Zu staatlich geforderten DNA-Abgaben bei Ermittlungsverfahren
In den letzten Tagen gab es mehrere Mitteilungen darüber, dass kriminalisierte Gefährt_innen vom Staat und seiner Justiz aufgefordert werden ihre DNA abzugeben. In diesem Fall geht es um Beschuldigte, die im letzten Sommer im Umfeld des “War starts here”-Camps festgenommen wurden, sowie um einen Berliner, der beschuldigt wird in Dresden Fahrzeuge der mörderischen Bundeswehr abgefackelt zu haben. Wir geben hier die Texte wieder, die auf linksunten.indymedia und in der Tageszeitung Neues Deutschland erschienen.
Informationen zu laufenden Verfahren wegen anti-militaristischer Aktionen
Im Zeitraum des anti-militaristischen Camps “War starts here!” 2012 gegen das GÜZ (Gefechts-Übungs-Zentrum) in der Altmark, wurden am 14. September 5 Menschen von einem MEK-Kommando des LKA Sachsen-Anhalt mit vorgehaltenen Waffen in Magdeburg aus einem PKW gezogen und festgenommen. Ihnen wird eine Aktion mit Farbe auf eine Ingenieurfirma, die an der Planung der Kriegs-Übungs-Stadt “Schnöggersburg” auf dem GÜZ beteiligt ist, vorgeworfen. Der Sachschaden wird mit 1000 Euro beziffert.
Die Firma ICL leitet die Bauplanung für die Aufstandsbekämpfungsstadt “Schnöggersburg” auf dem GÜZ. Eine Stadt, in der die Bundeswehr und andere Armeen urbane Aufstandsbekämpfung auf einem Flughafen, in U-Bahn-Stationen, in Wohnvierteln, in einem Elendsviertel und in einer Innenstadt mit Einkaufszentren trainieren sollen. Die Bauarbeiten für diese umstrittene 100-Mio-Euro-Geisterstadt haben im Herbst letzten Jahres begonnen. Bis 2017 sollen mehr als 500 Gebäude fertiggestellt sein.
Im Zuge dessen wurde das Haus des Fahrzeughalters, der nicht unter den Festgenommenen war, durchsucht. Dieser ist mittlerweile der Beihilfe beschuldigt
Gegen den Fahrzeughalter läuft ein weiteres Verfahren nach §109e (Sabotage an Wehrmitteln) in dessen Zuge ihm eine versuchte Straftat auf dem Gelände des GÜZ vorgeworfen wird. Dort sollen mit Farbe gefüllte Feuerlöscher gefunden worden sein. Im zeitlichen Umfeld soll ein anderes, dem beschuldigten Genossen zugeortnetes, Auto festgestellt worden sein. Er wurde außerdem observiert und sein Telefon wurde überwacht.
Nun wurden den 5 Festgenommen aus dem PKW sowie dem Halter Briefe des Gerichts zugestellt, in dem die Staatsanwaltschaft die DNA-Abnahme fordert. Die 5 werden als Verdächtigte im Verfahren nach §109e beschuldigt, was die DNA Abnahme rechtfertigen soll.
Wir halten euch über die weiteren konkreten repressiven Schritte gegen die beschuldigten Genoss_innen auf dem Laufenden.
Lasst euch nicht einschüchtern und beteiligt euch auch dieses Jahr zahlreich am anti-militaristischen “War starts here” Camp!
Gegen Kontrolle, Überwachung und staatlichen DNA-Sammelwahn! Für eine herrschaftsfreie Welt ohne jegliche Autorität und jeden Militarismus!
Fahndungseifer gegen Linke – Beschuldigte verweigern DNA-Abgabe
In drei Ermittlungsverfahren nach Paragraf 129 wird seit 2009/10 gegen 60 Personen ermittelt. Die Strafverfolgungsbehörden nutzen diese Verfahren vor allem zur Ausforschung der linken Szene und um ihre DNA-Datenbanken aufzufüllen.
Axel ist Antifaschist. Seine Meinung trägt der 32-jährige Berliner auch auf die Straße, beispielsweise wenn er mit seinen Genossinnen und Genossen in Berlin und anderen Städten demonstrieren geht. Er beteiligte sich unter anderem an den Blockaden des Naziaufmarsches in Dresden. Die Demonstrationen, die er selbst angemeldet hat, kann er schon gar nicht mehr zählen. Um die 50 könnten es sein, schätzt er. Auch deshalb ist Axel vielen Linken bekannt.
Zwangsläufig kennt ihn auch die Polizei. Und die hat den umtriebigen Aktivisten auf dem Kieker. Sechsmal saß er in den vergangenen sechs Jahren auf der Anklagebank, zum Beispiel wegen angeblichen Landfriedensbruchs während einer Demonstration anlässlich des G 8-Gipfels 2007 in Heiligendamm. Kein einziges Mal wurde er verurteilt, weil sich die Vorwürfe gegen ihn nie bewahrheiteten.
Seit Ende 2012 weiß Axel vom nächsten Kriminalisierungsversuch; dieses Mal unter der Federführung Sachsens. Er wird beschuldigt, an einer Brandstiftung gegen 42 Bundeswehrfahrzeuge in Dresden im Jahr 2009 beteiligt gewesen zu sein. Die sächsische Polizei ermittelt, so vermutet Axels Rechtsanwalt Martin Henselmann, wegen eines Verstoßes gegen Paragraf 129, der die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung unter Strafe stellt.
In einem Schreiben vom November 2012 lud das Landeskriminalamt Sachsen Axel zur Abgabe einer Speichelprobe zwecks Feststellung der DNA ein. Wenn er bis Monatsende nicht freiwillig vorbeikomme, werde man eine richterliche Anordnung zur DNA-Entnahme einholen, drohte das LKA. Dabei machte es keine Angaben, welche Taten dem Berliner konkret vorgeworfen werden. »Ich nahm die Einladung nicht an, und seitdem ist Funkstille«, erzählt Axel. Ganz offensichtlich fehlen Beweise, um einen Richter davon zu überzeugen, dass eine Genanalyse gerechtfertigt ist. Viel mehr wissen Axel und sein Rechtsanwalt nicht. Die Staatsanwaltschaft verweigert ihnen die Akteneinsicht.
Die Dresdner Strafverfolgungsbehörden möchten natürlich wissen, wer die Urheber des Brandanschlags auf den Bundeswehrfuhrpark sind, die dort angeblich eine Genspur hinterlassen haben. Händeringend ermitteln sie, mit allen verdeckten Methoden, um etwas Verwertbares zu erhalten. Überwachung der Telekommunikation, Erstellung von Bewegungsprofilen und Observationen gehören dazu. Auch eine verstärkte Aktivität des Verfassungsschutzes stellte die »Kampagne Hundertneunundzwanzig e.V.« fest, ein Zusammenschluss unterschiedlicher Gruppen, der Solidarität organisiert und sich gegen solche politisch motivierte Repression wendet. Bislang scheinen die Ermittler völlig im Dunkeln zu tappen.
Ermittelt wird wegen des Brandanschlags auf Bundeswehrfahrzeuge gegen mindestens vier weitere Personen aus Sachsen und Brandenburg. Das wurde aus einem zweiten Paragraf-129-Verfahren bekannt, das die sächsische Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den Anti-Nazi-Blockaden in Dresden seit 2010 führt. Es lief zwischenzeitlich gegen über 45 Personen, darunter der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König sowie Antifaschisten aus Dresden, Berlin und Stuttgart. Der größte Teil von ihnen musste auf richterlichen Beschluss eine DNA-Probe abgeben. Dann, im Juli 2012, wurde das Verfahren gegen 21 Betroffene mangels Beweisen eingestellt, die Ermittlungen gegen die übrigen gehen jedoch bis heute weiter.
Der »Solikreis Dresden« vermutet, dass das LKA Sachsen den unaufgeklärten Anschlag als Vorwand nutzt, um weiter ermitteln und noch mehr linke Strukturen ausforschen zu können. Das ist rechtlich zweifelhaft, wie ein Fall aus jüngster Vergangenheit zeigt. Die mehrjährigen Überwachungsmaßnahmen des Bundeskriminalamts gegen drei radikale Linke aus Berlin wegen des Verdachts auf Gründung der militanten gruppe (mg) hatte der Bundesgerichtshof 2010 nachträglich für rechtswidrig erklärt.
Aus Paragraf-129-Verfahren ist bekannt, dass jegliches Verhalten der Überwachten auf negative Art und Weise interpretiert wird: Aus losen Beziehungen werden feste Gruppenzusammenhänge, aus Freundschaften werden Kommandostrukturen. Allein ein Besuch in der Wohnung eines Beschuldigten kann zur Ausweitung des Verfahrens auf den Gast führen. So ist es nicht verwunderlich, dass ein Linker wie Axel mit seinem bis nach Dresden reichenden Bekanntenkreis auch in das Visier der Ermittler geriet.
Am 22. Mai kam es in Berlin, Magdeburg und Stuttgart erneut zu Hausdurchsuchungen wegen eines weiteren, erstmals bekannt gewordenen 129-Verfahrens der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Neun Personen waren von den Razzien betroffen, eine von ihnen sitzt seitdem in der JVA Berlin-Tegel. Sie werden beschuldigt, Mitglieder der Revolutionären Aktionszellen (RAZ) zu sein – laut Bundesanwaltschaft eine Nachfolgeorganisation der militanten gruppe. Nachdem auch sie zur DNA-Abgabe aufgefordert wurden, erklärten die Beschuldigten dieser Tage, dies nicht freiwillig zu tun. Manchmal reicht das aus, um der Sammelwut der Ermittler zu entgehen. In anderen Fällen, zuletzt Ende Juni, wurden Betroffene von der Polizei überraschend aufgesucht und in Handschellen zur zwangsweisen Blutentnahme in ein Krankenhaus gebracht.
Anlässlich der Durchsuchungen im Mai ging natürlich auch Axel wieder zu Solidaritätsdemonstrationen auf die Straße und vor die JVA Tegel. Für ihn eine Selbstverständlichkeit: »Getroffen hat es wenige, gemeint sind wir alle.«