlerInnen in Österreich:
Diesem Text gehen viele Diskussionen und Zweifel voraus, denn es ist für uns keine leichte Sache in der Wiener Szene mit Kritik aufzutauchen. Nicht nur zu diesem Thema.
Es sind nämlich Dinge/Ereignisse aufgetreten mit denen auch wir nicht gerechnet haben. Lange waren die Überlegungen und das Niedergeschriebene zu diesem Thema klar und fertig. Wenn wir uns recht erinnern, ist dies ein weiterer Anlauf zu dieser Auseinandersetzung.
Warum sie jetzt erscheint wird in den folgenden Zeilen erläutert bzw. erklärt.
Diese Einleitung ist auch wichtig, weil die Verhaftungen bzw. Hausdurchsuchungen und nachher die Gefangenschaft von AktivistInnen der BAT (Basisgruppe für Tierrechte) uns sehr getroffen hatte. Wir wollten sie sofort draußen sehen, mit uns, nicht hinter einem Panzerglas, sondern mit uns auf den Straßen.
Die Betroffenen sind seit längerem wieder draußen. Wie alles passiert ist wollen wir trotzdem nicht zum x-sten mal wiederholen. Es gibt einige Internetseiten und Folder die alles chronologisch gut zusammengefasst haben. Außerdem sprengt es jenen Rahmen welchen wir dem Thema schenken bzw. widmen wollen.
Unsere Unzufriedenheiten, nicht nur unsere, sondern die von mehreren AnarchistInnen in Wien, fokussiert auf die Solidaritätsarbeit für und mit den Gefangenen, die Gefangenen selber und darüber hinaus auch den Umgang mit der ganzen Solidaritätsarbeit.
Uns ist bewusst wie die Lage in Wien zur Thematik Repression und vor allem zur Anti-Knast Agitation ist. Bis vor kurzer Zeit, konnte sie fast gleich Null gestellt werden. Der einzige Diskurs in Wien gegen eine Form von Gefängnisse läuft zum Thema Schubhaft-Abschaffung und seine Wichtigkeit wollen wir nicht mindern, aber dennoch ist uns dieser Diskurs zu kurz gegriffen.
Ab dem Moment der Inhaftierung der TierrechtlerInnen änderte sich die Situation drastisch. Das Interesse erstreckte sich vorher eher auf einer internationalen Ebene. Die Realität innerhalb österreichischer Gefängnissen wird ignoriert. Ob mit der Entlassung der TierrechtlerInnen das Interesse zu Anti-Knast Arbeit bleiben wird, können wir nicht prognostizieren. Wir können nur sagen, dass es für uns nach wie vor ein wichtiger Aspekt und Kampf sein wird.
Außer bei einzelnen Individuen hat dieses Thema ja nie Interesse erweckt. Dass es jetzt auf einmal es zu einem wichtigen Thema geworden ist, kommt uns zu rasch/unreflektiert. Aber dies ist ein anderes Kapitel.
Oben erwähnen wir die BAT ganz bewusst alleine und nicht den VGT, denn uns sind die Leute vom VGT komplett egal. Zwar wollen wir die Freiheit für alle Gefangenen, egal aus welchen Gründen sie sitzen, aber wir rennen ihnen allen eben nicht nach.
Die Unzufriedenheiten an der Solidaritätsarbeit, welche uns übrigens überhaupt nicht ansprach, die Verzweiflung in einer Sackgasse zu sein und immer wieder gegen dieselbe Mauer zu rennen, erlebten wir als Ohnmacht.
Wir konnten uns nicht selber helfen, jedoch ist uns klar, dass trotz der Entlassung der Gefangenen, eine Debatte und eine Diskussion vor uns steht. Vielleicht empfinden es nicht alle so.
Um das ganze nicht im luftleeren Raum stehen zu lassen, obwohl es uns schon auch sehr wundert, dass wir nach so vielen Monaten die ersten sind, möchten wir nun kurz auf einige Punkte eingehen.
Wir versuchen so klar wie möglich zu bleiben, um uns nicht in einzelnen Details zu verhängen, möchten wir die Analyse und Kritik zum vergangenen Jahr kurz zusammenfassen.
Die Soliarbeit (und da reden wir jetzt nicht von Solifesten, zu denen kommen wir später kurz) hat sich sehr schnell als sehr hierarchisch strukturiert herauskristallisiert.
An der Spitze war eine Gruppe, die mehr oder weniger den Ton angegeben hat; die die Richtlinien gezeigt hat, außerhalb gab es wenig. Der Diskurs war Pragmatismus, wie sich schnell herausstellte, egal wie; das fing schon in der ersten Woche mit einer Pressekonferenz mit der Grünen Partei an und mündete in der Wahlkampagne mit derselben Grünen Partei und des Kandidierens von Sabine Koch für Nationalratswahl 2008.
Diejenigen die behaupten, dass so eine Praxis als Anarchistinnen tragbar ist, haben sich gut mit ihren Widersprüchen arrangiert, denn wo es keine Konsequenz gibt, gibt es keine Widersprüche.
Wie ansonsten sollen wir das alles verstehen und einordnen? Das hört sich zynisch an, aber wir sind ratlos, da die fehlenden Positionen und Stellungnahmen zwar auch eine Aussage sind, aber in Anbetracht des Geschwätzes hinter vorgehaltener Hand doch auch vielleicht Potential hätten. Sie würden wenigstens mehr Klarheit über dieses Spektakel verschaffen.
Die Zusammenarbeit mit der Grünen Partei, mit Menschen aus Linken Gruppen die nichts Weiteres als ihren Opportunismus ausnutzen und die Gelegenheit nützen um zu profitieren. Denn uns ist es wichtig, dass sich Menschen mit Gefangenen solidarisieren, aber nicht mit politischen Organisationen die glauben, dass sie mit diesem Thema die eigenen
Reihen füllen können, weil es „populär“ und „aktuell“ ist.
Unsere Enttäuschung galt den Menschen die die Soliarbeit machten bzw. noch machen, weil wir sie als Autonome bzw. AnarchistInnen zu kennen glaubten. Seit dem erkennen wir sie nicht mehr. Dasselbe gilt einigen Gefangenen, wir erwarten von ihnen noch eine offizielle Stellungnahme. Wir verstehen nicht warum Aufgrund von Pragmatismus bzw. wie es so oft genannt wird „Realpolitischen Interessen“, revolutionäre Theorien und Praxen über Bord geworfen werden und die Grüne Partei zu Verbündeten gemacht wird.
Unser einziger gesunder Bezug zu den Grünen ist der Angriff gegen sie als ein Teil des Kapitals, des Systems, der Macht, der Unterdrückung. Wir würden nicht mehr nerven und uns als zufrieden geben, wenn endlich Positionen bezogen werden würde. Das ganze Geflüster hinter den Kulissen geht uns auf die Nerven. Sollen bitte Schwarz auf Weiß die Gefangenen sagen, dass sie die Zusammenarbeit mit der Grünen Partei super fanden. Von Sabine Koch wissen wir es wenigsten schon, sonst verstehen wir nicht warum sie für die Grünen ansonsten bei den letzten Wahlen in den Wiener Listen der Grünen kandidierte. Denn bevor dies nicht passiert, sehen wir nicht ein, warum wir solche Ex-Gefangene unterstützen sollen bzw. irgendetwas für sie machen sollen.
Dies sollen die Menschen aus der Antirepressiongruppe auch bitte tun. Soll die Debatte anfangen, endlich sollen die Fetzen fliegen, weil einfach warten bis die Geschichte gegessen ist, liegt nicht in unserem Interesse.
Ironischerweiße, als die TierrechtlerInnen verhaftet wurden, haben alle möglichen von Gruppen sich mit ihnen unbegrenzt solidarisiert. Wir haben damals nichts geschrieben, keine Stellungnahme genommen. Es gab nicht dass Bedürfnis, den Raum, die Energie dafür. Es wäre auch für die Szene komplett fehl am Platz gewesen. Denn es gab andere Prioritäten als sich mit dem eigenen Handeln auseinander zusetzen. Darüber hinaus gab es Überraschungen die uns zu einer Ohnmacht führten. Dass wir jetzt wieder auftauchen hat klare Gründe. Wir nehmen das Geschehene nicht als einen Nebensatz wahr, sondern als ein Scheitern von AnarchistInnen. Eine kommende Debatte kann auch der Radikalisierung anarchistischer Individuen dienen. Denn wir radikalisieren uns durch unser Handeln im Angriff gegen das Herrschende.
Unsere kritische Einstellung gegenüber allem was Links ist beruht auf unserer Theorie und Praxis. Dies ist ein Teil davon.
Und nun zum Ungang mit der ganzen Geschichte. Beides bezieht sich auf Menschen außerhalb und innerhalb der Gefängnisse, denn Gefangene sind für uns keine Opfer, die keine Meinung/Handlungsmöglichkeit mehr haben/….
Die Auseinandersetzung ist uns wichtig, weil die Situation ernst zu nehmen ist! Und da reden wir nicht nur von dem Fall der TierrechtlerInnen, sondern von allen weiteren Kriminalisierungen und Repressionen, die in Zukunft hereinbrechen werden.
Wir fordern Stellungnahmen, Auseinandersetzungen mit dem Thema und einen Blick in den Spiegel, um vielleicht zu erkennen, dass Arroganz eine verkannte Form von Dummheit ist.
Wie können Menschen behaupten es sei alles perfekt gelaufen?
Wieso gibt es keine Reflexionen? Ist es Feigheit, die kennen wir alle und zu der sollten wir auch stehen lernen, sonst bleibt alles nur eine Hülle von coolen anarchistischen Sprüchen und spätestens wenn die Repression eintritt bekommen wir die verdrängte Angst zu spüren.
Warum gestehen sich viele nicht ihr Scheitern ein?
Das sind Fragen, die viele nicht beantworten können/wollen, die hier aber zur Diskussion gestellt werden.
Das klingt jetzt alles nach Provokation, aber es uns leider viel zu ernst um Spaß zu machen. Wir denken uns deutlich genug ausgedrückt zu haben.Was die Soli-Feste betrifft, denken wir, dass es nicht wichtig ist, ob wir diese cool oder Scheiße fanden. Uns ist nur wieder mal die ewige Formel des „Alkohol – Verkaufs + Party = Solidarität“ aufgefallen. Dies zeigt sich aber in allem in der Autonomen/Anarchistischen Szene und ist jetzt nichts Neues.
Was aber nicht bedeutet, dass wir die ganzen spontanen Demonstrationen vergessen haben. Ausdruck von Wut gegen Polizei und Gefängnisse.
Wir sehen es als eigenen Fehler, dass auch wir immer wieder die „Unerfahrung“ zu Anti-Knast Arbeit und Repression in Österreich als Rechtfertigung herangezogen haben, um die Handlungen der Autonomen/ Anarchisitischen Szene in Wien zu rechtfertigen. Nach vielen Monaten der Soliarbeit und der fehlenden Reflexion darüber sehen wir das aber anders.
Unerfahrung ist keine Ausrede. Denn pragmatischer Selbstmord spiegelt das Handeln und die Einstellung von uns allen. Im Falle von Wien, keine starke Anarchistische Bewegung, brauchen einige die Grüne als Rückrad.
Da machen wir wieder mal unsere Meinung bekannt, dass es nicht wichtig ist, dass wir viele sind, sondern dass unser Handeln uns widerspiegelt. In unserem Fall der soziale Krieg zwischen uns und dem Kapitalismus/Staat/Patriarchat.
Wir wollen noch abschließen, dass auch in dieser Solidaritätsarbeit der Diskurs von Schuld und Unschuld vorherrschte. Das hat in einer anarchistischen Praxis nichts verloren. Wie sollte denn ansonsten anarchistische Solidarität aus, wenn Menschen zum Beispiel bei ihrer Tat erwischt werden? Wir wollen nicht das Konstrukt des ganzen Falles absprechen, wir wollen es aber auch nicht extra hervorheben, da es tägliche Praxis des Staates ist. Immerhin konstruiert er ja auch jeden Tag absurde Gesetze und so vieles mehr.
Dies ist das Ende unserer Überlegungen, die jetzt endlich niedergeschrieben wurden. Das bedeutet für uns keinen Abschluss, sondern einen Beginn einer Auseinandersetzung, für eine revolutionäre Theorie und Praxis.
Es ist auch nicht wichtig wer die VerfasserInnen des Textes sind (auch so eine Beschäftigungstherapie in der Szene). Alle Anstrengung dies raus zu finden ist entweder Arbeit der Polizei, oder Ablenkung von der eigenen Auseinandersetzung.
Einige AnarchistInnen