Für alle, die bei der Podiumsdiskussion von Death in Custody am 15.03 nicht dabei sein konnten, gibt es jetzt eine Videoaufzeichung. Ihr findet sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=FJ9CHkhbfiQ
„Rassistische Polizeigewalt: Kurz- und langfristige Handlungsmöglichkeiten. Für solidarische Auswege!“ Seit dem letzten Jahr erleben wir global eine Welle des antirassistischen Protests. Nach dem Mord an dem Schwarzen Amerikaner George Floyd brach auch in Deutschland unter dem Label Black Lives Matter eine Diskussion über rassistische Polizeigewalt los. Doch wie sieht das Problem hier genau aus? Mit welchen anderen Problemen wie Flucht und politische Repression ist rassistische Polizeigewalt verbunden? Und was sind nachhaltige Alternativen zum System von Polizei und Gefängnis? Über diese Perspektiven diskutieren wir mit Vertreter:innen der Recherche AG von Death in Custody, der Halim Dener Kampagne und Migrantifa Berlin“
Als „Death in Custody„-Bündnis rufen wir zusammen mit der Kampagne „Gemeinschaftlicher Widerstand„ zur Demonstration am 19.03 in Moabit auf. Die Demo findet im Rahmen der Aktionswoche zum 15.03 (Tag gegen Polizeigewalt) und 18.03 (Tag der politischen Gefangenen) statt. Seit 1990 sind in Deutschland mindestens 180 Illegalisierte, Geflüchtete und BPoCs in Gewahrsam oder in Anwesenheit von Polizist:Innen gestorben, teils auch erschossen und ermordet worden. Alleine für das Jahr 2020 sind bis jetzt schon 12 Fälle bekannt. Nicht in diesen Zahlen enthalten sind die tödlichen Folgen von Abschiebungen, die Beteiligung deutscher Polizist:Innen bei Push-Backs an den Außengrenzen der EU, sowie eine anzunehmende hohe Dunkelziffer. Viele Fälle werden von der Polizei und Justiz als „Suizid„ und „Notwehr„ abgestempelt, auch wenn Indizien oder Beweise das widerlegen.
Stell dir vor du sitzt in deiner Wohnung und bekommst mit, dass es in der Wohnung nebenan Streit gibt. Das Ganze lässt dir keine Ruhe und so gehst du sogar vor die Tür, um nachzuschauen was da vor sich geht. Du stellst fest, dass es in der Wohnung nebenan einen Streit gibt, traust dir aber nicht zu, einzugreifen. Dennoch möchtest du auch nicht einfach so tun, als ob nichts ist. Also rufst du die Polizei an und meldest den Konflikt. Wenige Minuten später erscheinen die Beamt:Innen und du denkst dir, dass nun endlich jemand da ist, um den Konflikt zu beenden.
Doch viel zu oft deeskaliert sie keine brenzligen Situation, sondern befeuert diese. Sie schreit auf die Leute ein, bedroht sie, nutzt Pfefferspray, Schlagstöcke oder ähnliches, fixiert Menschen, drückt sie zu Boden und in manchen Fällen kommt auch die Schusswaffe zum Einsatz. Es besteht also jederzeit die reale Gefahr, dass bei jedem Polizeieinsatz Menschen verletzt oder gar umgebracht werden.
ein Text der Initiative: “Warum brauchen wir eine Gedenktafel?“
Am 24. Januar 2020, vor etwa einem Jahr, wurde in Berlin Friedrichshain eine Frau ermordet. Maria B. wurde von einem Polizisten erschossen, der mit drei seiner Kollegen die Tür zu ihrem Zimmer aufgebrochen hatte.
Marias Tod steht in einer Reihe mit denen vieler anderer Menschen, die, oftmals in Situationen akuter psychischer Krisen, von Polizist*innen erschossen wurden. Von Polizist*innen, die sich trotz ihrer Ausbildung, ihrer Überzahl, ihrer Möglichkeit ausgebildete Psycholog*innen hinzuzuziehen dazu entschlossen einen anderen Menschen zu töten.
Nach dem Mord wurden im laufe eines Jahres bereits vier Gedenktafeln an dem Haus angebracht, in dem Maria zuletzt wohnte und starb. Die Tafeln wurde immer wieder, vermutlich von der zuständigen Hausverwaltung, entfernt und daraufhin erneuert. Anlässlich des Jahrestages ihrer Ermordung, haben wir eine Gedenktafel in den Gehweg vor dem Haus eingelassen. Aber auch diese, im öffentlichen Raum platzierte Tafel wurde bereits nach zwei Tagen entfernt. Ob von der Hausverwaltung, der Stadt oder der Polizei, wissen wir nicht.
Am 23.07.2020 verbrannte Ferhat Mayouf in seiner Zelle. Die JVA Moabit, Polizei und Justiz erklärten den Fall zu einem Suizid und sprechen sich damit von jeder Verantwortung frei. Hintergrundinformationen und Augenzeugenberichte zeichnen allerdings ein anderes Bild: Ferhat Mayouf war psychisch instabil und sprach von Depressionen. Er bekam durch den Knast jedoch keine Unterstützung, im Gegenteil wurde er 23 Stunden täglich eingeschlossen und isoliert. Rippenbrüche weisen auf mögliche Misshandlungen durch Wärter*innen hin. Als die Zelle brannte, standen JVA-Mitarbeiter*innen vor der Tür und unternahmen nichts, auch auf Hilferufe von anderen Gefangenen reagierten sie nicht. Das macht deutlich: Ferhat Mayoufs Tod war kein tragischer Unfall, kein freier Entschluss zum Suizid. Die JVA Moabit und die deutsche Justiz sind verantwortlich für seinen Tod!
Für die Verantwortlichen folgten keine Konsequenzen, bis heute. Das ist kein Zufall – und vor allem kein Einzelfall.
Die Ermordung von Oury Jalloh 2005 ist wohl das bekannteste Beispiel dafür, dass Behörden einer Aufarbeitung nicht nur im Wege stehen, sondern aktiv Verbrechen von Bediensteten des Staates vertuschen. Auch nach Oury Jallohs Tod war von Suizid die Rede. Nur dank der kontinuierlichen Arbeit von Angehörigen, Freund*innen und Aktivist*innen ist einer breiten Öffentlichkeit bekannt, dass Oury Jalloh von Polizisten ermordet wurde. Der Name Oury Jalloh wurde so zu einem traurigen Synonym für die mörderische rassistische Polizeigewalt in Deutschland. Seit seinem Tod am 07.01.2005 sind mindestens 97 weitere von Rassismus betroffene Menschen in Gewahrsam gestorben oder durch die Polizei getötet worden.
Kontakt mit der Polizei endet für viele Menschen tödlich. Eine lückenlose Aufklärung aller Umstände ist umso (lebens)notwendiger. Schlimm genug, dass die verantwortlichen Behörden diese boykottieren und verschleppen. Es mangelt aber auch an gesellschaftlichem Druck. Der in Deutschland allgegenwärtige Rassismus und der verbreitete Glaube an die Unfehlbarkeit der Polizei und anderer exekutiver Organe führen zu einer tödlichen Gleichgültigkeit den Opfern, Überlebenden und ihren Angehörigen gegenüber.
Wir aber finden: Jeder Tod im Knast, Gewahrsam oder durch Polizei ist einer zu viel.
Am 24.1.21 jährt sich der Mord an Maria zum ersten Mal.
Maria wurde vor fast einem Jahr in ihrer Wohnung von vier Bullen ermordet, nachdem ihr Mitbewohner diese gerufen hatte, weil er sich von ihr bedroht gefühlt hatte.
Wir sind nach wie vor traurig und geschockt, aber auch wütend über diesen feigen Mord.
Deshalb rufen wir am Sonntag den 24.1.21 um 15 Uhr zur Gedenkkundgebung für Maria auf!
Am 23. 07.20 wurde Ferhat Mayouf durch den Knast Moabit ermordet. Er kam aus Algerien, war 36 Jahre alt, Person of Color und saß
im Untersuchungsknast. Am 23.07 brannte es in seiner Zelle. Obwohl
Schliesser*innen während des Brandes vor seiner Zelle standen und er
fünf Minuten lang „Hilfe“ und „Feuer“ schrie, öffneten sie die Zellentür nicht. Jetzt sprechen sie von Suizid.
Am 23.07.20 starb ein weiterer Gefangener im Knast Moabit. In Leitmedien
wird von Suizid geschrieben, aus den folgenden Schilderungen von
Gefangenen geht aber eindeutig hervor, dass der Knast für den Tod des
Gefangenen verantwortlich ist. Es wurde keine rechtzeitige Hilfe
geleistet, obwohl der verstorbene Gefangene, welcher nach unseren
Informationen Marrokkaner war und auch schon in der Vergangenheit vom
Knast gefoltert worden ist, danach schrie. Es werden auch die Umstände
und Verhältnisse im Knast beschrieben sowie das menschenverachtende
Verhalten der Wärter*innen.
Die gesamten beschriebenen Umstände führten eindeutig zum Tod des
Gefangenen. Dementsprechend war es Mord: durch den Knast, durch die
Justiz und durch alle, welche das Knastsystem am Laufen erhalten.