Zu den Festnahmen wegen “Hakenkrallen” in Italien
Am 3. Juni, fünf Tage vor Beginn des G8-Gipfels, hatten Carabinieri der "Sektion Anti-Terrorismus" (ROS) zwei italienische Aktivisten in einer "Operation Shadow" auf einer Brücke festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, einen Anschlag mit "Hakenkrallen" auf die Bahnlinie Viterbo – Ancona geplant zu haben. In der Presse wurden sie als Teil einer "anarcho-insurrektionalistischen Vereinigung" mit Nähe zur "Federazione Anarchica Informale" (F.A.I.) bezeichnet. Mindestens gegen 37 andere wird wegen subversiver Vereinigung mit terroristischer Zweckgebung ermittelt. Es hat 40 Durchsuchungen gegeben, bei den beiden Verhafteten soll belastendes Material im Auto gefunden worden sein. Gegen sie wird nun wegen "subversiver Assoziation und schwerem Eingriff in die Transportsicherheit mit terroristischem Motiv” ermittelt.
2004 gab es ähnliche Sabotageakte auf Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecken in Norditalien. Wie bei dem jüngsten Anschlag sollen die nächtlichen Aktivisten laut Polizei einer Bauanleitung aus einem Handbuch "To Each His Own: 1,000 Ways to Sabotage the World" gefolgt sein.
Die Nachricht von der Festnahme fand auch in zahlreichen französischen Medien Beachtung. Dabei kam heraus, dass es sich keineswegs wie zuvor vermutet um einen Zufallstreffer handelt, sondern die Verdächtigen seit 16 Monaten überwacht wurden nachdem sie angeblich an einer Bahnstrecke gesehen worden waren.
Vor dem G8-Gipfel in Italien hatte es drei größere Verhaftungswellen gegeben. Wenige Wochen vor den Razzien im anarchistischen Spektrum hatte die politische Polizei Digos sechs Personen festgenommen, die beschuldigt werden die Roten Brigaden erneuern zu wollen. Beide Gruppen, F.A.I. und eine "Brigate Rosse per la Costruzione del Partito Comunista Combattente", stehen auf der im Juni überarbeiteten Terrorliste der EU. Drei Tage vor dem G8 wurden 21 italienische Aktivisten der Studentenbewegung festgenommen, weil sie einige Wochen zuvor in Turin unter Einsatz von Feuerlöschern versucht haben sollen, Polizeiketten zu überwinden. Der Leiter der Anti-Terror-Brigaden des italienischen Innenministeriums, De Stefano, unterstellt den Verhafteten, Teil eines international agierenden "schwarzen Blocks" zu sein der "Guerrillatechniken studiert". De Stefano hatte in der Vergangenheit Schläge gegen italienische anarchistische Bewegungen geleitet.
Die Polizei lobte sich zu den Verhaftungen und erklärte, ein Risiko ähnlicher oder "ernsthafterer", "nicht vorhersehbarer" Anschläge neutralisiert zu haben. Glückwünsche von höchster Stelle kamen vom europäischen EU-Kommissar für Verkehr, Tajani: "Komplimente an die ROS, eine Attacke auf die Sicherheit des Schienentransportes verhindert zu haben. Europa ist auf Italiens Seite bei der Verstärkung der Sicherheit. Wir müssen die Hochgeschwindigkeitsprojekte verteidigen". Der rechtskonservative Politiker der Forza Italia folgte hatte 2008 das Amt vom scheidenden Kommissar und gegenwärtigen Kommissionspräsident Barrot übernommen.
Auch andere Institutionen der EU dürften über die Festnahmen erleichtert sein. Mitglieder der F.A.I. werden verdächtigt, 2003 eine "Paketbombe" an den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) geschickt zu haben. Weil die EZB ihren Sitz in Frankfurt hat, waren die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe, das Bundeskriminalamt und das hessische Landeskriminalamt an den Ermittlungen beteiligt. Ähnliche Post wurde an den Leiter des Aufbaustabs und späteren Direktor von Europol, Storbeck, sowie an Eurojust in Den Haag adressiert. Alle Sendungen waren in Bologna aufgegeben worden. In der gleichen Woche hatte der frühere EU-Kommissionspräsident Prodi eine Büchersendung erhalten, die nach Öffnung Feuer fing. Der damalige deutsche Innenminister Schily forderte die Einrichtung einer "Gemeinsamen Ermittlungsgruppe", Ähnlichkeiten mit Paketbomben in Spanien wurden vermutet. Im Juli 2004 hatten italienische Carabinieri mit Einheiten der Digos in einer "Operation Cervantès" landesweit 100 Objekte durchsucht und vier Anarchisten wegen Vorbereitung und Durchführung von Sprengstoffanschlägen sowie Bildung einer "subversiven Vereinigung mit terroristischen Zielen und Subversion der demokratischen Ordnung" inhaftiert, darunter auch einen der Verdächtigen des jüngsten "Hakenkrallen"-Anschlages bei Viterbo.
Quelle: tarnac9.noblogs.org